Deutschlands Klimapolitik braucht bayerische Windräder
Robert Habecks Wirtschafts- und Klimaministerium hat in einer „Eröffnungsbilanz“ ambitionierte Maßnahmen vorgestellt, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranbringen sollen. Doch mit Windkraft-Verhinderungs-Maßnahmen wie der bayerischen 10H-Regel kann das nicht gelingen.
Anja Paolucci · Kasimir Buhr · 4 Minuten
Bilanz legt Handlungsbedarf offen
Anfang letzter Woche stellte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck seine „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ vor. Das Ministerium hatte untersucht, wie hoch die Treibhausgasemissionen Deutschlands sind und wie sich diese in den nächsten Jahren entwickeln werden. Die Zahlen sind ernüchternd: Das Erreichen des Reduktionsziels 2020 war nur ein einmaliger Corona-Effekt, 2021 wurde das Ziel, 40 Prozent weniger schädliche Gase als 1990 auszustoßen, schon wieder überschritten. Auch 2022 und 2023 werden die Ziele wohl nicht erreicht.
Ohne schnelle Maßnahmen sieht Habecks Ministerium auch langfristige Ziele in Gefahr: Bis 2030 will Deutschland 65 Prozent weniger Treibhausgase produzieren als 1990. Dieses Ziel war nach dem bahnbrechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr festgelegt worden. Es nicht zu erreichen wäre nicht nur für das Klima fatal, sondern könnte auch teuer werden: EU-Staaten, die ihre Emissionsziele verfehlen, müssen Emissionsrechte von anderen Staaten kaufen.
Massiver Zubau der Erneuerbaren nötig
Damit die Energie- und Klimawende gelingen können, benennt das Ministerium zwei zentrale Aufgaben: Energieeinsparungen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Doch der Zubau von Wind- und Photovoltaik-Anlagen ist in den vergangenen Jahren massiv ins Stocken geraten.
Konkret geht Habeck deshalb davon aus, dass bis 2030 die installierte Leistung der Windkraft verdoppelt und die der Photovoltaik verdreifacht werden muss. Neben dem Mangel an Fachkräften ist für den Ausbau der Windenergie insbesondere die Suche nach Flächen ein Problem. Denn geeignete Flächen sind in vielen Bundesländern aufgrund von Mindestabständen nicht nutzbar. Aktuell sind nur ca. 0,5 Prozent der Fläche wegen solcher Abstandregelungen nutzbar. Die Ampel-Regierung möchte allerdings zwei Prozent der Fläche für die Windkraft freigeben.
Bayrisches Gesetz blockiert Ausbau
Besonders restriktive Abstandsregeln gibt es in Bayern: Während im Rest von Deutschland der Mindestabstand von Windrädern zu Siedlungen bei maximal 1.000 Metern liegen darf, muss der Abstand hier mindestens das 10-fache der Höhe des Windrads betragen. Der ehemalige Ministerpräsident Horst Seehofer hatte sich erfolgreich dafür eingesetzt, für Bayern eine Ausnahme ins Baugesetzbuch aufzunehmen.
Bei einer modernen Windkraftanlage bedeutet das einen Mindestabstand von etwa zwei Kilometern. Damit ist der Mindestabstand eines kleinen Windrads zur nächsten Siedlung etwa 14-Mal so groß wie der Abstand des AKWs Isar 2 zur nächsten Siedlung.
Aufgrund dieser Regelung fällt ein Großteil der für Windkraft nutzbaren Standorte in Bayern weg. Die Folge: Der Windkraftausbau kam in den letzten Jahren fast vollständig zum Erliegen. Nur die Stadtstaaten, Saarland und Sachsen haben in den letzten Jahren noch weniger ausgebaut als Bayern – das allerdings bei beträchtlich weniger Landesfläche.
Es liegt nun an der Bundesregierung, die Abstandsregeln zu reformieren. Bayern umfasst fast ein Fünftel der Fläche Deutschlands. Dass sich ein so großes Bundesland praktisch nicht am Ausbau der Windenergie beteiligen will, ist ein Skandal. Und es ist kurzsichtig: Denn Bayern braucht vielfältige erneuerbare Energiequellen, um bei unterschiedlichsten Wetterlagen umweltfreundlichen Strom zu gewinnen.
Protest in München
Robert Habeck war heute in München, um mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder unter anderem über 10H zu sprechen. Wir waren gemeinsam mit anderen Umweltverbänden vor Ort und haben ein Ende der Wind-Blockade Bayerns gefordert.
In der anschließenden Pressekonferenz lobten zwar Söder und Habeck die konstruktive Stimmung und betonten beide, dass die Windkraft in Bayern ausgebaut werden solle. Wie das funktionieren soll, ist allerdings unklar: Denn Söder hält an 10H fest und will Ausnahmen nur für Anlagen im Staatswald sowie beim „Repowering“, also der Erneuerung veralteter Windräder machen. Bis spätestens März will Bayern jetzt einen Plan zum Wind-Ausbau vorlegen. Gut möglich, dass der Konflikt um 10H nach Veröffentlichung dieses Plans erst richtig beginnt.