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Kommunen haben starke Rechte

Die Mehrheit der Kommunen in Deutschland muss die kommunale Wärmeplanung noch durchführen. Hierbei müssen sie auch prüfen, ob eine Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff die kosteneffizienteste Art der klimaneutralen Wärmeversorgung sein wird. Unser Gutachten stellt fest: Kommunen können sich rechtssicher und mit wenig Aufwand gegen Wasserstoff zum Heizen und gegen die Umstellung des örtlichen Gasnetzes auf Wasserstoff für Haushaltskunden entscheiden. Eine gezielte Versorgung der örtlichen Industrie mit Wasserstoff ist trotzdem möglich.

Damit die Kommunen diese guten Nachrichten auch erfahren, haben wir ein  Informationsschreiben zum Rechtsgutachten an über 7.000 Kommunen und Kommunalverbände geschickt.

Über das Rechtsgutachten

Wir haben die  gutachterliche Stellungnahme zur Wasserstoffnetzausbauplanung zusammen mit den Umweltverbänden Deutsche Umwelthilfe, WWF, German Zero und dem Klima-Bündnis beauftragt und mit einer  Pressemitteilung veröffentlicht. Die Anwälte Victor Görlich und Dr. Dirk Legler untersuchten das Anfang des Jahres verabschiedete Wärmeplanungsgesetz und die einschlägigen Abschnitte des Gebäudeenergiegesetzes auf die Handlungsspielräume der Kommunen bei der Bewertung von Wasserstoff im Zuge der kommunalen Wärmeplanung, insbesondere zur Versorgung von Haushalten an einem bestehenden Gasverteilnetz.

Hintergrund: Wasserstoff in der Energiewende

Wir lehnen eine Planung mit Wasserstoff zum Heizen ab, da er für eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2045 leider nicht verfügbar sein wird. Wer auf Wasserstoff zum Heizen setzt, fördert stattdessen weiterhin die Verbrennung von fossilem Erdgas in Gasthermen und bringt die Verbraucher in eine Kostenfalle. Wasserstoff ist in der Herstellung zu energieintensiv, zu teuer und wird schlichtweg nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Insbesondere für Gebäude gibt es energieeffizientere und kostengünstigere Alternativen.

Online-Seminar für Kommunen

Am 25.06.2024 wurden die Ergebnisse des Gutachtens im Rahmen eines Online-Seminars für Politiker:innen und Verwaltungsmitarbeitende vorgestellt: Die Anwälte Victor Görlich und Dr. Dirk Legler der renommierten Umweltrechts-Kanzlei Günther – die Verfasser des Gutachtens – erklärten welche Rechte, Pflichten und Handlungsspielräume Kommunen bei der Bewertung von Wasserstoff im Zuge der kommunalen Wärmeplanung haben, insbesondere zur Versorgung von Haushalten und Gewerbe an einem bestehenden Gasverteilnetz. Darüber hinaus erläuterte Dr. Volker Kienzlen, Geschäftsführer der Klimaschutz- und Energieagentur Baden Württemberg (Landesenergieagentur), in einer Keynote, warum der Gebäudewärmesektor kein sinnvoller Anwendungsfall für Wasserstoff ist und berichtete von den Erfahrungen mit den vielen bereits fertig gestellten Wärmeplänen in seinem Bundesland. Die Veranstaltung wurde nicht aufgezeichnet, die Folien der Vortragenden stehen im Folgenden zum Download zur Verfügung.

Downloads

Fragen und Antworten zum Rechtsgutachten „Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung“

Die Fragen und Antworten haben wir im Anschluss an unser Webinar vom 25. 06. 2024 zusammengestellt, bei dem das Rechtsgutachten zu Wasserstoffnetzen in der Wärmeplanung präsentiert wurde. Bei den Antworten handelt es sich um Einschätzungen und Empfehlungen der beauftragenden Organisationen auf der Basis des Rechtsgutachtens, nicht um Stellungnahmen der Rechtsanwälte.

Welche Anforderungen muss der Fahrplan zur Umstellung des Gasverteilnetzes auf Wasserstoff nach § 71k GEG erfüllen?

Der Fahrplan zur Umstellung der Gasinfrastruktur auf eine vollständige Versorgung mit Wasserstoff bis Ende 2044 ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Kommune und dem Gasverteilnetzbetreiber, der seine Gültigkeit von der Bundesnetzagentur genehmigt werden muss. Der Netzbetreiber plant rechtlich bindend

  • die technischen und zeitlichen Schritte der Umstellung der Infrastruktur und des
    Hochlaufs auf Wasserstoff,
  • die Zwischenziele 2035 und 2040 der Umstellung von Netzteilen in Einklang mit
    den Klimaschutzzielen des Bundes,
  • die Finanzierung der Umstellung des Gasverteilnetzes, insbesondere wer die
    Kosten der Umrüstungen und des Austauschs der nicht umrüstbaren Verbrauchsgeräte
    tragen soll, sowie die Finanzierung in Hinblick auf eine tatsächlich mögliche
    Wasserstofflieferung durch das Fernleitungsnetz oder eine örtliche Erzeugung,
  • einen Investitionsplan mit zwei- bis drei jährlichen Meilensteinen.

Er verpflichtet sich zudem, den Gebäudeeigentümer:innen die anfallenden Mehrkosten zu erstatten, falls die Umstellung auf Wasserstoff scheitert. Die Bundesnetzagentur überprüft die (voraussichtliche) Einhaltung des Fahrplans alle drei Jahre.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) legt zu Ende 2024 fest, in welcher Form und mit welchen Belegen der Fahrplan vorgelegt werden muss. Jeder Fahrplan muss seitens der BNetzA genehmigt werden. Dabei wird die Einhaltung der Kriterien die Basis der Bewertung.
Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/geg/__71k.html

Wie kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass eine umfassende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einer Wasserstoffnetzversorgung ohne einen Fahrplan nach § 71k GEG für Kommunen nicht möglich ist?

Die Umrüstung der Gasverteilnetze auf Wasserstoff und die Versorgung mit Wasserstoff haben aufgrund der Neuheit und verschiedener Unwägbarkeiten – wie etwa die Kosten des Wasserstoffbezugs oder die Kosten des Netzumbaus – noch viele unbekannte wirtschaftliche Faktoren. Nur die konkreten technischen und finanziellen Planungen des Gasverteilnetzbetreibers im Rahmen der Erstellung eines Fahrplans können die wirtschaftlichen Kennzahlen verbindlich liefern, um eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung entsprechend des Gesetzes durchzuführen.
Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geht davon aus, dass eine Versorgung
privater Verbraucher:innen (etwa Haushalte) oder auch kleinerer Gewerbe durch Wasserstoff flächen-
deckend wenig wahrscheinlich ist. Dies ist ein weiterer Anlass zu bezweifeln, ob eine Wärmeversorgung vor Ort durch Wasserstoff sichergestellt werden kann. Ohne einen Fahrplan sind hier wohl kaum Angaben zur Wirtschaftlichkeit möglich. Laut § 14 Abs. 7 WPG müssen für die Eignungsprüfung auch keine Daten erhoben werden, um etwa die Wirtschaftlichkeit zu prüfen.

Müssen Wärmenetzgebiete ebenso hohe Anforderungen an die Verlässlichkeit der tatsächlichen Umsetzung erfüllen, damit es sich lohnt, sie in der Wärmeplanung näher zu prüfen?

Die Prüfung der Eignung von Wärmenetzen war nicht Gegenstand des Gutachtens. Daher können wir an dieser Stelle keinen rechtlichen Vergleich aufstellen. Wichtig aber ist festzuhalten, dass Wärmenetze einer anderen Systematik folgen:
Für ein bestehendes Wärmenetz kann die Planung unseres Erachtens in der Eignungsprüfung pauschal davon ausgehen, dass eine Verdichtung der Anschlüsse langfristig wirtschaftlich vorteilhaft ist und dass die Umstellung der Fernwärmeerzeugung auf erneuerbare Energien vielfältig möglich ist. Bei neuen Wärmenetzgebieten ist die maßgebliche Kenngröße für eine voraussichtliche wirtschaftliche Eignung die künftige Wärmedichte, welche vor Ort bei Betrachtung der Energieverbräuche und unter Berücksichtigung weiterer Daten gut abschätzbar ist.
Demgegenüber ist ein bestehendes Gasverteilnetz noch lange kein hinreichender Hinweis auf eine mögliche wirtschaftliche Eignung als Wasserstoffnetzgebiet. Vielmehr ist mit deutlich sinkenden Anschlusszahlen zu rechnen und die Verfügbarkeit eines treibhausgasneutralen Gases fürs Heizen, sei es Wasserstoff oder Biomethan, zweifelhaft. Hinzu kommt, dass der Aufwand für die Umstellung eines Gasverteilnetzes und der Haustechnik noch unbekannt ist. Eine mögliche wirtschaftliche Eignung kann nur in Frage kommen, wenn der Gasverteilnetzbetreiber einen Fahrplan zur Umstellung des Gasverteilnetzes verbindlich zusichert (siehe oben).
Ein weiterer bedeutsamer Unterschied ist, dass der Wärmenetzbetreiber in der Regel auch die Fernwärme erzeugt, und somit Infrastruktur und Erzeugung gleichzeitig sicherstellt. Beim Gasverteilnetz liegt die Umstellung der Infrastruktur in den Händen des Netzbetreibers, die Belieferung mit Wasserstoff muss aber durch andere Akteure erfolgen. Zusätzlich müssen sich die Gebäudeeigentümer:innen selbst um die Verbrennungsanlage kümmern.

Kann es für die lokale Industrie und Gewerbeunternehmen, die auf Wasser- stoff für ihre Prozesse setzen, ein Problem werden, wenn eine Wasserstoffversorgung von Haushalten in der Wärmeplanung nicht weiter verfolgt wird?

Eine Kommune kann Wasserstoffnetzgebiete grundstücksbezogen nach dem Zweck unterschieden nur für industrielle Prozesse und nicht für Gebäudewärme planen. Eine Wärmeplanung ohne Wasserstoffnetzgebiete steht auch einer späteren Wasserstoffversorgung für Industriekund:innen nicht im Weg. Denn es bleibt auch unabhängig vom Ergebnis der Wärmeplanung möglich, Wasserstoffnetzausbaugebiete nach § 26 WPG grundstücks- bzw. teilgebietsbezogen gezielt, zum Beispiel für Industriegebiete, auszuweisen. Es ist sinnvoll, Vorverträge zur Sicherung der Nachfrage mit gewerblichen und industriellen Abnehmer:innen zu vereinbaren, wenn deren Planungen und die tatsächliche Versorgung mit Wasserstoff konkreter werden.
Darüber hinaus sind Industrie- oder Gewerbeunternehmen, die Wasserstoff zur Dekarbonisierung beanspruchen möchten, nicht unbedingt auf einen leitungsgebundenen Transport angewiesen (etwa wie bei der aktuellen Versorgung von Wasserstofftankstellen)

Ist es sinnvoll, Wasserstoffnetzgebiete für die Wärmeversorgung von Haushalten rund um industrielle Ankerkund:innen zu planen, weil dort dann sowieso ein Wasserstoffnetz gebaut oder umgerüstet würde – und Haushalte davon profitieren könnten?

Wir halten die Planung von Wasserstoffnetzgebieten für Haushaltskund:innen und andere Kleinverbrau-
cher:innen in der Nähe von Großverbraucher:innen nicht für sinnvoll, da Wasserstoff der industriellen
Nutzung vorbehalten sein sollte und die Gaskund:innen dem hohen Kostenrisiko, das mit der Knappheit
von Wasserstoff und dem damit verbundenen hohem Preisdruck zusammenhängt, ausgesetzt werden.
In der Regel stehen den Gebäudeeigentümer:innen zum Heizen kostengünstigere Alternativen als die
Verbrennung von Wasserstoff zur Verfügung, sodass es im Regelfall ohnehin kaum wirtschaftlich sinnvoll
wäre.

Können Kommunen die Ergebnisse des Gutachtens bereits in der Vergabe für die Durchführung der Wärmeplanung (z. B. im Leistungsverzeichnis) berücksichtigen? Und wie kann eine Kommune praktisch bei der Eignungsprüfung im Sinne des Rechtsgutachtens vorgehen?

Kommunen können bei der Ausschreibung der Wärmeplanung vorgeben, welche Faktoren der Dienstleister zu prüfen und wie er diese zu bewerten hat. So kann die Kommune vorgeben, dass der Dienstleister bei der Eignungsprüfung auf Wasserstoffnetze ermitteln soll, ob der Gasverteilnetzbetreiber einen Fahrplan nach § 71k GEG (siehe oben) zur Umstellung (mindestens eines Teilgebiets) des Gasverteilnetzes aufstellen wird, und die Option eines Wasserstoffnetzes nur weiter prüfen soll, wenn der Gasverteilnetzbetreiber diesen Fahrplan verbindlich zusichert.
Wenn Kommunen die Eignungsprüfung nach § 14 WPG selbst vornehmen und Wasserstoffnetzgebiete
(z. B. aufgrund nicht vorliegender Fahrpläne) als mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wirtschaftlich bewerten, muss der Dienstleister im weiteren Prozess Wasserstoff auch nicht mehr berücksichtigen.
Grundsätzlich gilt jedoch weiterhin, dass (auch bei vorliegenden § 71k GEG-konformen Fahrplänen)
Wasserstoff an anderer Stelle dringlicher benötigt wird und die Nutzung kritisch hinterfragt werden sollte.
Das Gutachten hat nicht untersucht, wie die Ausschreibung formuliert sein kann

Darf die Kommune bei der Vergabe vorgeben, welche Quellen und Studien für die Bewertung von Wasserstoff zum Heizen herangezogen werden sollen?

Ja, die Kommune kann den Planungsdienstleistern vorgeben, nach welchen Annahmen sie die Eignung von Wasserstoffnetzgebieten prüfen und bewerten sollen. Die Gutachter argumentieren, dass die Kommune Abwägungsentscheidungen, z. B. für die Eignungsprüfung, selber vornehmen müssen oder den Planungsdienstleistern zumindest hinreichende Kriterien für die Abwägung vorgeben müssen. Wir empfehlen in diesem Zuge, wissenschaftlich unabhängige Quellen und Studien zu benutzen, und nicht solche, die nicht unabhängig ohne ein unternehmerisches Eigeninteresse (etwa der Gaswirtschaft) veröffentlicht wurden.

Und wo und wie kann eine Kommune dokumentieren, dass die Gasverteilnetze nicht auf Wasserstoff umgestellt werden?

Die Dokumentation geschieht im Ergebnis der Eignungsprüfung und kann/muss im kommunalen Wärmeplan festgehalten werden.

Quellen / Linksammlung

Hintergrund: Warum Wasserstoff keine zielfüh-
rende Lösung für die Wärmewende darstellt

Wirtschaftlichkeit / Vergleich zu anderen Wär-
meversorgungslösungen

Wärmepumpe im Altbau

Zukunft Gasnetze

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