Her mit den Daten: Pestizideinsätze offenlegen!

Es ist kaum zu glauben: Noch immer weiß niemand, welche Pestizide wann, wo und in welchen Mengen in unserer Umwelt landen! Und das, obwohl Landwirt:innen ihre Pestizideinsätze seit Langem dokumentieren müssen. Doch diese Spritzdaten werden von den zuständigen Behörden bisher nur stichprobenartig überprüft und nicht zentral erfasst, geschweige denn ausgewertet oder veröffentlicht.

Jede:r Bürger:in sollte mit wenigen Klicks die Pestizideinsätze auf einem Acker in der eigenen Nachbarschaft einsehen können. Fordern Sie Landwirtschaftsminister Özdemir jetzt dazu auf, ein System zur elektronischen Erfassung und Veröffentlichung der Pestizideinsätze zu schaffen. Mehr lesen

Unsere Botschaft an den Bundeslandwirtschaftsminister:

Sehr geehrter Herr Özdemir,

obwohl jede:r Landwirt:in dazu verpflichtet ist, zu dokumentieren, welche Pestizide er oder sie ausbringt, werden diese Daten bisher nicht von den Behörden ausgewertet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als neuer Landwirtschaftsminister können Sie endlich Licht ins Dunkel bringen und Transparenz darüber herstellen, welche Pestizide wann, wo und in welchen Mengen verwendet werden.

Ich fordere Sie dazu auf, zeitnah ein System zur elektronischen Erfassung und Veröffentlichung der Pestizideinsätze zu schaffen. Dieses System muss insbesondere folgende Bedingungen erfüllen:

  • Systematische, elektronische Erfassung der Daten über Pestizideinsätze aller beruflichen Anwender:innen auf Basis der ohnehin vorhandenen Dokumentationspflichten
  •  Bereitstellung der Daten für einzelne landwirtschaftliche Flächen in einer für jede:n frei zugänglichen und einfach zu bedienenden Online-Datenbank
  • Auswertung und jährliche Berichterstattung durch die zuständigen Behörden, um regionale und kulturspezifische Trends zu erkennen

Stärken Sie das Vertrauen der Bürger:innen in Politik und Landwirtschaft und stellen Sie der Wissenschaft die so dringend benötigte Datengrundlage zur Verfügung, indem Sie Pestizideinsätze endlich transparent machen!

Mit freundlichen Grüßen
[Ihr Name und Wohnort werden automatisch ergänzt]

 

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Fordern Sie von Agrarminister Özdemir: Transparenz über Pestiziddaten schaffen!

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Hintergrundinformationen zur Pestizidtransparenz

Aktuell weiß niemand, welche Pestizide wann, wo und in welchen Mengen in unserer Umwelt landen. Lediglich die Verkaufszahlen werden umfassend erfasst und veröffentlicht. Über tatsächliche Pestizideinsätze stehen nur Daten aus freiwilligen Umfragen und nur für einzelne Kulturpflanzen zur Verfügung. Nicht nur Bürger:innen und Umweltschutzorganisationen, sondern auch die Wissenschaft und die Politik tappen daher im Dunkeln, was die tatsächliche Pestizidausbringung angeht. Das Paradoxe: Die Informationen liegen eigentlich vor, werden jedoch nicht nutzbar gemacht! Dabei handelt es sich um Umweltinformationen, die laut EU-Recht allen Bürger:innen auf Antrag zugänglich gemacht werden müssen und von den Behörden aktiv und systematisch verbreitet werden sollen.

Status quo: Daten über Pestizideinsätze unter Verschluss

Bereits seit 2011 müssen alle Bäuerinnen und Bauern in der EU über ihre Pestizideinsätze genau Buch führen. In den Aufzeichnungen vermerken sie, welche Pestizide sie wann und wo in welcher Menge und auf welcher Kulturpflanze eingesetzt haben. Zentral erfasst werden diese Daten aber nicht, die zuständigen Behörden kontrollieren nur einzelne Betriebe stichprobenartig. In der Folge verstauben die Daten über Pestizideinsätze – die bislang elektronisch oder in Papierform erfasst werden können – meist ungesehen auf einer Festplatte oder in der Schublade und dürfen nach drei Jahren vernichtet werden.

In der zugrundeliegenden EU-Verordnung ist auch festgeschrieben, dass Dritte, also beispielsweise Anwohner:innen, die Informationen anfordern können. Will man jedoch von diesem Recht Gebrauch machen und die Spritzdaten einsehen, kann man nicht einfach in einer öffentlichen Datenbank nachsehen, sondern muss eine sogenannte „Umweltinformationsanfrage“ bei der zuständigen Behörde stellen. Damit beginnt oftmals eine zermürbende Auseinandersetzung, die nicht selten vor Gericht endet. Diese Erfahrung machten auch wir, als wir Daten über Pestizideinsätze in einem Biosphärenreservat in Brandenburg anfragten. Die Behörde lehnte ab, doch wir ließen nicht locker und klagten auf Herausgabe der Daten. Nach langem Ringen war das Land Brandenburg endlich bereit, die betreffenden Pestizid-Anwendungsdaten bei den Landwirt:innen anzufordern und uns auszuhändigen. Doch mit den Daten konnten wir kaum etwas anfangen: Zu viele Unterlagen waren in unleserlichen Handschriften verfasst worden oder waren keiner geografischen Fläche zuzuordnen.

Immerhin einige Verbesserungen sind durch neue EU-Gesetze nun in Sicht: Ab 2026 müssen Landwirt:innen die Informationen über Pestizideinsätze elektronisch übermitteln und es gibt klare Vorgaben, wie die Lage der behandelten Fläche angegeben werden muss. Damit sind die Daten in Zukunft zumindest theoretisch brauchbar für wissenschaftliche Auswertungen. Doch eine hochaufgelöste Veröffentlichung der Daten konnten wir im EU-Gesetzgebungsprozess leider nicht erreichen. Stattdessen werden die EU-Mitgliedsstaaten auch in Zukunft nur einen Teil aller Pestiztid-Anwendungen an die EU melden müssen. Und die Daten werden auf Bundesebene aggregiert und geben somit keinerlei Aufschluss über die lokale Pestizidbelastung. Das bringt kaum Licht in’s Pestizid-Dunkel! Deswegen fordern wir von Deutschland, dass es die Vorgaben der EU übertreffen und für echte Transparenz sorgen muss.

Pestizid-Anwendungsdaten sind Umweltinformationen!

Umweltinformationen sind per Definition alle Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume. Außerdem Informationen über Faktoren, die sich auf diese Umweltbestandteile auswirken können. Das beinhaltet das Freisetzen von Stoffen in die Umwelt. Auch Pläne oder Programme, die Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten und viele weitere Informationen gelten als Umweltinformationen.

Gemäß der 1998 von 47 Staaten unterzeichneten Aarhus-Konvention muss jeder Person möglichst freier Zugang zu Umweltinformationen gewährleistet werden. Dieses völkerrechtliche Abkommen wird in der EU durch die Umweltinformationsrichtlinie und in Deutschland durch das Umweltinformationsgesetz umgesetzt.

Um Zugang zu Umweltinformationen zu erhalten, kann man bei der Behörde, die über die jeweiligen Informationen verfügt einen Antrag stellen. Ein besonderes Interesse muss man dabei nicht nachweisen, die Informationen müssen allen Antragsteller:innen in der Regel innerhalb eines Monats zugänglich gemacht werden. Die Umweltinformationsrichtlinie macht auch klar: Es ist notwendig, dass Behörden Umweltinformationen so umfassend wie möglich öffentlich zugänglich machen und aktiv verbreiten – insbesondere digital.

Der Herausgabe der brandenburgischen Pestiziddaten an uns waren Urteile in vergleichbaren Fällen in Baden-Württemberg vorausgegangen. Dort bestätigte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in zweiter Instanz, dass der Zugang zu den Aufzeichnungen der Landwirt:innen über ihre Pestizideinsätze ein „Jedermannsrecht“ ist. Darüber hinaus entschied das Gericht, dass der Verwaltungsaufwand, der den Behörden durch die Datenerfassung entsteht, kein Ablehnungsgrund ist und dass die Ämter ohnehin angehalten sind, derartige Informationen so umfassend wie möglich öffentlich zugänglich zu machen und zu verbreiten. Dieses Präzedenz-Urteil macht deutlich: Es ist höchste Zeit, dass die Aufzeichnungen der Landwirt:innen systematisch erfasst und veröffentlicht werden!

Warum ist die Offenlegung der Pestizideinsätze so wichtig?

  • Präzedenzurteile haben bekräftigt: Die Daten über Pestizideinsätze sind Umweltinformationen, über die sich die Bürger:innen informieren können müssen. Der Zugang zu den ohnehin existierenden Aufzeichnungen der Landwirt:innen steht also jedem und jeder Bürger:in zu!
  • Anwohner:innen von landwirtschaftlich genutzten Flächen sollten auf unkomplizierte Art und Weise herausfinden können, welchen Giften sie ausgesetzt sind.
  • Wissenschaftler:innen beklagen seit langem, dass sie die Daten dringend bräuchten, um die Gefahren von Pestiziden für Umwelt und menschliche Gesundheit realistisch bewerten zu können. Gefährliche Cocktaileffekte verschiedener Wirkstoffe können beispielsweise ohne Kenntnis über die reale Pestizidausbringung kaum eingeschätzt oder erforscht werden.
  • Auch die regionalen Wasserversorger können ihrer Aufgabe nicht nachkommen, die Trinkwasserqualität zu garantieren, ohne zu wissen, nach welchen Substanzen sie überhaupt suchen müssen.
  • Reduktionsziele wie das der EU-Farm-to-Fork-Strategie, den Pestizideinsatz bis 2030 zu halbieren, bleiben zwangsläufig leere Versprechungen, wenn keine Informationen über den Status Quo als Referenzwert vorliegen. Ein Erfolg oder Misserfolg ist dann schlichtweg nicht messbar!

Unsere Vision

Die Urteile aus Baden-Württemberg haben klargestellt , dass Bürger:innen ein Recht auf Einsicht in die Spitzdaten der landwirtschaftlichen Betriebe haben. Jetzt ist die Politik am Zug: Die Bundesregierung muss nun die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass dieses Recht auch unkompliziert ausgeübt werden kann.

Unsere Vision ist eine öffentlich zugängliche, leicht bedienbare Datenbank, in der jede:r Bürger:in mit wenigen Klicks die Pestizideinsätze auf einem Acker in der eigenen Nachbarschaft einsehen kann. In Kalifornien ist das bereits Realität. Lassen Sie es uns auch für Deutschland einfordern!

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