Energiecharta-Vertrag:
Wann steigt Deutschland aus?
Einem Bericht des Handelsblatts zufolge plante der französische Präsident Emmanuel Macron, gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz den Ausstieg aus dem umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT) zu verkünden. Das anhaltende Zaudern der Bundesregierung führte nach Angaben des Handelsblatts jedoch dazu, dass Frankreich den Ausstieg unilateral verkündete. Das Umweltinstitut München fordert: Deutschland muss endlich nachziehen und umgehend aus dem Energiecharta-Vertrag austreten.
Dazu erklärt Ludwig Essig, Referent für Handelspolitik am Umweltinstitut: „Es ist höchste Zeit, dass Deutschland aus dem Energiecharta-Vertrag aussteigt. Nachdem Italien bereits 2016 den ECT verlassen hat, kündigten jetzt Polen, Spanien, die Niederlande und Frankreich ihren Austritt an. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Der Energiecharta-Vertrag blockiert die Energiewende, behindert wirksamen Klimaschutz und kann Deutschland Milliarden an Steuergeldern kosten. Olaf Scholz muss jetzt endlich Haltung als ‚Klimakanzler‘ zeigen und den deutschen Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag veranlassen.“
Der Energiecharta-Vertrag (ECT) ist ein dreißig Jahre alter Vertrag, der Europas Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas zementiert. Er ermöglicht fossilen Konzernen, gegen die Energiewende zu klagen und schränkt damit den Handlungsspielraum der Regierungen ein. Das Umweltinstitut fordert, dass die Bundesregierung sofort aus dem ECT aussteigt und im EU-Rat gegen die Ratifizierung des modernisierten Vertragstextes stimmt.
Klimakiller ECT
Welche Folgen der ECT haben kann, zeigt das Beispiel Italien: Am 24. August wurde Italien von einem privaten Schiedsgericht zur Zahlung von mehr als 250 Millionen Euro an das Öl- und Gasunternehmen Rockhopper Explorations verurteilt. Das Land hatte 2015 Ölbohrungen in Gewässern vor der Küste verboten. Die Klage war nur aufgrund der sogenannten Sunset-, oder Zombie-Klausel möglich. Denn Italien war bereits 2016 aus dem Vertrag ausgestiegen. Doch dank dieser Klausel sind Klagen noch 20 Jahre nach dem offiziellen Ausstieg in Bezug auf bis dahin getätigte Investitionen möglich. Das Urteil erfolgte nur wenige Wochen, nachdem sich die Vertragsstaaten auf einen leicht modernisierten Vertragsentwurf zum ECT geeinigt hatten. Bereits vor dem Start der Modernisierungsverhandlungen kritisierte das Umweltinstitut diese als kosmetische Behandlung. In einem Briefing legte das Umweltinstitut dar, dass auch der modernisierte Vertragstext eine Gefahr für die Energiewende darstellt. Bereits seit vielen Jahren setzt sich das Umweltinstitut München gegen diese Paralleljustiz ein. So konnte schon 2018 mit einem Rechtsgutachten nachgewiesen werden, dass Investitionsschutzklagen innerhalb der EU gegen europäisches Recht verstoßen. 2021 urteilte dann der Europäische Gerichtshof: Die Schiedsgerichtsklausel des ECT ist in innereuropäischen Verfahren illegal.
Kürzlich veröffentlichte das Umweltinstitut ein Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass der ECT ist nicht nur klimaschädlich und teuer ist, sondern auch gegen Unionsrecht verstößt. Auch die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen kann dem Gutachten zufolge wirksam angefochten werden.