Pestizide in der Luft:
Ackergifte im Schutzgebiet Schorfheide-Chorin gefunden
Noch im Juni verhandelt der Brandenburger Landtag darüber, ob die Gesetze zum Einsatz von Pestiziden in Schutzgebieten deutlich verschärft werden. Eine Untersuchung des Umweltinstituts München zeigt jetzt, dass dies dringend notwendig ist: In Schutzgebieten des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin wurden Rückstände gefährlicher Ackergifte nachgewiesen, darunter auch ein Abbauprodukt des längst verbotenen Insektengifts DDT. Vier der insgesamt neun im Schutzgebiet und den angrenzenden Flächen nachgewiesenen Wirkstoffe sind so schädlich, dass sie nach Plänen der EU perspektivisch durch weniger giftige Mittel ersetzt werden sollen. Das Umweltinstitut fordert, den Einsatz von Ackergiften in Schutzgebieten ausnahmslos zu verbieten und pestizidfreie Pufferzonen zu landwirtschaftlichen Flächen auszuweisen. Pestizide gelten als eine der wichtigsten Ursachen für das dramatische Insektensterben.
Dass sich Ackergifte kilometerweit durch die Luft verbreiten, hat eine deutschlandweite Studie bereits belegt. Auch im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in den brandenburgischen Landkreisen Uckermark und Barnim hat eine Untersuchung des Umweltinstituts nun Rückstände von Pestiziden nachgewiesen. Das Biosphärenreservat beheimatet streng geschützte und artenreiche Lebensräume.
An allen vier Messpunkten in und um das Biosphärenreservat wurden 2018 und 2019 über das Jahr hinweg Rückstände von Pestiziden gefunden. Die Auswertung der Funde ergab: In der Nähe intensiv bewirtschafteter Flächen außerhalb des Biosphärenreservats war die Belastung erheblich höher als in der Kernzone des Schutzgebiets. Doch selbst dort, fernab jeder konventionellen Landwirtschaft, fanden sich Rückstände von Ackergiften in der Luft.
Mit den Herbiziden Flufenacet und Terbuthylazin wurden zwei besonders bedenkliche Wirkstoffe an allen Standorten nachgewiesen: Da diese Stoffe das Grundwasser gefährden, dürfen diese nur noch unter bestimmten Auflagen verwendet werden. Für Flufenacet wurden diese Auflagen 2021 allerdings gerichtlich wieder aufgehoben*. Auffällig ist, dass von neun nachgewiesenen Pestizidwirkstoffen vier so gefährlich sind, dass die EU sie durch weniger riskante Stoffe ersetzen möchte, sie sind sogenannte Substitutionskandidaten. Es handelt sich dabei um die Herbizide Aclonifen, Chlortoluron, Diflufenican und Flufenacet. Das ebenfalls nachgewiesene Mittel Metazachlor gilt als vermutlich krebserregend sowie als gefährlich für Gewässer und Wasserorganismen. Wie lange manche Stoffe in der Natur verbleiben, zeigen die Funde von DDT und seinem Abbauprodukt DDE. DDE war zum Zeitpunkt der Untersuchung an drei von vier Messpunkten nachweisbar, DDT an zweien – und das fast 30 Jahre nach dem endgültigen Verbot des Insektizids in der ehemaligen DDR.
Der Brandenburger Landtag diskutiert derzeit einen Gesetzesentwurf, der den Einsatz von Pestiziden in Naturschutz- und FFH-Gebieten sowie an Gewässerrandstreifen verbieten soll. Vielen Menschen in Brandenburg ist die Artenvielfalt im Land ein großes Anliegen: Der Gesetzesvorschlag ist ein Ergebnis der erfolgreichen Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“, die sich dafür einsetzt, dass Brandenburgs einzigartige Kulturlandschaft geschützt und naturnahe Landwirtschaft stärker gefördert wird.
Sophia Guttenberger, Referentin für Landwirtschaft im Umweltinstitut München: “Mit unserer Untersuchung konnten wir Pestizidwirkstoffe in einer Kernzone des Biosphärenreservats nachweisen. Die Natur sollte an solchen Orten vor menschlichen Eingriffen geschützt sein, um die Artenvielfalt zu erhalten. Die Politik muss sofort Maßnahmen ergreifen, um diesen Schutz zu gewährleisten: Das Ausbringen von Pestiziden in Schutzgebieten muss grundsätzlich verboten werden”, fordert Guttenberger. “Zusätzlich könnten pestizidfreie Pufferzonen rund um Schutzgebiete dafür sorgen, dass die gefährlichen Wirkstoffe über die Luft weniger weit in sensible Lebensräume eindringen. Angesichts des großen Schadens, den Pestizide in der Natur anrichten, halten wir es langfristig zudem für dringend geboten, dass die EU den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide bis 2035 schrittweise beendet und die Landwirt:innen bei der Umstellung auf Ökolandbau unterstützt – so wie es EU-weit mehr als 1,2 Millionen Menschen mit der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ fordern”, so Guttenberger weiter.
Für die Untersuchung wurden von September 2018 bis September 2019 im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin sowie auf direkt daran angrenzende Flächen Pestizide in der Luft gemessen. Die Daten wurden mit Hilfe von Passivsammlern erhoben. Untersucht wurden vier Standorte: Zwei in unmittelbarer Umgebung des Biosphärenreservats, zwei innerhalb des Biosphärenreservats.