Energie im Wert von 29 Milliarden Euro verschwendet
Eine neue von uns beauftragte Untersuchung zeigt: Die deutsche Industrie verschwendet rund 40 Prozent ihres Energiebedarfs. Diese Energiemenge einzusparen, würde nicht nur das Klima schonen und Deutschland von Energieimporten unabhängiger machen, sondern auch die Unternehmen selbst entlasten. Für die Industrie würde das eine jährliche Kostenersparnis von 29 Milliarden Euro bedeuten. Die Ergebnisse der Studie haben wir gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen bei einem parlamentarischen Frühstück vorgestellt und dort mit Abgeordneten und Verbänden diskutiert.
Dr. Leonard Burtscher · 2,5 Minuten Lesezeit
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Der Großteil der Einsparpotentiale ist im Bereich der Prozesswärme: durch Abwärmenutzung, effizientere Bedienkonzepte und Elektrifizierung könnte die Industrie beinahe die Hälfte ihres Energieverbrauchs einsparen.
Die deutsche Industrie steht 2025 unter immensem Druck. Hohe Energiepreise, ambitionierte Klimaziele und globale Wettbewerbsherausforderungen zwingen Unternehmen zum Handeln. Eine neue Studie der Hochschule Niederrhein im Auftrag von Bellona Deutschland, dem Umweltinstitut München und der Deutschen Umwelthilfe zeigt: Viele Unternehmen lassen einen zentralen Hebel zur Kosten- und Energieeinsparung ungenutzt. Mit wirtschaftlich rentablen Maßnahmen könnte die Industrie rund 40 Prozent ihres Energiebedarfs und damit jährlich 29 Milliarden Euro einsparen.
Effizienz statt Verschwendung: Milliardenpotenzial für Wirtschaft und Klima
Die deutsche Industrie verbrauchte 2023 rund 635 Terawattstunden Endenergie. Laut Studie könnten davon 263 TWh eingespart werden. Die dafür nötigen Investitionen von etwa 104 Milliarden Euro amortisieren sich im Schnitt nach nur 3,6 Jahren. Über 20 Jahre gerechnet summiert sich das Einsparpotenzial sogar auf rund 250 Milliarden Euro.
Besonders attraktiv sind kurzfristig rentable Maßnahmen mit einer Amortisationszeit von weniger als drei Jahren. Allein dadurch könnten pro Jahr 176 TWh – also rund ein Viertel des gesamten industriellen Energieverbrauchs – eingespart werden.
Große Potenziale bei Wärme und Antriebssystemen
Die größten Potenziale liegen laut Studie in der Prozesswärme und bei mechanischen Anwendungen wie Motoren und Pumpen. Wichtige Stellschauben sind hier unter anderem die Nutzung von Abwärme, die Verbesserung von Dämmung und Steuerungssystemen, der Einsatz hocheffizienter Motoren sowie die Einführung von Wärmepumpen. Diese Technologien senken nicht nur Energiekosten, sondern steigern zugleich die Wettbewerbsfähigkeit.
Warum passiert so wenig?
Trotz der offensichtlichen Vorteile bleiben viele Potenziale ungenutzt. Die Gründe sind vielfältig und müssen dringend von der Politik angegangen werden. Manche Unternehmen benötigen finanzielle oder personelle Unterstützung, um in Effizienz investieren zu können – für diese braucht es entsprechende Förderprogramme und Planungssicherheit. Für viele Unternehmen sind die Energiekosten aber schlichtweg nicht wichtig genug oder die Rendite-Erwartungen zu hoch. Wir fordern daher eine Pflicht zur Umsetzung von Energiesparmaßnahmen, um die große Effizienzlücke endlich zu schließen.
Entlastung auch für den Staat: weniger Investitionen, mehr Versorgungssicherheit
Energieeffizienz lohnt sich nicht nur für Unternehmen, sondern auch für den Staat. Jede eingesparte Kilowattstunde reduziert die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Zudem verbleiben Investitionen und Kapitalflüsse stärker im Inland, anstatt wie beim Import fossiler Energien ins Ausland zu fließen.
Zusätzlich spart Energieeffizienz auch teure Infrastrukturinvestitionen: So belaufen sich etwa die Kosten für die von Wirtschaftsministerin Reiche geplanten fossilen Erdgaskraftwerke auf etwa eine Milliarde Euro pro Gigawatt installierter Leistung. Würden statt der durch die Bundesregierung geforderten 20 GW nur noch 10 GW benötigt, würde sich der Investitionsbedarf entsprechend um zehn Milliarden Euro reduzieren. Wenn dann noch die eingesparten zukünftigen Kosten für Erdgasimporte von einer Milliarde Euro pro Jahr betrachtet werden, kann der volkswirtschaftliche Nutzen allein durch vermiedene Infrastrukturinvestitionen mit mindestens 30 Milliarden Euro beziffert werden.
Großer Hebel zur schnellen Emissionsminderung
Neben den wirtschaftlichen Vorteilen ist der Beitrag zum Klimaschutz enorm: Die Einsparung von 40 Prozent des industriellen Energieverbrauchs entspricht mindestens 75 Megatonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Das sind etwa zwölf Prozent aller Treibhausgas-Emissionen Deutschlands.
Die Studie zeigt damit klar: Energieeffizienz ist kein Nice-to-have, sondern der zentrale Hebel für eine zukunftsfähige, unabhängige und klimafreundliche Industrie. Die Verschwendung von Energie im Wert von 29 Milliarden Euro jährlich ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch unsinnig und längst vermeidbar.
Parlamentarisches Frühstück in Berlin: Wir diskutierten unsere Studie mit Bundestagsabgeordneten, Verbändevertreter:innen, Behörden und Thinktanks
Bei einem parlamentarischen Frühstück in Berlin haben wir das vor Abgeordneten und Vertreter:innern aller demokratischen Bundestagsfraktionen sowie von Industrieverbänden, Behörden und Think Tanks erörtert. Es ergab sich eine lebhafte Diskussion über die Frage, ob die Industrie nun zu ihrem Glück gezwungen werden müsse oder nicht.
Angesichts der großen Effizienzlücke in der Industrie sowie der Dringlichkeit der Klimakrise ist unsere Position klar: Ohne verbindliche Auflagen wird es nicht funktionieren. Wir werden daher auch bei der bald anstehenden Reform des Energieeffizienzgesetzes wieder fordern, dass rentable Energiesparmaßnahmen verpflichtend umgesetzt werden müssen!
Download der Studie
- Jörg Meyer, Louisa Zaubitzer, Frank Alsmeyer, Andreas Seeliger, Lisa Schmitt (Hochschule Niederrhein): „Volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Bewertung der Energieeffizienz in der Industrie: Marktnahe und wirtschaftliche Energieeinsparpotenziale in der Industrie“ (PDF, 2,9 MB)
- Anlage 1: Erläuterungen (247 KB)
- Anlage 2: Praxisbeispiele (269 KB)