Patent auf Tomaten: Umweltinstitut erhebt Einspruch
Gemeinsam mit dem Bündnis No Patents On Seeds hat das Umweltinstitut Einspruch gegen ein Patent auf Tomaten eingereicht. Das Patent mit der Nummer EP 3629711 wurde letztes Jahr an das französische Saatgutunternehmen Vilmorin erteilt. Es beansprucht Tomatenpflanzen, die eine natürlich vorkommende Widerstandsfähigkeit gegenüber dem sogenannten Jordanvirus haben. Dabei sind Patente auf Pflanzen aus herkömmlicher – also nicht gentechnischer – Züchtung laut europäischem Patentrecht verboten.
Verena Schmitt · Lesezeit: 4 Minuten
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Das sogenannte Jordanvirus (ToBRFV) breitet sich weltweit rasch aus, ist schwer zu bekämpfen und führt zu Totalausfällen in der Tomatenproduktion. Das Virus wurde vor rund zehn Jahren erstmals in Israel und Jordanien nachgewiesen. 2018 gelangte es nach Europa und Lateinamerika, mittlerweile hat das Virus auch die USA und China erreicht. Die Tomatenkulturen lassen sich bisher nur mittels aufwendiger Hygienemaßnahmen schützen. Bei einem Befall müssen gesamte Bestände vernichtet und die betroffenen Gewächshäuser umfassend desinfiziert werden. Für die Landwirt:innen bedeutet das einen hohen Arbeitsaufwand und große finanzielle Verluste.

Widerstandsfähige Tomaten im Visier der Konzerne
Große Erleichterung brachte der Fund von Tomatensorten, die eine natürliche Toleranz oder Resistenz gegenüber dem Virus aufweisen – sie zeigen auch bei Befall kaum Krankheitsmerkmale. Diese natürlich vorkommende Toleranz oder Resistenz gegenüber dem Virus wird verwendet, um weitere widerstandsfähige Tomatensorten zu züchten. Doch Saatgutfirmen nutzen Patente, um sich die Gene, die für die Widerstandsfähigkeit der Tomatenpflanzen verantwortlich sind, patentieren zu lassen. Die ersten Patentanmeldungen wurden 2017 eingereicht. Inzwischen sind mehr als 20 internationale Patentanmeldungen von zehn verschiedenen Unternehmen, darunter BASF, Bayer und Syngenta, veröffentlicht worden, die zahlreiche natürlich vorkommende Genvarianten betreffen. Damit wollen sich die Unternehmen den exklusiven Zugang zu widerstandsfähigen Tomatensorten sichern und sich mit dieser wichtigen Eigenschaft einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Patente blockieren wichtige Züchtungsarbeit
2024 wurden die ersten zwei Patente auf widerstandsfähige Tomaten erteilt, darunter auch das Patent von Vilmorin, gegen das das Umweltinstitut Einspruch erhoben hat. Doch nicht erst mit ihrer Erteilung wirken sich derartige Patente negativ auf die Züchtungslandschaft aus. Schon die Anmeldung solcher Patente schafft erhebliche rechtliche Unsicherheit für Züchter:innen und behindert die Entwicklung neuer toleranter oder resistenter Sorten. Denn wie sollen Züchter:innen wissen, welche der zahlreichen Anmeldungen tatsächlich genehmigt und welche abgelehnt werden? Gerade kleine und mittelständische Züchtungsunternehmen haben weder die finanziellen Mittel noch die juristischen Kenntnisse, sich im komplexen und undurchsichtigen Patentdickicht zurechtzufinden. Mittlerweile besteht immer die Gefahr, bei der Entwicklung einer neuen widerstandsfähigen Tomatensorte eines oder mehrere Patente gleichzeitig zu verletzen. Am Ende müssen Züchter:innen Lizenzgebühren zahlen oder riskieren im schlimmsten Fall sogar eine Klage.
Rechtsbruch mit System
Obwohl Patente auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere laut dem europäischen Patentrecht verboten sind, nutzen das Europäische Patentamt (EPA) und die Industrie juristische Schlupflöcher, um dieses Verbot zu umgehen. Bis heute wurden rund 1.500 Patente auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen angemeldet. Mehr als 300 dieser Patente wurden bereits erteilt. Auch bei dem Tomaten-Patent von Vilmorin ist klar, dass es die bestehenden Verbote des Patentrechts, das nur eine Patentierung von gentechnischen Verfahren zulässt, unterläuft.
Die Auswirkungen der aktuellen Patentierungspraxis sind weitreichend:
- Der freie Zugang zu genetischem Material, das für die Züchtung wichtig ist, wird blockiert und damit die Entwicklung von neuen Sorten stark behindert.
- Die Vielfalt des Saatguts und damit die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und die Anpassungsfähigkeit gegenüber sich ändernden Umweltbedingungen nimmt ab.
- Die Gefahr von flächendeckenden Ernteausfällen und Lebensmittelknappheit nimmt zu.
- Die Privatisierung des Saatgutes und die Machtkonzentration auf dem Saatgutmarkt zugunsten einiger weniger Großkonzerne wird vorangetrieben.
- Die Abhängigkeiten von Großkonzernen entlang der gesamten Lieferkette für Lebensmittel verstärkt sich.
Unser Kampf gegen Patente auf Leben
Unser Einspruch gegen das Tomaten-Patent wird jetzt von einer sogenannten Einspruchsabteilung des EPAs behandelt. Die Auseinandersetzung mit Vilmorin erfolgt dabei zunächst schriftlich. Anschließend findet eine mündliche Verhandlung zwischen den Parteien statt, an deren Ende sich entscheidet, ob das Patent widerrufen, beschränkt oder wie erteilt aufrechterhalten wird. Gegen diesen Beschluss können sowohl Vilmorin als auch wir Beschwerde einlegen. Ist dies der Fall, schließt sich ein Beschwerdeverfahren an. Bis es zu einer endgültigen Entscheidung kommt, kann es mehrere Jahre dauern, was eine erhebliche Rechtsunsicherheit für Züchter:innen darstellt.
Da das EPA eher die Interessen der Industrie als die der Allgemeinheit vertritt, ist es unwahrscheinlich, dass das Patent komplett widerrufen wird. Unmöglich ist es aber nicht, was unser erfolgreicher Einspruch gegen ein Brokkoli-Patent zeigt, das 2018 widerrufen wurde. Dass das Tomaten-Patent zumindest in einigen Punkten beschränkt wird, ist aber nicht unwahrscheinlich. Außerdem setzen wir mit unserem Einspruch ein Zeichen gegen die Patentierung von Pflanzen aus herkömmlicher Züchtung und üben öffentlichen Druck auf das EPA und die Politik aus. Unser Ziel ist eine eindeutige Rechtsprechung, die Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere eindeutig und ausnahmslos untersagt – und damit dem systematischen Missbrauch des Patentrechts endlich ein Ende bereitet.
Spenden Sie jetzt für Sortenvielfalt!
Mit Ihrer Spende unterstützen Sie unseren Kampf gegen Patente auf traditionell gezüchtete Pflanzen und Tiere.