Massentierhaltung und ihre Auswirkungen
Massentierhaltung bedeutet nicht nur Leid für die Tiere. Sie hat auch Auswirkungen auf unsere Gesundheit, unser Wasser und auf die Menschen im globalen Süden.
Massentierhaltung und ihre Auswirkungen
Massentierhaltung bedeutet nicht nur massives Leid für die Tiere in den Megaställen. Sie hat auch verheerende Auswirkungen unter anderem auf unsere Gesundheit, unser Wasser und auf die Menschen im globalen Süden.
Antibiotika sind Medikamente, die zur Behandlung von bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Ihre Entdeckung und Nutzung war einer der wichtigsten Fortschritte in der Medizin und führte zum Sieg über viele zuvor tödliche Krankheiten. Doch die Lebensdauer eines Antibiotikums ist begrenzt: Die Mikroorganismen passen sich mit der Zeit an die Wirkstoffe an und werden so resistent. Bakterien, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind, werden ein immer größeres Problem. Wer sich mit multiresistenten Keimen infiziert, gegen die kein gängiges Antibiotikum mehr hilft, kann sogar an einfachen Infektionen sterben.
Neben der zu sorglosen Vergabe von Antibiotika in Krankenhäusern und Arztpraxen ist der hohe Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung der wichtigste Grund für die Zunahme multiresistenter Keime. Weil diese/besagte Keime in den Ställen herangezüchtet werden, zählen Landwirt:innen und Tierärzt:innen heute in den Krankenhäusern als Risikofälle, da sie häufig multiresistente Keime auf der Haut oder im Körper tragen und sie in die Kliniken einschleppen könnten. Der Antibiotikaeinsatz in den Ställen ist besonders geeignet, Resistenzen entstehen zu lassen. Denn Medikamente werden dort weniger gezielt vergeben als in der Humanmedizin. Oft werden auch Tiere mitbehandelt, die nicht krank sind, wenn sie den Stall wechseln oder mit kranken Tieren in einer Gruppe leben (Metaphylaxe). Antibiotika werden auch zur Krankheitsvorbeugung pauschal an gesunde Tiere oder als Wachstumsförderer vergeben (Prophylaxe). Diese Praxis ist seit 2022 in Deutschland verboten, in anderen Teilen der Welt aber immer noch üblich. In Deutschland wurden 2021 ca. 600 Tonnen Antibiotika an Tiere verabreicht. Seit Beginn der Erfassung der Menge der Antibiotikagabe in der Tiermedizin in 2011 hat sich die Abgabe erfreulicherweise mehr als halbiert. Welche Mengen davon bei welchen Tierarten eingesetzt werden, ist leider weiterhin unklar. Die gesonderte Erfassung für die Tiergruppen Rind, Schwein, Pute und Huhn wird ab 2023 verpflichtend. Bis dahin sind Nutztiere nicht von Haustieren abgrenzbar und Aussagen über Unterschiede zwischen den einzelnen Tiergruppen sind ebenfalls nicht möglich.
Neue europäische Regeln für Tierarzneimittel
Die Gesundheitsgefahren, die von antibiotikaresistenten Keimen ausgehen, werden mittlerweile auch von der Politik ernst genommen: es wurde eine neue europäische Tierarzneimittelverordnung auf den Weg gebracht. Seit März 2022 gelten EU-weit einheitliche Regelungen zu Tierarzneimitteln und Arzneifuttermitteln sowie das nationale Tierarzneimittelgesetz. Das darin enthaltene Verbot einer prophylaktischen Anwendung bei Tiergruppen ist gut und wichtig. Doch der geplante Vorbehalt von Reserve-Antibiotika für die Humanmedizin scheint zu scheitern. Reserve-Antibiotika sind Medikamente, die in der Regel auch dann noch wirken, wenn Bakterien gegen herkömmliche Antibiotika bereits Resistenzen entwickelt haben. Obwohl sie eigentlich für humanmedizinische Notfälle vorbehalten sein sollten, wird ihre Wirksamkeit durch den massenhaften Einsatz in der Tiermast gefährdet. Die neue EU-Verordnung verbietet zwar den Einsatz von Reserve-Antibiotika in der Tiermedizin, doch es wird kein einziger Wirkstoff als Reserveantibiotikum gelistet, der aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation WHO für Menschen am wichtigsten ist. Damit ist die Verordnung ein zahnloser Tiger und es können weiterhin für die Humanmedizin wichtige Antibiotika in der Tiermast eingesetzt werden – mit dem hohen Risiko von weiteren Resistenzen und noch mehr Todesfällen durch multiresistente Keime.
Die Massentierhaltung gefährdet unser Trinkwasser
Zwei Drittel des Trinkwassers in Deutschland werden aus dem Grundwasser gewonnen. Doch dieses ist oft mit Nitrat belastet. Einer der Hauptgründe für diese Verunreinigung ist die industrielle Tierhaltung.
Das Umweltbundesamt veröffentlicht den Stand der Grundwasserqualität basierend auf dem sogenannten EU-Nitratmessnetz mit über 690 repräsentativen Messstellen in Deutschland. Innerhalb des letzten Berichtzeitraums 2016 bis 2018 wiesen nur knapp 50 Prozent der Messstellen unbelastetes oder gering belastetes Wasser mit Nitratwerten unterhalb von 25 Milligramm pro Liter auf;/, ca. 25 Prozent liegen sogar über dem europäischen Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter. Daraus kann kein Trinkwasser mehr gewonnen werden, denn Nitrat kann im Körper zu krebserregenden Nitrosaminen umgewandelt werden. Bei Kleinkindern führt es zusätzlich zur lebensgefährlichen Blausucht, bei welcher der Sauerstofftransport im Blut gestört wird.
Den größten Anteil an der Nitratbelastung des Wassers hat die industrielle Landwirtschaft. Der Grund dafür ist der hohe Stickstoffüberschuss von durchschnittlich 92 kg pro Hektar auf deutschen Äckern. In Regionen, in denen viele Tiere gehalten werden, werden über Eiweißfuttermittel sehr viele Nährstoffe importiert. In der Massentierhaltung entsteht so zu viel Gülle an einem Ort. Wenn ausreichend Flächen fehlen, auf die die Gülle ausgebracht werden kann, kommt es zur Überdüngung. Der Stickstoff aus der Gülle wird von Mikroorganismen im Boden zu Nitrat umgewandelt. Was nicht von den Pflanzen aufgenommen werden kann, wird vom Regen ausgewaschen. So landet das Nitrat im Grundwasser, in Flüssen, Seen und Meeren.
Wo zu viele Tiere gehalten werden, ist das Wasser besonders häufig belastet
Besonders häufig überschritten werden Nitrat-Grenzwerte im Wasser in den Gegenden, in denen die Tierdichte besonders hoch ist: In Niedersachsen, in Teilen von Nordrhein-Westfalen, in Thüringen und in Niederbayern. Auch der Zustand der Ostsee ist besorgniserregend: Das Meer tauscht nur wenig Wasser mit den Ozeanen aus, und die Flüsse bringen seit Jahrzehnten zu viele Nährstoffe aus der Landwirtschaft mit. Der Überschuss an Nährstoffen verstärkt das Algenwachstum, was dem Wasser, und somit auch Lebewesen wie Seesternen, Muscheln und Krebsen den Sauerstoff entzieht. In einer Messung des überschüssigen Nährstoffeintrags konnte von 189 untersuchten Gebieten in der Ostsee nur 11 Gebieten ein guter ökologischer Zustand bescheinigt werden. Laut dem Nitratbericht der EU-Kommission sind etwa die Hälfte der deutschen Flüsse sowie alle Übergangs-, Küsten- und Meeresgewässer von übermäßigem Nährstoffeintrag betroffen.
Das Problem der Nitratbelastung ist seit Jahren bekannt und die Bundesrepublik wäre nach europäischen Richtlinien verpflichtet, es zu lösen. 2018 leitete die Kommission deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Verstößen gegen die europäische Nitratrichtlinie ein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gab der Kommission Recht und verurteilte Deutschland dafür, zu wenig gegen Nitrateinträge in Gewässer und das Grundwasser getan zu haben. Tatsächlich enthält das Grundwasser in Deutschland mehr Nitrat als in allen anderen europäischen Ländern – mit Ausnahme von Malta, das als winziger Inselstaat in einer Sondersituation ist. Die Verhandlung mit der EU-Kommission über Nachbesserungen im deutschen Aktionsprogramm zur Senkung von Nitratbelastungen in Wasser und Gewässern hält weiterhin an.
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