Die Anzahl an Insekten ist innerhalb der letzten 30 Jahre dramatisch zurückgegangen. Doch Insekten spielen nicht nur eine wesentliche Rolle in der Nahrungskette von Wildtieren, sondern sorgen mit ihrer Bestäubungsleistung auch für eine reiche Ernte an Obst und Gemüse.
Insekten – kleine Tiere mit großer Wirkung
Insekten bestäuben Pflanzen, verwerten tote Pflanzen und Tiere und werden selbst von Tieren gefressen. So sind Insekten zum Beispiel eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel. Ein Rückgang der Vielfalt und Masse an Insekten birgt daher eine große Gefahr für das Gleichgewicht unserer Ökosysteme und unserer Nahrungsmittelsicherheit.
Von 6800 bewerteten Insektenarten in Deutschland sind über 2700 gefährdet oder bereits ausgestorben. Doch den einen Grund für das Insektensterben gibt es nicht. Je nach Standort gibt es unterschiedliche Faktoren, die sich negativ auf die Insektenpopulationen auswirken.
Gründe für das Insektensterben:
1. Insektizide
In der konventionellen Landwirtschaft, im konventionellen Obst- und Gemüsebau und in vielen Haus- und Kleingärten werden Insektenvernichtungsmittel (Insektizide) eingesetzt, um Schädlinge zu töten. Doch die Mittel treffen nicht nur Insekten, die wir Menschen als Schädlinge ansehen, sondern auch alle anderen. Besonders problematisch sind systemische Insektizide, die sich in allen Teilen der Pflanzen verteilen und so auch Bestäuber treffen, die Pollen, Nektar oder Guttationstropfen (Wasser, das Pflanzen ausscheiden) sammeln.
2. Cocktaileffekt
Insekten nehmen aus der Luft, dem Wasser und den Pflanzen unzählige Gifte auf, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Dazu kommen Schadstoffe aus anderen Sektoren, wie zum Beispiel Abgase aus dem Verkehr. Dieser Chemikaliencocktail, der deutlich gravierendere Wirkungen haben kann als ein Wirkstoff für sich alleine, wird in der Zulassung und Bewertung von Chemikalien durch staatliche Behörden jedoch kaum beachtet.
3. Monotone Agrarlandschaften
Im konventionellen Getreide- und Maisanbau blüht nichts. Auch in intensiv bewirtschafteten und häufig gemähtem Grünland gibt es kaum mehr Blühpflanzen, die Bestäuber:innen und anderen Insekten Nektar und Pollen liefern. Doch es geht nicht nur um Blüten: Viele Schmetterlingsarten sind zum Beispiel auf bestimmte Futterpflanzen für ihre Raupen angewiesen und viele Hummelarten brauchen Totholz oder verlassene Höhlen kleiner Säugetiere, um ihre Nester anzulegen. In ausgeräumten, monotonen Agrarlandschaften finden Insekten keine Nahrung, keinen Unterschlupf und keine Nistplätze.
4. Flächenfraß
Neben der Intensivierung der Landwirtschaft ist die Ausbreitung von Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen ein entscheidender Grund für die Zerstörung von Lebensräumen für Insekten und die Pflanzen. In Deutschland wurden beispielsweise zwischen 2010 und 2015 täglich bis zu 90 Hektar Boden zubetoniert – das entspricht etwa 126 Fußballfeldern.
5. Der Klimawandel
Die Erderwärmung führt unter anderem dazu, dass viele Blühpflanzen, wie zum Beispiel der Löwenzahn, heute früher blühen als noch vor wenigen Jahrzehnten. Der Klimawandel bringt so den Rhythmus von Insekten und Pflanzen durcheinander. Milde Winter und lange Trockenheitsphasen im Frühjahr und Sommer stressen die Insekten zusätzlich.
6. Lichtverschmutzung
Insbesondere bei nachtaktiven Insekten stört Licht die Orientierung, steigert ihren Energieverbrauch und senkt ihren Fortpflanzungserfolg. Insekten, die von Lichtquellen angezogen werden, werden dort ein leichtes Opfer von Fressfeinden wie Fledermäusen oder sterben an Erschöpfung durch unaufhörliches umrunden der Lichtquelle. Unnötiges Licht ist deshalb nicht nur Energieverschwendung, sondern trägt auch zum Verlust von Insekten und Vögeln bei.
Bienen – das wichtigste Nutztier der Menschen
Honigbienen sind unser wichtigstes Nutztier. Das liegt allerdings nicht an der Honigproduktion, sondern an ihrer Leistung als Bestäuberinnen. Auf der Suche nach Nahrung transportieren sie Pollen von Blüte zu Blüte und sorgen so für die Befruchtung von Pflanzen, ohne die deutlich weniger Früchte wachsen würden. 80 Prozent aller wachsenden Wild- und Nutzpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen.
Bienen sind als Bestäuberinnen hervorragend geeignet, da sie sich „blütenstet“ verhalten. Eine Biene, die Nektar und Pollen einer bestimmten Pflanze gesammelt hat, fliegt bis zur Rückkehr in den Bienenstock vor allem Blüten der gleichen Pflanzen an. Dieses Verhalten macht die Honigbiene, die bis zu 2.000 Blüten an einem Tag besucht, zum perfekten Transportmittel für Pollen. Wenn diese Bestäuberinnen fehlen, wird das für die Landwirtschaft teuer. In den USA bezahlen Obstbetriebe Imker:innen, damit sie mit den Bienen zu ihren Plantagen kommen. In China gibt es sogar Regionen, in denen Obstbäume von Menschen per Hand bestäubt werden müssen, da unter anderem durch den hohen Pestizideinsatz zu wenig bestäubende Insekten vorhanden sind.
Sonderfall Honigbiene
Die oben genannten Gründe für das Insektensterben, wie z.B. Insektizide und andere Pestizide, der Mangel an Blühpflanzen und der Klimawandel, machen auch der Honigbiene zu schaffen.
Zusätzlich haben sie mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen:
Die Varroamilbe: Dabei handelt es sich um eine nur 1 bis 2mm große Milbe, die Bienenstöcke befällt, den erwachsenen Arbeiterinnen Blut absaugt und ihre Eier in die Brut der Bienen legt. Der Parasit kommt ursprünglich aus Asien. Während die asiatische Honigbiene die Varroamilben frühzeitig erkennen und erfolgreich bekämpfen kann, gelingt das der in Europa, Afrika und Amerika verbreiteten Honigbiene nicht.
Überzüchtung: Um gegen den Umweltstress und die Varroamilbe zu bestehen, bräuchte es widerstands- und anpassungsfähige Bienen. Doch die Bienenzucht war über Jahrzehnte hauptsächlich ausgerichtet, viel Honig produzieren und sich einfach halten lassen. Diesen friedlichen und fleißigen Bienen fehlt nun die Widerstandskraft.
Sowohl aufgrund der zahlreichen ökologischen Probleme als auch aufgrund von billigem Importhonig nahm die Anzahl der Bienenstöcke in Deutschland bis 2007 ab. Seit der großen Debatte um das Bienensterben ist jedoch eine leichte Trendwende zu erkennen: Bienenhaltung gilt als angesagt und aktiver Naturschutz. Immer mehr Menschen achten beim Kauf von Honig auf eine regionale und ökologische Produktion, anstatt eine kostengünstigere „Mischung von Honigen aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“ zu kaufen. Die Honigbienen sind also nicht vom Aussterben bedroht, zumal die Imker:innen sich aktiv um deren Wohlbefinden kümmern. Sie stellen an ausgesuchten Orten die Bienenkästen auf, leiten Maßnahmen zur Bekämpfung von Parasiten und Krankheitserreger ein und achten auf ein ausreichendes Nahrungsangebot. Ihre wilden Verwandten hingegen sind dringend auf intakte Ökosysteme angewiesen, die ihnen ausreichend Nahrung und Unterschlupf bieten.
Die wilden Verwandten der Honigbiene in Gefahr
Honigbienen sind nicht die einzigen Insekten, die Pflanzen bestäuben. Alleine in Deutschland sind über 550 Arten aus der Familie der Bienen heimisch. Dazu gehören sowohl verschiedene Arten von Hummeln, als auch Sand- und Mauerbienen. Doch nur ca. ein Drittel der Wildbienen sind in Europa als ungefährdet eingestuft. Sieben Prozent der Arten sind bereits ausgestorben oder verschollen. Einige Arten sind so schlecht erforscht, dass sich wenig über den Zustand der Populationen aussagen lässt. Weitere wichtige bestäubende Insekten sind Schmetterlinge, Nachtfalter oder Schwebfliegen.
Ökologische Vielfalt sorgt für Stabilität
Eine Studie der argentinischen Universidad Nacional de Rio Negro zeigte 2013, dass die Bestäubung effektiver funktioniert, je mehr verschiedene Insektenarten die Blüten anfliegen. Wenn die Landwirtschaft sich ausschließlich auf die Honigbiene verlässt, ist die Ernte geringer, als wenn Wildbienen an der Bestäubung beteiligt sind. Manche Pflanzen sind außerdem auf die Bestäubung durch eine bestimmte Insektenart spezialisiert. Wenn es diese Arten nicht mehr gibt, verschwinden auch die zugehörigen Pflanzen. Die industrialisierte Landwirtschaft zerstört mit ihren großen Monokulturen, ausgeräumten Landschaften und dem hohen Pestizideinsatz immer mehr der natürlichen Artenvielfalt. Dabei ist es gerade diese Vielfalt, die Agrarökosysteme effektiv und dauerhaft stabil macht.
So retten wir die Insektenvielfalt
Was Sie zu Hause tun können:
Blüh- und Wildpflanzen anpflanzen
Im eigenen Garten, auf dem Balkon und in Blumenkästen bieten heimische und ungefüllte Blühpflanzen eine Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten. Darüber hinaus sind sie auch für den Menschen schön anzusehen.
Auf Pestizide verzichten
Noch immer nutzen Menschen in Haus- und Kleingärten giftige Chemikalien, um Insekten, Pilze oder "Unkräuter" zu töten. Dies sollte dringend unterlassen werden. Zur Bekämpfung von Schädlingen und unerwünschtem Pflanzenaufwuchs gibt es genügend nichtchemische Alternativen.
Ein Wildbienenhotel aufstellen
Ein "Wildbienenhotel" besteht aus einem Holzrahmen, in dem hohle Äste, durchlöchertes Holz und Lehm Nistplätze für Solitärbienen und andere Insekten bieten. Noch besser als ein Wildbienenhotel ist es, in Gärten wilde Ecken zu belassen und im Herbst nicht alle verblühten Pflanzen zurückzuschneiden.
Was die Politik tun muss:
Pestiziden verbieten
Die Politik muss den Einsatz chemisch-sythetischer Pestizide verbienten und Alternative fördern
Ökolandbau fördern
Eine Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie, muss das Leitbild der Agrarpolitik sein.
Was die Landwirtschaft tun kann:
Beim Mähen auf Bienen achten
Wenn blühende Wiesen oder Zwischenfrüchte gemäht werden, können zehntausende Bienen auf einem Hektar im Mähwerk verenden. Die Lösung dafür: Nicht gerade zur besten Bienenflugzeit mähen.
Mit Imker:innen sprechen
Dort können Bauern und Bäuerinnen erfahren, ob sie vielleicht mit kleinen Veränderungen etwas für die Bienen tun können.
Der Zeit voraus sein
Auch bevor die Politik eine ökologische Agrarwende für alle ermöglicht, können Bauern und Bäuerinnen ökologisch wirtschaften und auf Pestizide verzichten.
Was Städte und Gemeinden tun können:
Seltener mähen
Auf öffentlichen Grünflächen, beim sogenannten "Straßenbegleitgrün", auf Verkehrsinseln oder in Parks ist oft kurz gemähter Rasen das Ideal. Doch darin blüht wenig und es muss oft gemäht werden. Der erste Schritt für eine insektenfreundliche Kommune ist es, sich diese Arbeit zu sparen und seltener zu mähen.
Blüh- und Wildpflanzen anpflanzen
Auf öffentlichen Grünflächen können auch blühende, heimische Wildpflanzen ausgesät werden. Das freut nicht nur Insekten, sondern auch die Menschen.
Auf Pestizide verzichten
Auch bevor die Politik eine ökologische Agrarwende für alle ermöglicht, können Bauern und Bäuerinnen ökologisch wirtschaften und auf Pestizide verzichten.
Lichtverschmutzung vermeiden
Straßenlaternen in den verkehrsarmen Stunden der Nacht ganz abzuschalten und sie technisch so zu gestalten, dass sie nicht in den Himmel, in Gärten und die Landschaft strahlen, reduziert Lichtverschmutzung. Mit kommunalen Gestaltungs- oder Werbeanlagensatzungen können sie zudem die Beleuchtung von Gebäuden und leuchtende Reklame beschränken.
Werden Sie aktiv
Nehmen Sie jetzt an unserer Online-Aktion für ein Pestizidtransparenzregister teil.
33.902/40.000 Einträge
Her mit den Daten: Pestizideinsätze offenlegen!
Mitmach-Aktion
Setzen Sie sich mit uns dafür ein, dass künftig jede:r mit wenigen Klicks die Pestizideinsätze auf den Äckern in der Umgebung einsehen kann.
Hier finden Sie eine Auswahl unserer aktuellsten Meldungen zum Thema Landwirtschaft und Pestizide.
Der Malser Weg: „Wir lassen nicht locker!“
Landwirtschaft
–
Das Dorf Mals wollte die erste pestizidfreie Gemeinde Europas werden. Dafür traten die Malser:innen gegen mächtige Gegner an. Nun feiert der „Malser Weg“ sein zehnjähriges Jubiläum. Zeit, nachzufragen: Hat sich der Kampf gelohnt, und wie sieht die Zukunft aus?
–
Flufenacet, ein weit verbreiteter Unkrautvernichter, könnte bald in der EU verboten werden. Eine Neubewertung durch die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat bestätigt, dass das Pestizid nicht nur das Grundwasser belastet und die Fruchtbarkeit gefährdet, sondern auch den Hormonhaushalt beeinträchtigt.
–
Pendimethalin bedroht nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch unsere Gesundheit – und das direkt vor unserer Haustür und in unseren Wohnungen. Damit das gefährliche Überall-Gift endlich aus unserer Umwelt verschwindet, ziehen wir jetzt vor Gericht.