Wollen Sie ein Atomkraftwerk nebenan? Je nach Wahlausgang könnte es tatsächlich dazu kommen. Doch was bedeutet das für Sicherheit, Kosten und den Klimaschutz? Wir haben die Wahlprogramme analysiert.

Während einige Parteien am Atomausstieg festhalten, drängen andere auf einen Wiedereinstieg. SPD, Grüne und Linke wollen die Nutzung der Atomkraft beenden, wobei Linke und Grüne weiter gehen möchten und auch Urananreicherung sowie Brennelementefertigung stoppen wollen. Das BSW spricht sich gegen konventionelle Reaktoren aus, setzt jedoch auf Atomforschung. Union und FDP bringen eine Reaktivierung alter AKW ins Spiel, wobei die FDP zusätzlich neue, angeblich subventionsfreie Kraftwerke ermöglichen will. Die AfD ist die atomfreundlichste Partei und fordert den vollständigen Wiedereinstieg in die Atomenergie.

Mehr Atomkraft bedeutet mehr Atommüll – dabei ist schon die Entsorgung des bestehenden radioaktiven Abfalls ungelöst. Hier benennen SPD, Linke und Grüne explizit, dass sie sich verantwortlich um die Endlagerung des bestehenden Atommülls kümmern wollen. Die Grünen erwähnen dabei auch die nötigen Verbesserungen in der Zwischenlagerung. Die CDU/CSU fordert zwar eine schnellere Standortsuche für Atommüll, will aber gleichzeitig den Wiedereinstieg in die Atomenergie prüfen – ein Widerspruch. Das BSW weist darauf hin, dass Small Modular Reactors (SMR) mehr Atommüll pro Kilowattstunde erzeugen als herkömmliche Reaktoren, eine Position zur Verantwortung für die Entsorgung bestehenden Atommülls ist jedoch nicht bekannt. Die atomfreundlichsten Parteien FDP und AfD schweigen hingehen zur Atommüll-Frage: Wie eine „subventionsfreie“ Entsorgung funktionieren soll, bleibt offen.

Im Folgenden werfen wir einen detaillierten Blick auf die Positionen der einzelnen Parteien. Anschließend ordnen wir die aktuelle Atomkraft-Debatte historisch ein: Seit über 20 Jahren hält das Märchen einer Renaissance der Atomkraft die Versprechen nicht ein.  Erneuerbare Energien entwickeln sich jedoch deutlich dynamischer.

Wahlprogramme 2025 check Atomkraft

Atomkraft: was die Parteien erzählen.

CDU /CSU

Die Union ist bezüglich des Umgangs mit Atomenergie gespalten. Im Wahlkampf positioniert sich CSU-Chef Söder für die Wiederbelebung der abgeschalteten AKW, CDU-Chef Merz äußerte sich skeptischer, zumal Söder offiziellen Aussagen von Energiekonzernen und Forschungsinstituten widerspricht, welche eine Wiederbelebung der Alt-AKW für nicht realistisch halten. Söder beruft sich dabei auf nicht näher benannte Quellen.

Die CDU/CSU spricht sich für eine beschleunigte Endlagersuche aus, prüft aber gleichzeitig einen Wiedereinstieg in die Atomkraft. Ein solcher Schritt würde jedoch das aktuelle Suchverfahren für ein Atommülllager untergraben und massive neue Kosten verursachen. Es bleibt fraglich, ob dieser Widerspruch auflösbar ist.

👉Fazit: Unklare Strategie, interne Uneinigkeit, keine realistische Lösung für den Atommüll.

SPD

Die hält am Atomausstieg fest, erwähnt aber nicht die Atomfabriken in Lingen und Gronau. Sie betont die Notwendigkeit einer sicheren Endlagerung und will das Suchverfahren für ein Endlager vorantreiben, ohne dabei Sicherheitsstandards zu senken. Gleichzeitig setzt die SPD auf den Ausbau erneuerbarer Energien, um eine langfristig sichere und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten.

👉Fazit: Klare Position für den Atomausstieg und Endlager, aber keine Maßnahmen gegen Atomfabriken.

Grüne

Laut den Grünen ist eine Rückkehr zur Atomkraft weder für das Erreichen der Klimaziele noch für die Versorgungssicherheit notwendig. Sie argumentieren, dass neue Atomkraftwerke aufgrund langer Bauzeiten, hoher Kosten und unkalkulierbarer Risiken keine realistische Option sind und wollen auch die Urananreicherung und Brennelementefertigung in Detuschland beenden. Zudem betonen die Grünen, dass der parteiübergreifende Atomausstieg die Sicherheit des Landes erhöht hat.

Die Partei setzt auf erneuerbare Energien als günstige, zuverlässige und klimafreundliche Alternative. Ein Endlager für den bestehenden Atommüll, sowie die möglichst sichere Zwischenlagerung sieht sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die verantwortungsbewusst gelöst werden muss.

👉Fazit: Deutliche Ablehnung der Atomkraft und Ausstieg aus Atomfabriken, Verantwortung für Atommülllagerung, starker Fokus auf erneuerbare Energien.

Linke

Die Linke sieht den Atomausstieg als unvollständig und fordert weitergehende Maßnahmen. Sie will die Produktion von Uranbrennstoff in Gronau und Lingen beenden, den Atomausstieg im Grundgesetz verankern und die Atomkonzerne für die Langzeitkosten der Atomwirtschaft in die Pflicht nehmen. Bezüglich des Suchverfahrens nach einem Atommüll-Endlager will die Linke umfassende Mitsprache und Klagerechte für die Bevölkerung. Die Linke setzt sich zudem für den Atomausstieg in Europa und überall auf der Welt ein. Die staatliche deutsche Förderbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) dürfe keine Atomkraftwerke im Ausland fördern. Aus dem EU-Katalog für nachhaltige Investitionen möchte die Linke Atom- oder Gasenergie wieder streichen.

👉Fazit: Ambitionierter Atomausstieg, klare Forderungen für Europa, sozial gerechte Energiewende im Fokus.

BSW

Das BSW lehnt den Neubau konventioneller Atomkraftwerke ab – auch Small Modular Reactors (SMR), da sie pro Kilowattstunde bis zu 30-mal mehr radioaktiven Abfall produzieren als herkömmliche Reaktoren. Gleichzeitig setzt die Partei auf Forschung im Bereich neuer Kerntechnologien, insbesondere Kernfusion.

Zur Frage der Atommüllentsorgung oder zur Rolle bestehender Atomfabriken äußert sich das BSW nicht. Da die Partei neu gegründet wurde, gibt es noch keine Erfahrungswerte zur Umsetzung ihrer Energiepolitik.

👉Fazit: Gegen klassische AKW, aber für Atomforschung. Kein Konzept für Atommüll oder Atomfabriken.

FDP

Die FDP will Kernkraftwerke der neuen Generation – darunter Dual-Fluid-Reaktoren, Thorium-Flüssigsalzreaktoren und Small Modular Reactors – ermöglichen und auch die Wiederinbetriebnahme abgeschalteter AKW rechtlich ermöglichen. Die Partei setzt auf „subventionsfreie“ Atomkraft, überlässt die Entscheidung über den Betrieb aber den Betreibern.

Ein subventionsfreies Atomkraftwerk hat es weltweit jedoch noch nie gegeben. Unklar bleibt zudem, wer die Kosten für die Endlagerung des radioaktiven Abfalls und eine mögliche Versicherung gegen Nuklearunfälle tragen soll. Zur Atommüllproblematik äußert sich die FDP im Wahlprogramm nicht.

👉Fazit: Befürwortet neue Atomkraftwerke, verspricht eine unrealistische Subventionsfreiheit und bleibt Antworten zur Atommüllentsorgung schuldig.

  • Hinweis: Die AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt und stellt demokratische Grundwerte in Frage. Aufgrund dieser grundsätzlichen Positionierung betrachten wir die AfD getrennt von den demokratischen Parteien.

AfD

Die AfD will stillgelegte Atomkraftwerke so schnell wie möglich wieder in Betrieb nehmen und in Deutschland neue Kernforschungszentren sowie neue AKW bauen. Die Partei setzt auf „neue Nukleartechnologien“ und nennt das aktuell im Hype befindliche „Dual Fluid“ Konzept. Wie der enorme Investitionsbedarf gedeckt werden soll oder wer die Kosten für die Entsorgung des radioaktiven Abfalls trägt, bleibt unklar. Eine Strategie zur sicheren Lagerung von Atommüll ist nicht erkennbar. Klimaschäden durch fossile Energie werden in Kauf genommen.

👉Fazit: Maximale Förderung der Atomkraft – ohne Plan für Finanzierung, Sicherheit oder Atommüllentsorgung. Enorme Risiken für Mensch und Natur.


Ihre Stimme entscheidet – Gehen Sie wählen!

Am Wahltag geht es nicht nur um Parteien – es geht um die Zukunft unserer Energieversorgung. Bleibt Deutschland auf dem Weg zur erneuerbaren Zukunft oder erleben wir eine Rückkehr zur Atomkraft? Ihre Stimme hat Einfluss darauf, welche Energiepolitik die nächste Regierung verfolgt. Nutzen Sie die Wahl, um für eine sichere, nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung einzustehen.

Atom-Hype – Gescheiterte Versprechen einer Renaissance

Spätestens seit den Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima ist klar, dass auch von der sogenannten „friedlichen“ Nutzung der Atomenergie enorme Schäden ausgehen können, wenn ein unvorhergesehener Unfall passiert. Doch die Anti-Atom-Bewegung gab es schon lange davor: Seit den 1970er Jahren prägte sie die sozialen Bewegungen in Deutschland und führte letztlich zum parteiübergreifenden Atomausstiegsbeschluss von 2011. Die Behauptung, Atomkraft könne fossile Energieträger ersetzen, erwies sich schon früh als nicht haltbar. Zu teuer, zu langsam im Ausbau, zu gefährlich – all das waren Gründe, warum erneuerbare Energien zunehmend in den Fokus rückten. Bereits 2007 setzte sich das Umweltinstitut auf der Weltklimakonferenz in Bali dafür ein, dass Klimaschutz ohne Atomkraft möglich und nötig ist.

Schon in den frühen 2000er Jahren, vor der Fukushima-Katastrophe, stagnierte der Ausbau der Atomenergie wegen der hohen Kosten weltweit. Die Erzählung einer „Renaissance der Atomkraft“ sollte Investitionen anlocken. Nach Fukushima wurden Sicherheitsstandards verschärft, was die Baukosten weiter in die Höhe trieb. Die Ankündigung sogenannter „Generation IV“, die effizienter und sicherer sein sollten, erfüllte sich nie. Kein Konzept konnte alle Versprechen gleichzeitig halten.

Inzwischen gilt die neue Atomhoffnung den sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Sie sollen durch kleinere Reaktoren günstiger und sicherer sein – doch durch geringere Sicherheitsauflagen entstehen neue Risiken, und die Kostenersparnis ist fraglich.

Trotzdem setzen einige Tech-Milliardäre und KI-Unternehmen auf die Idee von Mini-Atomreaktoren, um den gigantischen Energieverbrauch von Serverfarmen zu decken und dafür auch Unterstützung in Regierungen zu erhalten. Bisher bleibt dies jedoch ein Nischenprojekt mit ungewisser Zukunft.

Ein Blick in den jährlich erscheinenden World Nuclear Industry Status Report zeigt: Die viel beschworene „Renaissance der Atomkraft“ ist bislang ausgeblieben. Während erneuerbare Energien exponentiell wachsen, fließen nur marginale Investitionen in neue Atomkraftwerke.

Für den Klimaschutz bedeutet das: Wir brauchen nicht nur den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien, sondern auch mehr Energieeffizienz und wo nötig Sparsamkeit vor allem in der Industrie. Denn die sauberste und günstigste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird.

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