das Insektenschutzgesetz sollte verhindern, dass Insekten gefährdende Pestizide in Schutzgebieten ausgebracht werden.

Das seit September 2021 bundesweit gültige Gesetzespaket zum Insektenschutz regelt, dass bestimmte Pestizide etwa in Naturschutzgebieten, Nationalparks und gesetzlich geschützten Biotopen nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Doch das NRW-Agrarministerium verwässerte diesen verbesserten Insektenschutz gleich wieder und reagierte auf die neuen Regeln mit einem Erlass, der großzügige Ausnahmen erlaubt: In NRW können demnach Landwirte, die mehr als 30 Prozent ihrer Ackerflächen in Schutzgebieten bewirtschaften, einfach und rasch Ausnahmezulassungen von der zuständigen Landwirtschaftskammer erhalten.

Diese Ausnahmen ermöglichen, dass weiterhin Pestizide zum Einsatz kommen, die etwa als gefährlich für Bienen und andere Bestäuber gelten. Wirtschaftliche Interessen werden ohne genauere behördliche Prüfung über den Schutz der biologischen Vielfalt gestellt. Angesichts des alarmierenden Insektensterbens ist dieses Vorgehen unverantwortlich.

Rechtsgutachten: Erlass nicht mit Insektenschutzgesetz vereinbar

Im Auftrag des Umweltinstituts erstellte die Anwaltskanzlei GGSC ein Rechtsgutachten zu dem Erlass aus NRW. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die in NRW getroffene Ausnahmeregelung nicht rechtmäßig ist.

Das Insektenschutzgesetz, genauer die Änderung in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, sieht vor, dass ausnahmsweise ein ansonsten verbotener Pestizideinsatz erlaubt werden kann, wenn so ein „erheblicher wirtschaftlicher Schaden“ abgewendet wird. Dem NRW-Erlass zufolge ist jedoch schon eine Ausnahme möglich, wenn 30 Prozent der bewirtschafteten Ackerfläche eines Betriebs in einem Schutzgebiet liegt. Ausnahmezulassungen auf Grundlage des 30-Prozent-Kriteriums sind rechtswidrig, denn die 30-Prozent-Schwelle sei als Kriterium für den „erheblichen wirtschaftlichen Schaden“ ungeeignet, so das Gutachten.

Der Erlass läuft darauf hinaus, schon allein die Lage von Ackerflächen in einem Schutzgebiet als Schaden einzustufen. Ob durch das Anwendungsverbot wirklich ein wirtschaftlicher Schaden droht, müsste jedoch im Einzelfall geprüft werden. Welche Bewirtschaftung ist im Schutzgebiet geplant? Ist dafür wirklich der Einsatz von Pestiziden notwendig, die an sich im Schutzgebiet verboten sind? Dem NRW-Erlass zufolge müssen Landwirte keine Angaben zur Anbauplanung machen, oder ob ein Pestizideinsatz erforderlich ist und wie hoch der Schaden ist.

Darüber hinaus sieht das Gutachten in den Zulassungen ein Abwägungsdefizit: Berücksichtigt wird nur der wirtschaftliche Schaden der Landwirtinnen, ohne abzuwägen, was ein Einsatz der Pestizide für die Umwelt bedeuten würde. „Unser Fazit lautet: Dieser Erlass läuft auf eine schematische und rechtswidrige Vollzugspraxis hinaus, die das gerade ausgeweitete Pestizid-Anwendungsverbot in Schutzgebieten systematisch zu unterlaufen droht“, sagt Rechtsanwalt Achim Willand, der das Gutachten verfasst hat.

Vor diesem Hintergrund fordern wir die nordrhein-westfälische Agrarministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) in einem offenen Brief dazu auf, die rechtswidrige Ausnahmeregelung umgehend zurückzunehmen und damit zu verhindern, dass in nordrhein-westfälischen Naturschutzgebieten verbotene Pestizide weiter eingesetzt werden.

Weiterführende Links:
> Offener Brief an Agrarministerin Ursula Heinen-Esser
> Rechtsgutachten: Ausnahmen vom PSM-Anwendungsverbot in Schutzgebieten/Vollzugsleitlinien in NRW

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