Besonders gefährliche Pestizide werden versprüht

Pestizide, die als Substitutionskandidaten eingestuft sind, gelten als besonders gefährlich für die Umwelt und/oder für die menschliche Gesundheit. Das Ziel des in der EU geltenden Substitutionsprinzips ist es, diese bedenklichen Wirkstoffe durch weniger schädliche Alternativen zu ersetzen. Doch dieses Ziel wurde bisher verfehlt. Ein aktueller Bericht der Organisation PAN Europe zeigt, dass sogar das Gegenteil der Fall ist: Europäisches Obst und Gemüse ist zunehmend mit diesen schädlichen Pestiziden belastet. Das ist weiter nicht verwunderlich, wenn das endgültige Ende der Genehmigungen dieser Wirkstoffe immer wieder hinausgeschoben wird.

Im Vorfeld der Abstimmung forderten wir die in Deutschland für die Abstimmungen zuständigen Minister:innen (Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke; beide Bündnis 90/Die Grünen) in einem offenen Brief auf, gegen die Verlängerung zu stimmen – leider ohne Erfolg.

Klapper: Zulassung von Pestizidwirkstoffen in der EU

Für die Anwendung zugelassene Pestizidwirkstoffe werden in der EU regelmäßig einer Neubewertung unterzogen. Dabei werden unter anderem die Risiken eines Wirkstoffs für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt überprüft. Wird nach der Neubewertung eines Wirkstoffs eine Wiederzulassung erteilt, so gilt diese in der Regel für zehn bis 15 Jahre. Erst dann wird der entsprechende Wirkstoff erneut einer Bewertung unterzogen. Bevor eine erneute Zulassung erteilt wird, müssen die Herstellerkonzerne einen Antrag auf Wiederzulassung stellen und im Zuge dessen eine Reihe von Daten bereitstellen, anhand derer beurteilt wird, ob ein Wirkstoff zugelassen werden kann oder nicht. Einen Sonderfall nehmen die sogenannten Substitutionskandidaten ein: Da diese ungünstige Eigenschaften für Umwelt und/oder Gesundheit aufweisen, werden die Genehmigungen für die so eingestuften Wirkstoffe „nur“ für sieben Jahre erteilt.

Allerdings kommt es bei den Neubewertungen regelmäßig zu Verzögerungen, die laut den Behörden nicht die Antragsteller zu verantworten haben. Ist dies der Fall, wird die Genehmigung eines Wirkstoffs in der Regel um ein Jahr verlängert, immer öfter aber auch gleich um mehrere Jahre. Das ist sehr kritisch zu sehen, denn so bleiben Wirkstoffe auf dem Markt, ohne dass die von ihnen ausgehenden Risiken für Mensch und Umwelt geprüft wurden. Neue Erkenntnisse können so nicht berücksichtigt werden. Gerade im Fall der Substitutionskandidaten wären viele Wirkstoffe längst verboten, wenn ihre Genehmigung nicht bereits mehrfach ohne Neubewertung verlängert worden wäre. Die EU-Mitgliedstaaten stimmen gemeinsam darüber, ob Pestizidwirkstoffe zugelassen, Genehmigungen erneuert oder verlängert werden.

Pestizidgenehmigungen: Unsägliche Praxis

Um welche Pestizide geht es?

Genehmigungsverlängerungen wurden vergangene Woche unter anderem für die Substitutionskandidaten Chlorotoluron, Flufenacet, Fludioxonil, Flumetralin und Tebufenpyrad beschlossen.

Chlorotoluron

Das Herbizid wurde bereits 2015 auf die Liste der Substitutionskandidaten gesetzt, weil der Wirkstoff unter Verdacht steht, hormonschädlich zu sein und die Kriterien für die Einstufung als persistenter und toxischer Stoff erfüllt. So gilt das Pestizid als sehr giftig für Wasserorganismen, auch mit langfristiger Wirkung, als vermutlich krebserzeugend und als vermutlich schädlich für das Kind im Mutterleib. Mittel, die Chlorotoluron enthalten, werden als Unkrautvernichter im Ackerbau eingesetzt. Allein im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund 760 Tonnen Chlorotoluron verkauft.

Flufenacet

Das Herbizid verursacht neben seinen Eigenschaften, die zur Einstufung als Substitutionskandidat geführt haben (bioakkumulative und toxische Wirkung) auch Probleme im Grundwasser: Beim Abbau des Wirkstoffs entsteht Trifluoracetat (TFA), das sich kaum aus dem Trinkwasser herausfiltern lässt. In Deutschland wurden schon hohe Konzentrationen im Grundwasser nachgewiesen, was die Trinkwasserversorgungsunternehmen vor Probleme stellt. Die Anwendung eines Mittels, das Flufenacet beinhaltet, wurde darum durch Vorgaben des Umweltbundesamtes (UBA) 2021 beschränkt. Gegen diese Beschränkung gingen die Hersteller des Mittels allerdings vor Gericht. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beschränkungen nicht mit dem EU-Recht vereinbar wären, so dass diese zurückgenommen werden mussten. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BVL), damals noch unter der Aufsicht der ehemaligen Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), weigerte sich trotz Bitte des UBA, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Mittel, die Flufenacet enthalten, werden als Unkrautvernichter im Ackerbau eingesetzt. Allein im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund 834 Tonnen Flufenacet verkauft. Laut Umweltbundesamt hat sich der Absatz des Wirkstoffs seit 2014 verdoppelt, ist 2020 nochmals um 32 Prozent angestiegen und wird somit häufiger eingesetzt als je zuvor.

Der Wirkstoff ist eingestuft als gesundheitsschädlich bei Verschlucken, er kann allergische Hautreaktionen verursachen sowie die Organe bei längerer oder wiederholter Exposition (bei längerem oder wiederholtem Einatmen/Hautkontakt/Verschlucken) schädigen. Außerdem gilt er als sehr giftig für Wasserorganismen, auch mit langfristiger Wirkung.

Gefährliche Pestizide verbieten!

Die Einstufung eines Pestizids als Substitutionskandidat muss ein zeitnahes Verbot nach sich ziehen und keinen jahrelangen Prozess von immer neuen Verzögerungen. So werden die gefährlichen Wirkstoffe ohne umfassende Neubewertung immer weiter eingesetzt. Diese leider gängige Praxis sieht auch das Europäische Parlament kritisch und forderte die EU-Kommission auf, Stoffen die Genehmigung zu entziehen, wenn es Belege dafür gibt, dass diese Stoffe die festgelegten Sicherheitskriterien nicht erfüllen würden oder begründete Zweifel diesbezüglich bestünden. Wir schließen uns dieser Forderung an. Zudem muss die Praxis der systematischen Verzögerung von Pestizid-Verboten durch mehrfach wiederholte Genehmigungsverlängerungen endlich beendet werden. Wenn die Wirkstoffe ordnungsgemäß einer neuen Risikobewertung unterzogen worden wären, wären etliche davon längst nicht mehr im Einsatz – zu groß ist sind die Gefahren, die von ihnen ausgehen.

Wir fordern die Bundesregierung deshalb dazu auf, sich für ein EU-weites Verbot der Substitutionskandidaten einzusetzen und den Einsatz gefährlicher Pestizidwirkstoffe in Deutschland umgehend zu beenden.

*Fälschlicherweise hatten wir in der ersten Fassung dieser Meldung geschrieben, dass die deutsche Bundesregierung für die Verlängerung gestimmt hat.

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