Weil es den Initiator:innen – zu denen auch das Umweltinstitut gehört –  gelungen war, über eine Million Unterstützungsbekundungen aus mehr als sieben EU-Mitgliedstaaten für die Forderungen von „Bienen und Bauern retten!“ zu sammeln, konnten diese am 24. Januar im EU-Parlament vorgestellt werden.

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Die Forderungen unserer EBI

  1. Schrittweiser Ausstieg aus chemisch-synthetischen Pestiziden
    Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden wird bis 2030 um 80 Prozent reduziert. Bis 2035 steigt die EU komplett aus der Nutzung der Ackergifte aus.
  2. Maßnahmen zur Erholung der Biodiversität
    Biotopflächen in landwirtschaftlichen Flächen werden wiederbelebt und Produktionsmethoden so gestaltet, dass die Landwirtschaft wieder einen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt leistet.
  3. Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern.
    Die europäische Agrarpolitik wird reformiert. Kleinteilige, vielfältige und nachhaltige landwirtschaftliche Strukturen werden bevorzugt, der Ökolandbau ausgeweitet sowie die Forschung zu pestizid- und gentechnikfreiem Anbau gefördert.

Vier Stunden lang diskutierten Vertreter:innen unserer EBI in einer öffentlichen Anhörung mit den für Landwirtschaft und Umwelt zuständigen Europa-Abgeordneten. Im Fokus stand die Forderung nach einem EU-weiten Komplettverbot chemisch-synthetischer Pestizide bis spätestens 2035.

Einen guten Eindruck von der EBI-Anhörung im EU-Parlament bekommt man in dieser Video-Zusammenfassung.

Alternativen zum Pestizideinsatz?

Die Reaktionen im Parlament fielen dabei gemischt aus: Bei den Mitgliedern des Umweltausschusses sowie unter den Abgeordneten der Linken, der Grünen und der Mitte-Links-Parteien stießen wir durchaus auf breite Zustimmung. Vertreter:innen von Mitte-Rechts-Parteien hingegen standen unseren Forderungen eher ablehnend gegenüber. So warf uns beispielsweise der Südtiroler Abgeordnete Herbert Dorfmann, Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) und des Landwirtschaftsausschusses des EU-Parlaments, vor, zu wenige Ideen für Alternativen zum Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide im Angebot zu haben. Dagegen hielt jedoch unter anderem der Grünen-Abgeordnete Martin Häusling (selbst Landwirt): Als Lösungsvorschläge nannte er unter anderem den ökologischen Landbau, Agroforstsysteme und den verstärkten Einsatz von Leguminosen (Hülsenfrüchtlern) – alles Wege, die wir auch im Annex unserer EBI aufgeführt haben. Wie Martin Häusling kritisierten auch der deutsche Sozialdemokrat Tiemo Wölken und die niederländische Linken-Abgeordnete Anja Hazekamp das Festhalten der EVP am „business as usual“ in der Landwirtschaftspolitik.

Pestizide gefährden Lebensmittelsicherheit!

Unterstützung bekam unsere EBI auch aus der Wissenschaft: Dr. Jeroen Candel, Dozent für Lebensmittel- und Agrarpolitik an der Universität Wangeningen, konfrontierte die Parlamentarier:innen mit der Kritik von über 700 Wissenschaftler:innen an der „Rolle rückwärts“ der EU in Sachen Pestizid-Reduktion. Denn die Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 in der EU war in Form eines Gesetzesentwurfs schon so gut wie beschlossene Sachen gewesen. Doch nach Druck der Agrarlobby, die im Zuge des Kriegs gegen die Ukraine Ängste vor drohender Lebensmittelknappheit schürte, wurde die Umsetzung der neuen Pestizidverordnung nun schon zum zweiten Mal auf die lange Bank geschoben. Das kommentierte Dr. Candel mit folgenden Worten:

"Es gibt keine einzige seriöse Wissenschaflterin, keinen einzigen seriösen Wissenschaftler auf diesem Gebiet, der oder die behaupten würde, dass die Pestizidverordnung ein Risiko für die europäische Lebensmittelsicherheit darstellen würde.“

Dr. Jeroen Candel

Ganz im Gegenteil bestehe Konsens darüber, dass die eigentlichen Bedrohungen für unsere sichere Versorgung mit Lebensmitteln der Verlust der Artenvielfalt und der Klimawandel seien, so Dr. Candel. Seine Kollegin Dr. Violette Geissen, Professorin für Bodenphysik und Landbewirtschaftung, sprach außerdem über die negativen Auswirkungen von Pestizidrückständen auf Ökosysteme und auf die menschliche Gesundheit.

Und auch eine Stimme aus der landwirtschaftlichen Praxis kam zu Wort: Der französische Landwirt Jean-Bernard Lozier beschrieb, wie er den Pestizideinsatz auf seinen Feldern um 80 Prozent reduziert hat, und das ohne größere Ernteeinbußen:

"Meine Arbeitslast ist reduziert, ich bin ein glücklicher Bauer und mein Hof wirft ähnliche Erträge ab wie die Betriebe meiner Nachbarn."

Jean-Bernard Lozier
Wie geht es weiter?

Spätestens am 7. April 2023 muss uns die EU-Kommission nun schriftlich darauf antworten, ob und wie sie auf die Forderungen unserer Europäischen Bürgerinitiative reagieren will. Bereits jetzt hat die EU-Kommission einen sogenannten „neuen Deal für Bestäuber“ vorgelegt, der sich allerdings bei näherem Hinsehen eher als Mogelpackung herausstellt als der große Wurf, den es braucht, um das dramatische Insektensterben tatsächlich auszubremsen. Wir werden uns also bis zum Stichtag im April weiter für ein Komplettverbot chemisch-synthetischer Pestizide für die gesamte EU stark machen!

Mogelpackung "Bestäuber Deal"

Am Tag der Anhörung im Europaparlament präsentierte die EU-Kommission den sogenannten   „neuen Deal für Bestäuber“ und bewarb diesen auch explizit als Antwort auf die Forderungen der EBI. Bei diesem „neuen Bestäuber-Deal“ handelt es sich jedoch um nichts anderes als eine aktualisierte Form eines Maßnahmenpakets, das bereits seit mehreren Jahren besteht – die sogenannte „Bestäuber-Initiative“ der EU. Dieser 2018 erstmals vorgestellten Initiative hat die EU-Kommission nun ein Update verpasst und darin auch das ohnehin bestehende Ziel einer Pestizidhalbierung bis 2030 mit aufgenommen. Ob es tatsächlich zu dieser Halbierung des Pestizideinsatzes kommen wird, steht aber aktuell noch in den Sternen: Denn die Festschreibung dieses Ziels in eine für alle EU-Länder rechtsverbindliche Pestizidverordnung wurde mittlerweile schon zum zweiten Mal auf die lange Bank geschoben (siehe oben). Insofern ist es durchaus irreführend, wenn die Kommission dieses Update an der Bestäuber-Initiative als den großen Wurf zum Insektenschutz und als Antwort auf die EBI präsentiert: Denn weder ist der „neue Bestäuber-Deal“ neu, noch ist gesichert, dass die darin vorgesehen Maßnahmen überhaupt umgesetzt werden.

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Alle Informationen zur Europäischen Bürgerinitiative "Bienen und Bauern retten!" finden Sie hier:

"Bienen und Bauern retten!"

Europäische Bürgerinitiative

Über eine Million Menschen aus ganz Europa haben für die Forderungen der EBI "Bienen und Bauern retten!" unterzeichnet - ein großer Erfolg für die Artenvielfalt und die bäuerliche Landwirtschaft in Europa.

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