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©Jörg Farys

Ein Abkommen aus dem letzten Jahrtausend

Bereits seit 1999 verhandelt die EU-Kommission mit den vier Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay über eine gigantische gemeinsame Freihandelszone, die mehr als 780 Millionen Menschen betreffen würde. Ende 2023 sollte endlich der große Durchbruch gelingen: Seit zwei Monaten wird beinahe im Wochentakt zwischen den Unterhändler:innen der EU und der Mercosur-Staaten um die Ausgestaltung des Abkommens gerungen.

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva befand sich in den letzten Tagen außerdem auf Verhandlungstour. Er besuchte unter anderem den spanischen Ministerpräsidenten und beriet sich auf der Weltklimakonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Am 3. und 4. Dezember wurden in Berlin Regierungskonsultationen zwischen Brasilien und Deutschland abgehalten.  Nur allzu gerne hätten Kanzler Scholz und der brasilianische Präsident Lula in Berlin die letzten Hindernisse ausgeräumt, damit beim beim Mercosur-Gipfel in Rio de Janeiro der Abschluss des Abkommens hätte verkündet werden können. Mit unserer Unterschriftensammlung und der Anstrahlaktion am Kanzleramt machten wir unterdessen deutlich, dass viele Menschen das Abkommen wegen seiner Gefahren für die Regenwälder, das Klima, die bäuerliche Landwirtschaft und die Menschenrechte ablehnen.

Warum die Eile?

Der Vertragstext des EU-Mercosur-Abkommens ist eigentlich bereits seit 2019 fertig abgestimmt. Verhandelt wird gerade über eine wenige Seiten umfassende Zusatzerklärung, mit der die Kritik an dem Abkommen besänftigt werden soll, die aber kaum juristische Gültigkeit besitzt. Trotzdem gab es in den letzten fünf Jahren wenig Aktivität und kaum Fortschritte bei diesen Verhandlungen. Nun soll jedoch alles ganz schnell gehen. Für diese Eile gibt es vor allem zwei Gründe: Bei den Mercosur-Staaten wechselt der Vorsitz über den Wirtschaftsblock von Brasilien zu Paraguay. Paraguay steht dem Abkommen jedoch äußerst kritisch gegenüber. Zusätzlich haben die Argentinierinnen und Argentinier den rechtsextremen „Anarchokapitalisten“ Javier Milei zum Präsidenten gewählt, der am 10. Dezember vereidigt wird. Ziel der Verhandler:innen war, die Einigung vor dessen Amtseinführung unter Dach und Fach zu bringen.

Widerstand auf beiden Seiten des Atlantiks

Allerdings informierte die scheidende argentinische Regierung Brasilien darüber, dass die Verhandlungen bis zur Amtseinführung der neuen Regierung pausiert werden sollen. Daraufhin sagte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis seine Reise nach Rio de Janeiro ab, wo er am 7. Dezember auf dem Mercosur-Gipfel die Unterzeichnung des Abkommens verkünden wollte. Und als ob das nicht genug wäre, erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron am Rande der Klimakonferenz in Dubai:

„Ich kann von unseren Landwirten, unseren Industriellen in Frankreich und überall sonst in Europa nicht verlangen, dass sie sich um die Dekarbonisierung bemühen, während ich plötzlich alle Zölle abschaffe, um Waren einzuführen, die diesen Regeln nicht unterliegen." 

Emmanuel Macron, französischer Staatspräsident

Ist EU-Mercosur tot?

Wie ein ständiges Mantra wiederholen Bundeskanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Landwirtschaftsminister Özdemir, dass das Abkommen mit dem Mercosur noch abgeschlossen werden könne. Bundeskanzler Scholz spielt hier eine besonders unrühmliche Rolle, denn er möchte die nationalen Parlamente innerhalb der EU vom Entscheidungsprozess ausschließen, um zu verhindern, dass einzelne kritische EU-Länder das Abkommen kippen können. Und die grünen Minister Habeck und Özdemir ignorieren den Beschluss ihres Parteitages, der sich klar gegen das unökologische und unsoziale Abkommen ausgesprochen hat.

Allen Anstrengungen der Verhandler:innen zum Trotz zeigen die Widerstände der Regierungen Paraguays, Argentiniens oder Frankreichs, aber auch die anhaltenden Proteste aus der Zivilgesellschaft auf beiden Seiten des Atlantiks, dass das EU-Mercosur-Abkommen alles andere als ein Selbstläufer ist. Eine Einigung scheint gerade wieder in weite Ferne gerückt. Erste Fachmedien berichteten bereits vom endgültigen „Scheitern“ des Abkommens. Doch sicher ist auch das nicht. Wir bleiben darum wachsam, bis das Abkommen wirklich vom Tisch ist!

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