Mehr Gas, weniger Zukunft? Nicht mit uns!

Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche möchte, dass wir uns ehrlich machen bei der Energiewende: Sie will einen „Realitätscheck“ für die Energiewende – und plant gleichzeitig, so schnell wie möglich bis zu 50 fossile Gaskraftwerke bauen zu lassen. Wie passt das zusammen? Machen wir uns doch einmal wirklich ehrlich, Frau Reiche:
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  • Importiertes Erdgas aus Russland hat uns gerade in die Bredouille gebracht. Wird diese Energieform verlässlicher, wenn wir sie von anderen Despoten kaufen? Nein.
  • Ist es günstiger, fossile Energieverschwendung zu betreiben als mit heimischen erneuerbaren Energien sparsam umzugehen? Nein.
  • Und mal ganz ehrlich: Wie passen 50 Gaskraftwerke in die Klimakrise mit Hitzewellen, Dürren und Fluten? Stimmt: gar nicht.

Unsere Forderung an die Wirtschaftsministerin: Keine neuen Gaskraftwerke in Deutschland, keine Bremse für die Energiewende!

 

Sehr geehrte Frau Reiche,

in Ihrer Regierungserklärung fordern Sie einen Realitätscheck für verlässliche und bezahlbare Energie in Europa. Sie möchten, dass wir uns ehrlich machen bei der Energiewende. Und Sie planen, so schnell wie möglich zahllose neue Gaskraftwerke mit mindestens 20 Gigawatt Leistung und „langfristigen Lieferverträgen“ zu bauen. Das ist gefährlich, unverantwortlich und teuer, denn:

  • die Abhängigkeit von importiertem Gas hat uns gerade erst in die massivste Energiekrise geführt, die die Bundesrepublik je erlebt hat. Ich möchte, dass Sie weder neue Abhängigkeiten (LNG-Importe aus den USA) schaffen, noch alte Abhängigkeiten (Nordstream) wieder herstellen.
  • bezahlbar ist fossiles Gas nur dann, wenn wir die Klimafolgen aus der Rechnung heraushalten. Angesichts schon jetzt dramatischer Flut-, Hitze- und Dürre-Ereignisse auch bei uns in Deutschland, können wir uns das nicht mehr erlauben. Wir brauchen mehr Energiewende und nicht weniger. Setzen Sie auf Energieeinsparungen und treiben Sie die Wärmewende voran, anstatt durch Importe oder heimische Förderung von (Fracking-)Erdgas Umwelt und Klima zu ruinieren!
  • während Solar- und Windanlagen und auch Batterien Jahr für Jahr günstiger werden, wird fossiles Erdgas durch die – auch von Ihrer Partei mit beschlossene – CO2-Bepreisung immer teurer. Lassen Sie Menschen und Industrie nicht in eine Kostenfalle laufen, indem Sie die Nutzung fossiler Energien noch länger fördern.

Mit freundlichen Grüßen
[Vorname Nachname, Wohnort]

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Hintergrund

Wozu sollen die neuen Gaskraftwerke dienen?

Deutschland versorgte sich vergangenes Jahr bereits zu mehr als 60 Prozent mit erneuerbarem Strom (33 Prozent Windstrom, 14 Prozent Solarenergie, dazu Biomasse und Wasserkraft). Dieser Anteil wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen und schmutzigen Kohlestrom verdrängen. Bislang werden Kohlekraftwerke dennoch vorgehalten für wenige Tage im Jahr, an denen es windstill und sonnenarm ist, also für so genannte Dunkelflauten. Durch den Kohleausstieg fallen diese Kapazitäten in den nächsten Jahren weg; sie sollen durch neue Gaskraftwerke mit mindestens 20 Gigawatt an Leistung ersetzt werden – das entspricht bis zu 50 neuen Kraftwerken. Dabei geht es auch anders.

Wie können wir ohne Kohle- oder Gaskraftwerke Dunkelflauten überstehen?

Längst ist klar, dass ein Stromsystem auch mit 100 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden kann. Der Mix verschiedener Energieträger sorgt dabei bereits für eine große Komplementarität: Solar- und Windstrom ergänzen sich sowohl täglich (nachts ist es windiger) als auch saisonal (im Winter gibt es mehr Windstrom, im Sommer mehr Solarstrom). Ein leistungsfähiges deutsches – und europäisches – Stromnetz trägt weiter zur Versorgungssicherheit bei. Eine immer größere Rolle spielen bereits jetzt Batterien.

In Zukunft wird außerdem die Flexibilität der Stromnachfrage eine große Rolle spielen: Durch dynamische Stromtarife und intelligente Systeme gelenkt werden steuerbare Verbraucher wie E-Autos und Wärmepumpen automatisch dann geladen, wenn Strom günstig ist, also ausreichend erneuerbarer Strom verfügbar. Für die wenigen Tage, an denen trotz Verbundnetz, Batteriespeicher und dynamischer Verbrauche der Strom nicht reicht, braucht es in der Tat flexible Erzeuger. Hier wäre zuvorderst an eine flexible Nutzung der bestehenden Biomassekraftwerke zu denken. Diese haben bereits heute eine installierte Leistung von mehr als neun Gigawatt. Durch stärkere Generatoren, Speicherung von Biogas vor Ort und Flexibilisierung der Stromerzeugung können die Biogaskraftwerke die notwendige Regelleistung erbringen – gleichzeitig kann die gesamte durch Biogas erzeugte Strommenge deutlich reduziert werden, um nicht weiter große Mengen „Energiepflanzen“ anbauen zu müssen.

Woher bezieht Deutschland Erdgas?

Bezog Deutschland 2021 noch die Hälfte seiner Erdgasimporte über Pipelines aus Russland, hat sich die Importstruktur seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 drastisch geändert: Ende 2024 kam knapp die Hälfte des Erdgases über Pipelines aus Norwegen, knapp die andere Hälfte aus den Niederlanden und Belgien. Bislang werden nur knapp sieben Prozent des Erdgases als verflüssigtes Erdgas (LNG) mit Schiffen importiert. Ab 2026 sehen aktuelle Verträge jedoch vor, dass Deutschland jedes Jahr zusätzlich zwei Millionen Tonnen Flüssiggas aus Katar importiert. Lieferzeitraum: mindestens 15 Jahre.

Und wenn es nach dem Willen des amerikanischen Präsidenten Trump geht, soll Europa seinen Handelsüberschuss nach Amerika in Zukunft durch massive LNG-Importe aus den USA ausgleichen. LNG-Gas aus Amerika wird Großteils mittels Fracking gewonnen und verursacht gravierende Umweltprobleme. Vor dem Transport muss das Gas mit immensem Energieaufwand gekühlt und nach der Ankunft wieder erwärmt werden. Studien beziffern LNG daher eine ähnlich verheerende Klimabilanz wie der Kohleverbrennung.

Was kosten uns Energieimporte?

Insgesamt kosten uns fossile Importe jedes Jahr etwa 90 Milliarden Euro, wie vor kurzem eine Analyse des Öko-Instituts ergab. Etwa 27 Milliarden Euro davon wurden im Jahr 2023 für Gas-Importe ausgegeben. Dieses Geld fehlt für die Wertschöpfung vor Ort: Denn Windkraftanlagen erzeugen nicht nur grünen Strom, sie sind für viele Kommunen mittlerweile auch eine Einnahmequelle, um den Stadtbus, die Bücherei oder ein Schwimmbad zu finanzieren.

Welche Alternativen gibt es zum Bau der Gaskraftwerke?

Anstelle neuer fossiler Kraftwerke muss jetzt die Energiewende zügig zu Ende gebracht werden: Es gilt, weitere bürokratische Hürden für den Ausbau der umweltfreundlichen Wind- und Solarenergie abzubauen. Das Stromnetz muss ambitioniert ausgebaut, digitalisiert und flexibilisiert werden, um Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen besser aufeinander abzustimmen. Darüber hinaus ist jetzt die Zeit, umfassende Maßnahmen zur Vermeidung von Energieverschwendung auszuführen. Alleine in der Industrie könnten etwa neun Gigawatt an Stromverbrauch vermieden werden durch Investitionen, von denen die Industrie finanziell profitieren würde. Diese Leistung alleine entspricht bereits knapp der Hälfte der nun von Katherina Reiche vorgesehenen neuen Gaskraftwerke. Durch weitere Maßnahmen in den Sektoren Gewerbe, Handel, Dienstleistungen sowie bei Privathaushalten können wir uns die neuen Gaskraftwerke einfach sparen!

Wie ist Katherina Reiche mit der Gaslobby verbunden?

Katherina Reiche, ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und langjährige Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumwelt- sowie im Verkehrsministerium, wechselte 2015 in die Energiewirtschaft und war bis 2019 Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Der VKU – Reiches langjähriger Arbeitgeber – spielte eine zentrale Rolle bei der Verwässerung des sogenannten Heizungsgesetzes, insbesondere zugunsten großer Gaskonzerne. Anschließend übernahm sie den Vorsitz der Geschäftsführung von Westenergie, einem Tochterunternehmen von Eon. Beide Unternehmen haben erhebliche wirtschaftliche Interessen im Bereich Gas, Gasnetze und Wasserstoff – und betreiben dazu laut Lobbyregister aktive Lobbyarbeit. Gleichzeitig war Reiche als Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrats direkt in die Erarbeitung der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung eingebunden. Diese Überschneidungen zwischen politischen Beratungsfunktionen und wirtschaftlichen Interessen werfen erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit energiepolitischer
Entscheidungen auf.

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