Pestizide im Apfelanbau
Welche Pestizide werden in Deutschland im Apfelanbau eingesetzt? Wie schädlich sind diese Pestizide für Natur, Tiere und uns Menschen? Gibt es Alternativen? Auf diese und mehr Fragen gibt es hier Antworten.
Pestizide im Apfelanbau: Gefahr für Umwelt und Gesundheit
Der Apfelanbau hat dunkle Seiten. Besonders in intensiven Anbaugebieten wie dem Alten Land bei Hamburg, am Bodensee oder in Südtirol werden jedes Jahr große Mengen Pestizide eingesetzt. Die Chemikalien belasten nicht nur die Umwelt, sondern gefährden auch unsere Gesundheit.
Apfelanbau in Deutschland – Zahlen, Fakten und Regionen
Äpfel vom Bodensee: Pestizideinsatz und Rückstände im Obst
Auf mehr als 11.000 Hektar werden in Baden-Württemberg Äpfel angebaut, wovon ungefähr 9.000 Hektar auf die Bodenseeregion entfallen. Das bedeutet, dass mehr als ein Viertel der gesamten Apfelanbaufläche Deutschlands am Bodensee liegt. Die Bodenseeregion ist damit das größte Anbaugebiet Deutschlands.
Aus den aktuellen Spritzempfehlungen für den Erwerbsobstbau in Baden-Württemberg, die vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg herausgegeben werden, kann man herauslesen, welche Mittel grundsätzlich für den Apfelanbau in Baden-Württemberg empfohlen werden und wofür. Darunter finden sich Wirkstoffe wie Boscalid, Bupirimat, Captan, Cyprodinil, Fludioxonil, Folpet, Dithianon, Fluopyram, Tebuconazol, Penconazol, Trifloxystrobin, Acetamiprid, Cyantraniliprol, sowie Glyphosat und Pendimethalin.
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Das Umweltinstitut misst nach: Pestizidrückstände in Äpfeln
Die Pestizide aus den Spritzempfehlungen fanden wir zum Teil auch bei unseren Messungen von Pestiziden in Äpfeln aus dem Jahr 2024. In den konventionellen Apfelproben vom Bodensee wiesen wir folgende vier Pestizide nach: Captan, Trifloxystrobin, Fludioxonil und Dithianon. Eine Apfelprobe aus der Bodensee-Region enthielt Rückstände von allen vier verschiedenen Wirkstoffen gleichzeitig und war damit die am stärksten belastete Probe dieser Untersuchung.
Mehr über unsere Untersuchung von Äpfeln erfahren Sie hier.
Unsere Untersuchung zeigt: Ein Teil der Pestizide, die beim Apfelanbau eingesetzt werden, landen auch auf den Äpfeln und somit auf den Tellern von uns Verbraucher:innen.
Klar ist, dass auch am Bodensee auf den Plantagen regelmäßig gespritzt wird. Denn der Einsatz von Pestiziden ist ein fester Bestandteil des konventionellen Anbaus, nicht zuletzt um den hohen Anforderungen des Handels gerecht zu werden. Welche Pestizide dort in welchen Mengen auf welchen Apfelplantagen genau eingesetzt werden, ist allerdings nicht bekannt. Denn obwohl Landwirt:innen über ihre Pestizideinsätze Buch führen müssen, werden die Spritzdaten von den Behörden bisher nicht zentral erfasst oder gar ausgewertet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Malerisches Bodensee-Idyll und intensiv bewirtschaftete Apfelmonokultur - wie passt das zusammen?
Das Alte Land: Deutschlands größtes Obstanbaugebiet
2024 ließen wir auch Äpfel aus dem Alten Land auf Pestizidrückstände hin untersuchen. Dabei fanden wir die Pestizide Captan, Trifloxystrobin und Ethephon auf konventionellen Äpfeln aus dieser Region.
Das Alte Land vor den Toren Hamburgs gilt als das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Nordeuropas. Wegen der vielen Gräben, Flüsse und Bäche ist dort das Risiko besonders hoch, dass Pestizide ins Wasser gelangen. Um den intensiven Apfelanbau überhaupt möglich zu machen, hat das Alte Land eine Sonder-Pflanzenschutzverordnung (Altes Land Pflanzenschutzverordnung – AltLandPflSchV) hat, die nur dort gilt. Denn eigentlich ist gesetzlich vorgeschrieben, bei der Ausbringung von Pestiziden fünf bis zehn Meter Abstand zu Gewässern zu halten.
Die im Alten Land geltende Sonderregel reduziert den zulässigen Abstand aber auf bis zu dreieinhalb Meter, je nach Gewässerart. Und das, obwohl der gesetzliche Mindestabstand ohnehin nicht ausreicht, um Gewässer vor Pestizidbelastung zu schützen: Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigte, dass in 80 Prozent der untersuchten Bäche in Agrarlandschaften die gemessenen Pestizidkonzentrationen zulässige Grenzwerte überstiegen.

Das Apfelanbaugebiet im Alten Land bei Hamburg ist davon geprägt, dass es durchzogen ist von Bächen, Flüssen und Wassergräben. Wasserorganismen aber leiden massiv unter einem hohen Pestizideinsatz.
Südtirol: Apfelanbau, Pestizide und ihre Verbreitung in der Luft
Die heimische Produktion reicht jedoch bei weitem nicht aus, um den Apfelhunger der Deutschen zu decken. Nur etwa die Hälfte der hier verspeisten Äpfel stammt aus deutscher Produktion. Der Rest wird aus dem Ausland importiert. 40 Prozent der importierten Speiseäpfel stammen aus Italien, davon wiederum jeder zweite aus Südtirol.
Im Südtiroler Vinschgau haben wir einen seltenen Einblick in die eigentlich geheimen Spritzdaten der dortigen Betriebe bekommen: Unsere Auswertung hat gezeigt, dass eine Apfelplantage dort 2017 im Durchschnitt 38 Pestizidbehandlungen pro Saison erhielt. Zwischen März und September 2017 gab es im Vinschgau keinen einzigen Tag, an dem nicht mit Pestiziden gespritzt wurde. Das Beispiel Südtirol verdeutlicht, wie extrem der Pestizideinsatz im Apfelanbau sein kann – und dass das Problem nicht auf Deutschland beschränkt ist.
2018 untersuchten wir zudem die Verbreitung von Pestiziden über die Luft aus dem intensiven Obstbau im Südtiroler Vinschgau. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Pestizide bleiben nicht auf den behandelten Flächen, sondern verbreiten sich kilometerweit – bis in abgelegene Täler und Ortschaften.
Im Vinschgau konnten wir eine durchgehende Belastung von Mitte März bis Ende August nachweisen. In der Luft befanden sich stets mehrere Wirkstoffe gleichzeitig. Man spricht in solchen Fällen auch von einem Pestizidcocktail. Kommen mehrere Wirkstoffe zusammen, kann sich ihre Wirkung verändern oder verstärken.
Hier finden Sie unsere Untersuchung zu Pestiziden in der Luft im Vinschgau.
Pestizide in der Luft: Wie sich Ackergifte kilometerweit verbreiten
Pestizide gelangen nicht nur über Rückstände in Lebensmitteln in unseren Körper. In mehreren Messprojekten, wie dem im Vinschgau, konnten wir nachweisen, dass sich Pestizide zum Teil kilometerweit unkontrolliert durch die Luft verbreiten. So gelangen die Ackergifte in Schutzgebiete, in Großstädte, Gärten und auf Bio-Äcker, wo sie die Ernte verunreinigen können.
Im bisher größten Projekt, bei dem 2019 deutschlandweit an mehr als 100 Standorten gemessen wurde, konnten pro Probe bis zu 26 verschiedene Pestizide gleichzeitig nachgewiesen werden. Am Standort in der Bodenseeregion wurden 18 verschiedene Pestizide in der Luft nachgewiesen. Darunter Glyphosat, Captan und Pendimethalin. Auch über die Luft sind wir also einem Cocktail aus Pestiziden ausgesetzt.
Glyphosat und Co.: Gesundheits- und Umweltrisiken durch Pestizide im Apfelanbau
Der Apfel ist zwar das beliebteste Obst der Deutschen, gleichzeitig ist der Apfelanbau aber auch die pestizidintensivste Anbaukultur in Deutschland. Viele der eingesetzten Pestizide können dabei bedenkliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit haben.
Wir stellen hier die vier meistverwendeten Wirkstoffe im konventionellen Apfelanbau vor: die Fungizide Captan und Dithianon, das Breitbandherbizid Glyphosat sowie das Insektizid Chlorantraniliprol. Nach offiziellen Schätzungen des Julius Kühn-Instituts werden sie von nahezu allen konventionell wirtschaftenden Apfelbetrieben eingesetzt.
Die Risiken dieser Wirkstoffe sind vielfältig:
- Captan und Dithianon gelten als „vermutlich krebserregend“ sowie akut gefährlich für Wasserorganismen. Studien zeigen in Verbindung mit den Wirkstoffen DNA-Schädigungen. Dithianon wird darüber hinaus mit neurotoxischen Wirkungen in Verbindung gebracht, die das Risiko für Parkinson erhöhen können. Eine aktuelle Studie belegt außerdem eine drastisch erhöhte Sterblichkeitsrate bei jungen Honigbienen nach der Exposition mit Captan.
- Glyphosat, das weltweit am meisten eingesetzte Pestizid ist „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“, schädigt die Artenvielfalt massiv und steht in Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer. Weitere Informationen zu Glyphosat finden Sie auf unserer Themenseite.
- Chlorantraniliprol gilt als hochgefährlich für Wasserorganismen. Es kann in Gewässern langfristige Schäden verursachen und schädigt Nützlinge und Bestäuber wie Wildbienen und Schmetterlinge. Zudem zeigt sich in Studien eine besonders hohe Verweildauer im Boden und schädliche Wirkung auf Bodenorganismen und -gesundheit.
Besonders problematisch ist der sogenannte Cocktail-Effekt: Auf konventionellen Apfelanlagen werden dutzende Pestizide kombiniert eingesetzt. Welche gesundheitlichen und ökologischen Folgen diese Mischung haben kann, ist bisher kaum erforscht – birgt aber ein enormes Risiko, das bislang unterschätzt und ignoriert wird.
Warum der Markt makellose Äpfel erzwingt – und welche Folgen das hat
Ein großer Teil des Problems hat mit unseren Einkaufsgewohnheiten zu tun. Supermärkte und EU-Vermarktungsnormen verlangen makellose Äpfel – gleichmäßig geformt, glänzend und ohne sichtbare Flecken. Damit die Früchte diesem Ideal entsprechen, setzen viele Obstbauern auf Chemie. Die Absurdität: Umwelt und Gesundheit werden für ein optisch perfektes, besser verkäufliches Produkt aufs Spiel gesetzt, obwohl optische Mäkel beispielsweise durch Mehltau keinerlei negative oder geschmackliche Auswirkungen auf die Frucht haben.
Weltweit sind etwa 20.000 Apfelsorten bekannt. Davon haben nur etwa 20 im Intensivobstbau Relevanz, allen voran die Sorte Elstar.
Bio-Anbau und Streuobst: Alternativen zum pestizidintensiven Apfelanbau

Eine Alternative zu Herbiziden im Obstanbau ist die Beweidung durch Schafe.
Dass Apfelanbau ohne Gift funktioniert, zeigen zahlreiche Bio-Betriebe und die besonders artenreichen Streuobstwiesen. Hier wird auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet, und die Bäume tragen dennoch gesunde Früchte. Dies beweist: Der Anbau von Äpfeln ist auch ohne den Einsatz von umwelt- und gesundheitsschädlichen Pestiziden möglich. Über Alternativen zu Glyphosat (und anderen Herbiziden) in der Landwirtschaft können Sie hier nachlesen.
Allerdings wird von der gesamten Apfelanbaufläche Deutschlands von rund 33.000 Hektar nur gut ein Viertel ökologisch bewirtschaftet. Der Anteil von Streuobstäpfeln an der deutschlandweiten Produktionsmenge variiert von Jahr zu Jahr zwischen 30 und 45 Prozent, je nach Witterung. Und Streuobstäpfel werden überwiegend weiterverarbeitet und nicht als Tafelobst verkauft.
Was Sie tun können: Retteräpfel, Hofläden und Solidarische Landwirtschaft
Jede und jeder von uns kann dazu beitragen, das schädliche System der makellosen Äpfel zu durchbrechen. Wir können bewusst Alternativen wählen: Bio-Äpfel und Streuobst, sogenannte Retteräpfel, die kleine Schönheitsfehler haben, aber geschmacklich voll überzeugen. Die Unterstützung einer Solidarischen Landwirtschaft, bei der sich Produzent:innen und Verbraucher:innen die Verantwortung teilen oder auch den Einkauf über Direktvermarktung und Hofläden.
So fördern wir nicht nur nachhaltige Strukturen, sondern zeigen auch, dass gutes Obst nicht perfekt sein muss.
Um uns ein Bild davon zu machen, wie Äpfel ganz ohne Gifteinsatz angebaut werden können, haben wir eine Streuobstwiese in Niederbayern besucht.
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