EU-Mercosur ist Gift für die Agrarwende auf beiden Seiten des Atlantiks. Das Abkommen treibt die Abholzung des Amazonas-Regenwald weiter voran, führt Bäuer:innen in den Ruin und die Verkehrswende gegen die Wand.
Ein Abkommen aus dem letzten Jahrhundert
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay dient Konzerninteressen auf Kosten von Mensch und Natur. Es gehört damit zu einer überholten Handelspolitik des 20. Jahrhunderts, die einer neokolonialen Logik folgt und den Planeten zerstört.
Ein Abkommen aus dem letzten Jahrhundert
Seit 1999 verhandelte die EU gemeinsam mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay das EU-Mercosur-Abkommen. Seitdem hat sich viel verändert. Das Abkommen aber nicht und wirkt damit heute wie aus der Zeit gefallen.
Die Verhandlungen dauerten über 20 Jahre. Trotz des politischen Abschlusses 2019 war die Ratifizierung des Abkommens in weiter Ferne, insbesondere aufgrund der Regierung des rechtsextremen Jair Messia Bolsonaro in Brasilien. Zu diesem Zeitpunkt war die Abholzung im Amazonas-Regenwald auf ein historisches Hoch gestiegen. Doch nach der Wahl des neuen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva atmeten viele Bäuerinnen und Bauern, Menschenrechtsaktivist:innen und Klimaschützer:innen auf. Endlich bestand wieder eine Chance auf den Erhalt des Amazonas, eine verlässliche Partnerschaft in den Bereichen Menschenrechte, Arten- und Klimaschutz sowie auf die Transformation unseres Wirtschaftens. Doch nun droht diese Hoffnung durch den EU-Mercosur-Deal bereits im Keim erstickt zu werden. Denn jetzt soll das Abkommen schnell zum Abschluss gebracht werden.
Besonders skandalös: Weil der Widerstand gegen das Abkommen immer größer wird, versucht die Kommission, durch zwei Tricks das Abkommen schnell zum Abschluss zu bringen. Zum einen strengt sich die Kommission – unter Mithilfe Deutschlands – an, das Abkommen in ein möglichst grünes Licht zu stellen. Dafür wird dem Vertragstext eine Zusatzerklärung – eine Art “Beipackzettel” – angehängt. Leider ist der Text inhaltlich schwach und juristisch kaum durchsetzbar. Der zweite Trick ist demokratiepolitisch ein echtes Problem. Um das Abkommen in Kraft zu setzen, bedarf es wegen seiner politischen Teile Einstimmigkeit unter den EU-Staaten. Einige Länder wie Österreich, Frankreich oder die Niederlande haben jedoch große Bedenken. Daher will die EU-Kommission das Abkommen aufsplitten. So kann der Handelsteil schnell und ohne Einbeziehung der Parlamente in Kraft treten und der politische Teil würde dann vielleicht niemals beschlossen. Das ist unter anderem auch deswegen problematisch, weil sich zum Beispiel Vertragsklauseln zu Menschenrechten überhaupt nur im politischen Teil finden.
Wir fordern: Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur muss gestoppt werden! Eine Zusatzerklärung reicht nicht aus. Die EU-Handelspolitik braucht dringend einen echten Neustart!
Gift für die Agrarwende
Nach Inkrafttreten des Abkommens soll sich der Import von Hühner- und Rindfleisch aus dem Mercosur in die EU verdoppeln. Der Import von Rohrzucker soll gar um das 74-fache ansteigen. Und der Import von Bioethanol soll sich versechsfachen. Grundlage der Berechnungen sind die verhandelten Importquoten und Zollbegünstigungen.
Wozu führt dieser Mehrimport? Er führt auf dem europäischen Markt zu Preisdumping und damit wohldem Sterben weiterer Bauernhöfe. In den beteiligten Staaten Lateinamerikas droht die Vernichtung riesiger zusätzlicher Flächen im Amazonaswald, denn über 60 % der abgeholzten Flächen im Amazonasgebiet gehen auf die Weidehaltung zurück, die für die Exporte nach Europa weiter ausgedehnt werden.
Doch damit nicht genug: Recherchen von Greenpeace zeigen, dass der Export von Pestiziden, die in der EU nicht mehr erlaubt sind dazu führt, dass Mangos, Limetten, Melonen, Papayas, Trauben und Feigen mit hoher Pestizidbelastung aus Brasilien in europäischen Supermärkten landen. Durch die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens wird dieser Teufelskreis weiter angeheizt, denn die Abschaffung der Zölle auf Pestizide wird zu einem noch höheren Einsatz dieser gefährlichen Chemikalien führen. Deswegen wird das Abkommen auch als “Giftvertrag” bezeichnet.
Mobilitätswende ausgebremst
Während der Verhandlungen des Abkommens befragte das damalige Wirtschaftsministerium die deutsche und europäische Autoindustrie nach ihren Wünschen.
Das Ergebnis ist selbstredend, so werden mit dem Inkrafttreten des Abkommens sämtliche Zölle auf Autos, Autoteile, Rohstoffe, sowie Biodiesel abgeschafft. Bereits jetzt exportiert die EU im Automobilbereich achtmal mehr in den Mercosur als andersherum. Durch den Wegfall der Zölle wird der Aufbau einer eigenen Wertschöpfungsinfrastruktur für die Mercosur-Staaten immer schwieriger. Studien warnen deshalb vor massiven Arbeitsplatzverlusten.
Da der Ausbau der E-Mobilität im Mercosur nur schleppend vorankommt, exportiert die EU mit überwiegender Mehrheit Autos und Autoteile, die mit der Verbrennung von Benzin und Diesel betrieben werden. Zudem sieht das EU-Mercosur-Abkommen die gegenseitige Anerkennung der unzureichenden deutschen Abgastests vor – die brasilianischen Bestimmungen sind hier in manchen Bereichen strenger. Außerdem stimmen die Vertragspartner dem Abbau technischer Handelshemmnisse in diesem Bereich zu. Faktisch ist das ein Absenken der jeweils höheren Standards. Damit leistet das Abkommen weiterer Luftverschmutzung Vorschub.
Zudem wird eine EU-Importquote für Bioethanol festgeschrieben. Dieses wird in Brasilien überwiegend aus Zuckerrohr gewonnen, wessen Anbau den Einsatz von Pestiziden und Agrogentechnik, sowie die Abholzung des Regenwaldes zur Folge hat. Dafür werden indigene Bevölkerungsgruppen von ihrem angestammten Land vertrieben. So trägt der „Biosprit“ zu Menschenrechtsverletzungen und Naturzerstörung bei.
Raubbau an Mensch und Natur
Ob Kaolin, Eisenerz, Silber oder Erdöl – die Mercosur-Staaten gehören für die EU zu den wichtigsten Rohstofflieferanten. Ein erklärtes Ziel der EU ist es daher, mögliche Exportbeschränkungen durch die Mercosur-Staaten zu verhindern und die noch bestehenden Zölle grundlegend abzuschaffen. Vor allem die deutsche Industrie profitiert beispielsweise von dem billigen Eisenerz, für dessen Abbau und Verhüttung Unmengen an Tropenholz vernichtet werden.
Doch auch für die Menschen im Mercosur hat der Rohstoffhunger der EU dramatische Folgen. Während die Verletzung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Tagesordnung gehört, enthält das Abkommen keinerlei wirksame Mechanismen zur Verantwortung von Unternehmen. So ist lediglich von der Unterstützung der internationalen Leitlinie zur Unternehmensverantwortung der Vereinten Nationen, der OECD und der internationalen Arbeitsstandards der ILO die Rede. Verstöße gegen diese oder andere internationale Abkommen zum Schutz von Mensch und Umwelt bleiben absichtlich ohne Folgen. Somit manifestiert das Abkommen die schlechte Ausgangssituation für Arbeiter:innen und Natur. Gleichzeitig lässt es durch das Verbot von Schutzzöllen, Exportabgaben und Importquoten in die EU Landkonflikte und humanitäre Krisen eskalieren.
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