Justizministerin plant Gesetz gegen Einschüchterungsklagen
Als wir 2017 erstmals öffentlich über den massiven Pestizideinsatz im Südtiroler Apfelanbau berichteten, wollten wir aufklären – nicht vor Gericht landen. Doch genau das geschah: Weil wir den Pestizideinsatz kritisierten, wurden wir verklagt. Fünf Jahre lang dauerte der sogenannte Südtiroler Pestizidprozess – ein klassischer SLAPP, also eine strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung. Solche Einschüchterungsklagen gefährden die Meinungsfreiheit und damit unsere Demokratie. Jetzt könnte sich endlich etwas ändern: Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat einen Entwurf für ein Anti-SLAPP-Gesetz vorgelegt.
Veronika Feicht · Lesezeit: 3 Minuten
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Erster Erfolg: Die EU wird gegen SLAPPs aktiv
Weil diese Form des Rechtsmissbrauchs in den letzten Jahren in Europa zunehmend Schule gemacht hat, gründete sich die Coalition against SLAPPs in Europe (CASE), der wir uns 2021 anschlossen. Gemeinsam mit CASE kämpften wir für ein europäisches Anti-SLAPP-Gesetz, das Betroffene – Nichtregierungsorganisationen wie uns, aber zum Beispiel auch Aktivist:innen, Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen von Gewerkschaften – wirksam vor SLAPPs schützen sollte. Und wir hatten Erfolg: Letztes Jahr verabschiedete das EU-Parlament eine europäische Anti-SLAPP-Richtlinie.
Diese Richtlinie gilt allerdings nicht unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU, sondern muss von den einzelnen Ländern in nationales Recht überführt werden – mit einem gewissen Spielraum bei der konkreten Ausgestaltung. Gemeinsam mit unseren Verbündeten wandten wir uns also immer wieder an die deutsche Bundesregierung und forderten möglichst umfassende gesetzliche Maßnahmen zum Schutz von SLAPP-Betroffenen in Deutschland. Warum diese dringend nötig waren, untermauerte im März diesen Jahres eine Studie über die SLAPP-Problematik speziell in Deutschland, die wir gemeinsam mit der Otto-Brenner-Stiftung, der Gesellschaft für Freiheitsrechte und der Journalist:innen-Union in ver.di veröffentlichten.
Endlich: Deutschland plant Gesetz gegen SLAPPs
Nun hat Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) endlich einen Entwurf für das lang erwartete Gesetz vorgelegt. „Kritische Berichterstattung, wissenschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement sind für unsere Demokratie elementar. Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Stimmen mit missbräuchlichen Klagen unterdrückt werden – nur weil sie Einzelnen nicht passen“, so die Justizministerin.
Das zeigt: Beharrlichkeit wirkt. Wenn der Entwurf Kabinett und Bundestag passiert, gäbe es in Deutschland erstmals einen verbindlichen rechtlichen Schutz vor SLAPPs – ein großartiger Erfolg!
So bewerten wir den Gesetzesentwurf im Detail:
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Frühzeitige Abweisung Gerichte sollen SLAPP-Klagen frühzeitig abweisen können. Das würde den Betroffenen von vornherein jahrelange zermürbende und teure Gerichtsprozesse ersparen.
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Kostenübernahme Sollten die Kläger:innen vor Gericht verlieren, so müssten sie in deutlich höherem Umfang als bisher für die Kosten der Gegenpartei aufkommen.
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Strafgebühren Gerichte sollen SLAPP-Kläger:innen mit einer Strafgebühr sanktionieren können.
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Nicht nur grenzüberschreitende Fälle Das deutsche Gesetz soll über die EU-Vorgaben hinausgehen: So sollen die neuen Regeln in Deutschland nicht nur für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten gelten, sondern auch für rein innerdeutsche Fälle.
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Außergerichtlicher Bereich fehlt Das Gesetz würde sich nur auf Fälle beziehen, in denen tatsächlich Klage erhoben wird. Die reine Androhung einer Klage oder das Verschicken von Abmahnungen wäre weiterhin ohne rechtliche Konsequenzen möglich – obwohl auch die reine Drohung juristischer Schritte erwiesenermaßen Menschen einschüchtert und von öffentlicher Beteiligung abschreckt, wie auch unsere Studie gezeigt hat.
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Unser Fazit Obwohl wir besonders im Hinblick auf den außergerichtlichen Bereich, also die reine Androhung von juristischen Schritten, einigen Verbesserungsbedarf sehen, begrüßen wir den Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium grundsätzlich. Denn er sieht vor, SLAPPs teuer zu machen und Betroffene auch finanziell zu entlasten. Das sind wichtige Schritte, um einem SLAPP seine Schärfe zu nehmen und diejenigen abzuschrecken, die auf diesem Weg unerwünschte Kritik unterdrücken wollen.
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