Sonderrechte für Konzerne? Nein Danke!
Private Schiedsgerichte sind Teil von CETA, dem Energiecharta-Vertrag, EU-Abkommen mit Chile, Mexico, Japan und über 2.650 weiteren der ca. 3.000 multi- und bilateralen Investitionsschutzabkommen. Weltweit sorgen sie dafür, dass Regierungen davor zurückschrecken, Politik im Sinne von Mensch und Umwelt zu machen, oder Milliarden-Strafen dafür bezahlen müssen.
ISDS-Paralleljustiz untergräbt Demokratie und Rechtsstaat
Deutschland ist nicht nur das erste Land, welches ein bilaterales Investitionsabkommen unterzeichnete (1959 mit Pakistan), sondern auch die meisten BITs weltweit am Laufen hatte (zwischenzeitlich über 130 Stück). Diese Abkommen erlauben es, politische Beschlüsse als "indirekte Enteignung" zu interpretieren, wenn sie die Gewinne aus Investitionen schmälern. Internationale Konzerne können so Schadensersatz verlangen. Die Klagen werden dabei häufig vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) verhandelt, einer außerstaatlichen Einrichtung der Weltbank in Washington.
Wir fordern: Streitigkeiten zwischen Investoren und Regierungen müssen vor ordentlichen Gerichten ausgetragen werden. Eine Paralleljustiz mit exklusiven Sonderklagerechten für Investoren akzeptieren wir nicht!
Es ist für den Deutschen Richterbund nicht nachvollziehbar, warum ein Handelsvertrag zwischen Partnern mit demokratischen Regierungen und einer funktionierenden Justiz, (...), besondere Regelungen für Investorenschutz bedarf, die materiell-rechtlich an den Parlamenten vorbei durch ein Sondergericht aufgestellt und durchgesetzt werden sollen. Dies gilt auch für Abkommen mit Rechtsstaaten außerhalb der EU wie z.B. Kanada.
Sogar die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) mahnt in Anbetracht einer steigenden Zahl von Investorenklagen aus dem Sektor fossile Energien eine unverzügliche Reform dieses Investitionsschutzsystems an. Was die ISDS-Klagerechte vor dem Hintergrund des sich schließenden Zeitfensters zur Bewältigung der Klimakrise besonders gefährlich macht, ist ihre schiere Unkündbarkeit. Denn die Bestimmungen der Investitionskapitel haben fast alle eine 20-jährige Gültigkeit ab Kündigung.
Wer also heute in LNG Terminals, Teersandöl und andere fossile Energiequellen investiert, könnte nach der endgültigen Ratifizierung von CETA und anderen Investitionsschutzabkommen mit ISDS, bzw. ICS den Ausstieg aus fossilen Energien noch viele Jahre durch Entschädigungsklagen verzögern und/oder sich von Staaten vergolden lassen. Egal ob ISDS, ICS oder MIC und unabhängig davon, ob es ein Berufungsverfahren oder einen multilateralen Gerichtshof gibt oder nicht: Diese Formen des Investitionsschutzes schaffen Sonderrechte für international agierende Konzerne. Sie geben ihnen eine scharfe Waffe, um ihre Profitinteressen gegen die Demokratie durchzusetzen. Dabei haben unzählige Untersuchungen aufgezeigt, dass es für Firmen, die in einem Land investieren wollen, nicht entscheidend ist, ob dieses solch einen Vertrag ratifiziert hat. Im Umkehrschluss gibt es keine Belege, dass Investitionsschutzverträge der alten Art Investitionen besonders ankurbeln.
Sind private Schiedsgerichte ein Auslaufmodell?
Die letzten zehn Jahre der EU-Investitionsabkommen sind keine Erfolgsgeschichte. Als 2015 hunderttausende Menschen gegen TTIP auf die Straße gingen, wurde unsere Kritik am System der Investitionsschutzabkommen breit diskutiert. Infolge des Scheiterns von TTIP war die EU-Kommission gezwungen, eine Reform von ISDS anzustoßen. 2018 folgte das historische Achmea-Urteil, das einer Generalabrechnung des Europäischen Gerichtshofs mit Schiedsgerichtsverfahren glich. Nachdem die Slowakei ihr Gesundheitswesen liberalisiert hatte, wurde sie von der Achmea Holding zu einem Schadensersatz von 22,1 Millionen Euro verklagt. Sie hatte mit dem Verkauf von privaten Krankenversicherungen ihr Geschäft gemacht. In einem Urteil vom März 2018 stellte der EuGH fest, dass bilaterale Investitionsschutzabkommen innerhalb der EU-Staaten nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind. Demnach seien nationale Gerichte sowie der EuGH selbst für Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten innerhalb der EU zuständig und keine privaten Schiedsgerichte. Als Folge wurde das Übereinkommen zur Beendigung der bilateralen Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten am 5. Mai 2020 beschlossen. In diesem Zuge werden und wurden sämtliche deutsche bilaterale Investitionsschutzverträge mit anderen EU-Ländern gekündigt. Im September 2021 legte der EuGH nach. Er erklärte, dass auch Schiedsverfahren auf Grundlage der Energiecharta innerhalb der EU illegal sind. Damit sind Klagen zwischen EU-Mitgliedsstaaten auf Grundlage bilateraler oder multilateraler Investitionsabkommen innerhalb der EU illegal und somit nicht vollstreckbar. Das Problem: Leider interessiert das weder die Investoren, noch die Schiedsgerichte. Die Verhandlungen werden weitergeführt. Vollstreckt werden die Urteile dann außerhalb der EU werden, zum Beispiel durch Pfändungen. Doch statt endlich einen Schlussstrich zu ziehen, arbeitet die EU unter enormen Lobbyeinfluss mit Hochdruck an einem neuen Schiedsgerichtshof. Extra für die EU, mit den gleichen Problemen wie ISDS, aber möglicherweise rechtens.
Gemeinsam erteilen wir privaten Schiedsgerichten eine Absage!
Jetzt gilt es, nicht locker zu lassen. Mit unseren Kampagnen haben wir erreicht, dass das Thema immer bekannter und ISDS immer unbeliebter wird. Nur mit Ihrer Unterstützung können wir weitere Gutachten beauftragen, Klagen anstreben und für Aufklärung sorgen.