Unsere globalen Grenzen sind im Bereich Artenvielfalt weit überschritten und irreversible Schäden sind zu befürchten. Wie es dazu kommt, welche Tiere betroffen sind und was dagegen unternommen werden kann, können Sie im Folgenden lesen.
Gründe für den rasanten Artenverlust
Die wichtigsten Gründe für den rasanten Verlust der Artenvielfalt sind die Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen, die Vergiftung und Vermüllung der Umwelt, der Klimawandel und die Übernutzung von Ökosystemen. Die industrielle Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Faktoren für das Artensterben in Europa und weltweit.
Landwirtschaft – sowohl Schöpferin als auch Zerstörerin der Landschaft
Wo immer der Mensch lebt und Land- und Fortwirtschaft, Fischerei und Jagd betreibt, greift er in die Natur ein und ist dabei auch Teil der Natur. Als die Menschen vor Jahrtausenden die Landwirtschaft nach Europa brachten, veränderten sie die Umwelt dauerhaft – sie machten die Landschaft vielfältiger und förderten die Artenvielfalt. Bis vor wenigen Generationen war die Landwirtschaft ein positiver Faktor für die Artenvielfalt.
Erst die Industrialisierung kehrte das um: heute ist die industrielle Landwirtschaft Treiber für das Artensterben.
Die industrielle Landwirtschaft zerstört Ökosysteme. Nicht nur, wenn Wälder gerodet oder Feuchtgebiete trockengelegt werden, verschwinden Lebensräume. Auch die Düngung von mageren Böden nimmt denen Lebensraum, die darauf spezialisiert sind. Zusätzlich führt die Industrialisierung der Landwirtschaft zu immer monotoneren Landschaften und sterileren Feldern, in denen kaum wilde Tiere und Pflanzen leben.
Die industrielle Landwirtschaft vergiftet die Umwelt. Alleine in Deutschland wurden 2019 über 45.000 Tonnen Ackergifte (Zahl entspricht Wirkstoffmenge) auf Felder und Wiesen ausgebracht. In der EU werden pro Jahr über 350.000 Tonnen Gifte, die Tiere, Pflanzen und Pilze töten sollen, verkauft.
Die industrielle Landwirtschaft befeuert den Klimawandel. Bei der Düngung und Tierhaltung entsteht viel Methan und Lachgas. Durch die Rodung von Wäldern, Trockenlegung von Mooren und die Degradation von Böden – also die Abnahme der Bodenfruchtbarkeit und des Humusgehalts - hat die Landwirtschaft einen hohen Anteil am globalen CO2 -Ausstoß. Durch den Klimawandel und den Anstieg der Temperaturen werden ebenfalls viele Arten bedroht. Bild: z.B. Kuhstall
Wer ist betroffen?
Das Sterben unbekannter Arten.
Von den schätzungsweise 5.000.000 bis 100.000.000 Arten von Pflanzen, Tieren, Pilzen und Bakterien, die weltweit vorkommen, sind höchstens zwei Millionen wissenschaftlich beschrieben. Aufgrund des rasanten Artensterbens werden viele dieser Arten ausgestorben sein, bevor sie je ein Mensch bewusst wahrgenommen hat.
In den letzten Jahren heiß diskutiert: das Bienensterben.
Sie ist sympathisch, wirtschaftlich bedeutsam und alle kennen sie. Doch das Bienensterben ist ein komplexer Spezialfall, da Bienen als Nutztiere v.a. von Menschen beeinflusst sind, welche Parasiten bekämpfen und ökologische Einflüsse kompensieren können. Daher ist ein Aussterben der Honigbienen nicht unmittelbar zu befürchten.
Schlimmer trifft es die wilden Verwandten der Honigbiene.
Diese werden zum einen von Ackergiften, Futtermangel, dem Klimawandel und Krankheiten dezimiert. Zum anderen nimmt die industriell durchrationalisierte Landwirtschaft ihnen auch geeignete Orte zum Nestbau. So bleibt auch der Nachwuchs aus.
Sensible Arten halten nicht Stand.
Auch die Schmetterlinge verschwinden. Viele sind extrem sensibel gegenüber Pestiziden und sterben schon von winzigen Mengen, die der Wind von Feldern oder aus Obstplantagen weht.
Ausgezwitschert!
Insekten wiederum sind die Nahrungsgrundlage vieler Vögel. Mit den Insekten und den Lebensräumen in und um landwirtschaftlich genutzte Flächen verschwinden auch die Vögel.
Alle Vöglein sind … bald weg
Besonders bedroht sind der aktuellen Roten Liste nach Vogelarten der Agrarlandschaft: 83 Prozent dieser Arten weisen so hohe Rückgänge auf, dass sie als gefährdet oder auf der Vorwarnstufe geführt werden. In nicht einmal drei Jahrzehnten hat beispielsweise der Bestand der Kiebitze um 88 Prozent, der Feldlerchen um 45 Prozent und der Rebhühner um 89 Prozent abgenommen. Während sich einige Arten auf sehr niedrigem Niveau stabilisieren, ist bei anderen kein Ende des Sterbens in Sicht. Sie drohen völlig zu verschwinden.
Rebhuhn; Rebhühner sind Bodenbrüter und gelten in Deutschland als stark gefährdet (Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, Kategorie 2)
Gründe für das Vogelsterben
Auch hier sind die Gründe für das Sterben zum einen der fehlende Lebensraum. Vögel brauchen Orte zum Brüten, um sich vor Feinden zu verstecken und Nahrung zu suchen. Besonders gefährdet sind deshalb zum Beispiel Arten, die am Boden in Wiesen und auf Feldern brüten, weil die intensive Landwirtschaft darauf keine Rücksicht nimmt. Auch Arten, die totes Holz oder Hecken benötigen, finden davon in den ausgeräumten Agrarlandschaften immer weniger.
Als weiterer Grund ist der Nahrungsmangel zu nennen. Wo Pestizide und fehlender Lebensraum Insekten verschwinden lassen, verschwinden auch Vögel. Wo es kaum Kräuter, Stauden und Hecken gibt, wo Gewässer in schlechtem biologischen Zustand sind und das Bodenleben unter Verdichtung und Giften leidet, finden sie immer weniger Nahrung.
Außerdem leiden auch Vögel unter Pestiziden. Ihr Einsatz ist eng gekoppelt an den Nahrungsmangel und die Zerstörung von Lebensräumen. Die Ackergifte treffen die Vögel aber auch direkt, indem sie mit Pestiziden belastete Nahrung oder Wasser zu sich nehmen. Je weiter oben Vögel in der Nahrungskette stehen, umso höher ist das Risiko, dass sich Gifte anreichern und Schäden verursachen.
Und auch der Klimawandel spielt eine Rolle. Vögel können zwar in andere Regionen ausweichen, doch die Anpassung an den Klimawandel stellt auch Vögel vor Herausforderungen: Die Auswirkung des Klimawandels auf das gesamte Ökosystem wirkt sich direkt auf den Lebensraum und die Nahrungsgrundlage der Vögel aus. Je spezialisierter die Lebensweise einer Art ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie nicht ausweichen oder sich anpassen kann, wenn sich ihre Lebensumstände ändern.
Dramatisches Vogelsterben: Hauptursache intensive Landwirtschaft
Eine Mitte 2023 veröffentlichte Studie zeigt eindrücklich, wie stark die Anzahl an Vögeln in Europa abnimmt: Um ein Viertel ist die Zahl der Vögel seit 1980 gesunken. Für die Analyse wurde zwischen 1980 und 2016 die Entwicklung von 170 Vogelarten an 20.000 Standorten in 28 Ländern betrachtet. Das traurige Ergebnis, das aus diesem sehr großen Datensatz hervorgeht: Besonders betroffen sind Vogelarten, deren Lebensraum Agrarlandschaften sind. Bei ihnen wurde ein Rückgang von fast 60 Prozent verzeichnet. Damit wirkte sich die Ausweitung intensiver Landwirtschaft und der damit verbundene Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln der Analyse nach mit Abstand am stärksten auf die Vogelbestände aus.
Stabile Populationen halten viel aus
Die Natur schafft so einiges. Auch der Tod einer großen Zahl von Individuen könnte wieder ausgeglichen werden: Die verminderte Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum könnte eigentlich in den folgenden Generationen wieder zu einem Anstieg der Population führen. Doch die andauernde und großflächige Zerstörung der Lebensgrundlagen verhindert dies. Ist eine Art ohnehin schon stark dezimiert, werden die genetische Vielfalt und das Verbreitungsgebiet immer kleiner. Damit sinkt die Möglichkeit, auf Katastrophen zu reagieren – Zufälle gewinnen an Bedeutung, wie zum Beispiel Vogelschlag im Straßenverkehr und an Glasscheiben oder die legale oder illegale Jagd nach Zugvögeln durch den Menschen. Auch die Jagd nach Vögeln durch Haustiere gehört zu diesen Zufällen, die stark dezimierte Arten gefährden können. Anders als Greifvögel oder Wildkatzen sind Katzen, die von Menschen umsorgt werden, nicht von einem Nahrungsmangel betroffen, wenn der Bestand ihrer Beute zurückgeht.
Was kann ich gegen Artensterben tun?
1. Ein Vogelparadies im eigenen Garten anlegen.
Sowohl Vögel als auch Bienen und andere Insekten freuen sich über einen naturnahen Garten. Zwar kommen die meisten gefährdeten Vögel in Agrarlandschaften vor, jedoch sind auch manche Kulturfolger – also Vögel, die gerne in der Nähe von Menschen leben – gefährdet. So nisten Rauchschwalben gerne an oder in Gebäuden. Wo sie nicht toleriert werden geht auch ihnen der Lebensraum verloren.
2. Bio kaufen.
Die wichtigsten Gründe für das Vogelsterben liegen in einer industrialisierten Landwirtschaft und der immer intensiveren Nutzung des Landes. Als Verbraucher:innen können wir uns beim Einkauf für Bio-Lebensmittel entscheiden, die ohne chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel hergestellt werden. Die Artenvielfalt auf Flächen, die nach den Regeln des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden, ist nachweislich höher als auf konventionellen Flächen.
3. Regional kaufen.
Wer zudem auf Regionalität achtet, ermöglicht nicht nur Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern aus der Region ein Auskommen, sondern verringert auch die Auswirkungen des eigenen Konsumverhaltens auf andere Gegenden der Welt, in denen zum Beispiel Regenwald verschwindet, um Palmöl oder Tierfutter anzubauen.
4. Wählen gehen.
Als Bürger:innen Deutschlands und der EU können wir durch demokratische Mittel, wie die Wahlen, mit beeinflussen, welche Gesetze gelten, an welche Regeln sich landwirtschaftliche Betriebe halten müssen und wofür sie Subventionen bekommen.
5. Aktiv sein.
Um die Artenvielfalt zu erhalten, müssen wir der Politik genau auf die Finger schauen. Um unsere Arbeit zu unterstützen, können Sie gemeinsam mit uns demonstrieren. Sie können Petitionen unterschreiben, mitmachen bei kommunalen Bürgerbegehren und Europäischen Bürgerinitiativen für Umweltschutz. Sie können Leserbriefe an Zeitungen und E-Mails an Abgeordnete schreiben und auch Ihr Umfeld informieren. Als Umweltinstitut München unterstützen wir Sie dabei mit Informationen und Aktionen – unterstützen Sie uns in unserer Arbeit als Gegenlobby.
Sie wollen sich aktiv für mehr Artenschutz einsetzen?
Dann machen Sie jetzt mit bei unseren Online-Aktionen zum Thema oder bestellen sich Infomaterial. Nur eine aufgeklärte Öffentlichkeit kann Druck auf die Politik ausüben, damit sich etwas ändert.
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Her mit den Daten: Pestizideinsätze offenlegen!
Mitmach-Aktion
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