Hintergrund
Paralleljustiz verhindern: CETA nicht ratifizieren!
Das „Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen“ CETA zwischen der EU und Kanada hat die Liberalisierung, Harmonisierung und Privatisierung sämtlicher Lebensbereiche zum Ziel. Vor knapp fünf Jahren ist das Freihandelsabkommen trotz massiver Proteste aus nahezu allen Bereichen der Gesellschaft bereits vorläufig in Kraft getreten, nun steht die endgültige Ratifizierung kurz bevor.
Sonderrechte für Konzerne
Der größte Kritikpunkt an CETA ist nach wie vor die mit der Ratifizierung einhergehende Etablierung privater Schiedsgerichte: eine Paralleljustiz, die Großkonzernen und anderen Investoren erlaubt, Staaten in Milliardenhöhe zu verklagen, sollte eine Regierung Maßnahmen gegen deren Profitinteressen beschließen. Und genau diese wollen die Energiekonzerne, die sich beispielsweise den Handel mit klimaschädlichem LNG-Gas darüber absichern wollen. Vergleichbare Abkommen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass allein durch angekündigte Klagen progressive Gesetzgebung verhindert wird – sei es bei Umweltauflagen zu einem Kohlekraftwerk in Hamburg oder einem Frackinggesetz in Slowenien. Es droht ein sogenannter “regulatory chill“, ein Regulierungsstillstand.
Boomender Handel mit schmutzigem Öl und Hormonfleisch
In den fünf Jahren der vorläufigen Anwendung hat sich der Handel mit dem äußerst klimaschädlichen Teersandöl bereits verdoppelt. Und auch der Handel mit genmanipuliertem und hormonbehandeltem Fisch und Fleisch boomt: Die zollfreien Importquoten für kanadisches Rind- und Schweinefleisch werden durch das Abkommen von ehemals 9.711 auf 120.000 Tonnen aufgestockt. Durch CETA kommt ein Dumping-Wettbewerb in Gang, der die Erzeugerpreise für Fleisch und Milch weiter senkt. Dies geht zu Lasten der bäuerlichen Wirtschaft und unterstützt durch den Preisdruck das Absenken ökologischer Standards in der Lebensmittelindustrie.
Darüber hinaus schreibt CETA weitreichende Liberalisierungsverpflichtungen für die öffentliche Daseinsvorsorge vor und verschärft den Privatisierungsdruck im Interesse der Erweiterung des Handels mit Dienstleistungen. Dies schränkt die Handlungsspielräume von Kommunen ein, öffentliche Gebäude und Versorgungsbetriebe energieeffizient zu bewirtschaften, Kantinen mit regionalen und ökologischen Produkten zu versorgen oder eine Verkehrs- und Energiewende einzuleiten.
Warum es bei der CETA-Abstimmung so sehr auf die Grünen ankommt
Aus der Opposition heraus haben die Grünen die Zivilgesellschaft in ihrem Widerstand gegen CETA stets unterstützt. Jetzt scheinen sie ihre Haltung grundlegend geändert zu haben: In einem Hauruck-Verfahren soll CETA nach der Sommerpause durch den Bundestag ratifiziert werden – auch mit den Stimmen der Grünen. Um den öffentlichen Druck zu besänftigen, haben sie angekündigt, das zuständige Komitee (Joint-Comittee – gemeinsamer CETA-Ausschuss) zwischen EU und Kanada eine Interpretationserklärung zum Investitionsschutzkapitel (Kap. 8) erarbeiten zu lassen. Diese soll dann das Klagerecht auf Fälle der direkten Enteignung und den Diskriminierungsschutz beschränken. Dadurch würde der Klagegrund der geschmälerten Profiterwartung ausgeklammert. Der Vertragstext selbst wird aber nicht verändert – er ist schließlich bereits von 15 Staaten ratifiziert. Ob die angekündigten Vereinbarungen zur Interpretation praktisch und rechtssicher durchführbar sind, ist daher mehr als fragwürdig.
So einfach lässt sich CETA nicht zähmen
Und selbst wenn das Vorhaben, dieses eine Kapitel zu entschärfen gelingen sollte, zeigt dies zwei Probleme deutlich auf: Der geheim tagende CETA-Ausschuss kann auch nach Ratifizierung das Abkommen grundlegend verändern – ohne die Beteiligung von Regierungen und Parlamenten. Außerdem wird damit das grundsätzliche Problem einer Paralleljustiz ohnehin nicht angegangen. CETA wird ein Handelsabkommen bleiben, das den Verbraucher- und Umweltschutz mit Füßen tritt und demokratische Entscheidungen aushebelt.