Angriff auf die Zivilgesellschaft: Union attackiert NGOs
Friedrich Merz ist noch nicht Kanzler, aber er bläst bereits zum Frontalangriff auf Vereine und Organisationen, die er für seine Gegner hält: Die CDU/CSU-Fraktion hat im Bundestag eine parlamentarische Anfrage mit 551 Fragen zu Umweltverbänden, journalistischen Recherchenetzwerken und Vereinen gegen Rechtsextremismus gestellt.
Fabian Holzheid · Lesezeit: 2,5 Minuten
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Die Stoßrichtung der Fragen ist klar: Die Legitimität von kritischen Nichtregierungsorganisationen soll infrage gestellt werden. Im Begleittext zur Anfrage schreibt die Union: „Manche Stimmen sehen in den NGOs eine Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“. Als „Beleg“ dient unter anderem ein Meinungstext aus dem Springer-Medium „Welt“. Damit nährt die CDU mehr oder weniger unumwunden die in rechten Kreisen sehr beliebte Verschwörungserzählung eines „tiefen Staats“, in dem NGOs mit staatlichen Mitteln die Bevölkerung im Sinne bestimmter Parteien manipulieren.
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Rache für die Rechtsruck-Demos
Noch dazu handelt es sich bei den Zielen der Anfrage um eben die Organisationen, die die CDU seit Ende Januar für die parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD hart kritisiert haben. Der Gedanke liegt nahe, dass es sich um einen Rachefeldzug gegen vermeintliche politische Gegner handelt. Statt die Kritik und die Demonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmer:innen als Denkanstoß und Gesprächsangebot wahrzunehmen, wie man es von einem Demokraten erwarten kann, schlägt Friedrich Merz um sich. Doch es handelt sich nicht nur um einen spontanen Wutanfall über das Verhalten der Zivilgesellschaft (was an sich schon schlimm genug wäre): Friedrich Merz‘ Haltung zu NGOs ist schon seit Jahren hochproblematisch. Bereits im letzten Bundestags-Wahlkampf 2021 schmähte er unter anderen Greenpeace und den Naturschutzbund NABU als „Vorfeldorganisationen der Grünen“. Er warf ihnen vor, „gegen demokratische Prozesse in den Parlamenten“ und „soziale Marktwirtschaft“ zu sein. Damals ruderte er noch halbherzig zurück. Heute ist klar, dass das kein Ausrutscher war.
Weltweiter Trend
In nahezu allen Demokratien gerät die Zivilgesellschaft gerade unter Druck – je autoritärer die Politikerinnen und Politiker denken, desto mehr stören Nichtregierungsorganisationen, die den Finger in die Wunde legen, Skandale aufdecken und Protest organisieren. Kein Wunder, dass Rechtsextreme wie Björn Höcke davon träumen, die „Zivilgesellschaft trockenzulegen“. Auch der Kampf von Donald Trump gegen die amerikanische Zivilgesellschaft spricht Bände über deren Einstellung zu demokratischer Teilhabe.
Wie ein echter Feldzug gegen die Zivilgesellschaft aussieht, kann man am Beispiel Ungarns sehen: Als Viktor Orbán seine zweite Amtszeit begann, wurde das Umweltministerium abgewickelt und in das Landwirtschaftsministerium integriert. Eine ganze Reihe von Fake-NGOs übernahm die staatliche Förderung, womit die eigentlich kritischen Organisationen ausgetrocknet wurden. In der Berichterstattung der ebenfalls auf Linie gebrachten Medien kommen Umweltschutzorganisationen kaum noch vor.
Die Union auf gefährlichem Kurs
Dass die Union sich im Bundestag wie auch im EU-Parlament nicht zu schade ist, die Methoden der Rechtspopulisten zu übernehmen und unliebsamen Protest lieber abwürgen statt ernst nehmen würde, beunruhigt uns zutiefst. Stellen wir uns einmal das umgekehrte Vorgehen vor: Was wäre in Deutschland passiert, hätte die Ampelregierung als Antwort auf die Bauernproteste dem Bauernverband sämtliche Projektgelder oder Subventionen gestrichen?
Die Union eröffnet nach dem Flirt mit der AfD nun noch eine Front gegen die demokratische Mitbestimmung und die Zivilgesellschaft. Dieser Kurs ist brandgefährlich, weil es gerade die Union ist, der bei der Verteidigung der Demokratie gegen ihre Gegnerinnen und Gegner eine zentrale Rolle zukommt.
Engagiert euch!
Die Zivilgesellschaft steht unter Beschuss – jetzt ist der Moment, sie zu verteidigen. Bitte stärken Sie den gemeinnützigen Organisationen Ihres Vertrauens den Rücken, setzen Sie sich in Vereinen und Initiativen für eine lebendige Demokratie ein und vor allem: Konfrontieren Sie Politikerinnen und Politiker der Union mit dem Thema! Es ist für die Union noch nicht zu spät, von ihrem gefährlichen Kurs abzurücken und ihre rechtsautoritären Tendenzen zu beerdigen.