Wasserstoff: zu teuer zum Verheizen

„H2-ready“-Heizkessel versprechen saubere und günstige Wärme. Doch die ineffiziente Technik könnte für Hausbesitzer:innen teuer enden und den Ausstieg aus fossilem Gas unnötig verzögern.

Heizen mit Wasserstoff: teuer und ineffizient

Wasserstoff-Heizkessel versprechen einen nahtlosen und günstigen Übergang von Erdgasheizungen in eine erneuerbare Zukunft. Doch erneuerbarer Wasserstoff wird knapp und vergleichsweise teuer bleiben.

Welche Techniken gibt es?

Beim Heizen mit Wasserstoff bieten sich zwei Techniken an: Gasheizkessel und Brennstoffzellen.

Manche Gasheizkessel werden schon jetzt als „H2-ready“ beworben, können aber meist nur mit Wasserstoff-Beimischungen betrieben werden. Der Hauptbrennstoff dieser Heizungen bleibt Erdgas. Bei den Angaben, wie viel Wasserstoff solche Heizungen vertragen, ist Vorsicht geboten: Die angegebene Prozentzahl bezieht sich meist auf den Volumenanteil des Wasserstoffs. Aufgrund des niedrigeren Brennwertes trägt der nachhaltige Wasserstoff aber einen deutlich kleineren Teil zur Heizleistung bei als das fossile Gas. Zum Beispiel ergibt ein Volumenanteil von zehn Prozent Wasserstoff nur einen energetischen Anteil von 3,4 Prozent. Hier wird Zukunftssicherheit suggeriert – die tatsächliche Wirkung für das Klima ist aber minimal.

Eine weitere Technik sind Brennstoffzellen. Diese erzeugen Strom durch die Umsetzung von Wasserstoff zu Wasser, geheizt wird mit der dabei anfallenden Abwärme. Diese Technik ist besonders interessant für Menschen, die ganzjährig unabhängig von Energielieferungen sein wollen: Im Sommer kann Wasserstoff mit Solarstrom erzeugt und in private Tanks eingelagert werden, im Winter liefert er dann Strom und Wärme. Die entsprechenden Systeme sind aber sehr teuer, und ob Wasserstoff für private Brennstoffzellen in Zukunft per Gasleitung geliefert wird, ist noch völlig offen. Aktuell laufen Brennstoffzellen-Heizungen darum oft mit einem vorgeschalteten „Reformer“, der Erdgas zu CO2 und Wasserstoff aufspaltet. Für das Klima ist wenig gewonnen: Die genutzte Energie stammt aus fossilem Gas und es wird klimaschädliches CO2 frei.

Gibt es genug Wasserstoff zum Heizen?

Technisch sind Heizkessel möglich, die zu 100 Prozent mit Wasserstoff arbeiten, doch das Problem liegt in der Verfügbarkeit dieses Gases. Denn für‘s Heizen wird es in absehbarer Zeit nicht genügend Wasserstoff geben. Das hat vor allem zwei Gründe:

  • Klimafreundlicher Wasserstoff wird mithilfe von erneuerbarem Strom aus Wasser erzeugt, dabei gehen etwa 30 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Der Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung kommt aber nicht schnell genug voran, um diesen Mehrbedarf decken zu können. Wasserstoff wird darum noch lange knapp bleiben.
  • Wasserstoff ist sehr vielseitig und kann sehr viele Anwendungen fossiler Rohstoffe ersetzen. Dabei gibt es insbesondere in der Industrie und dem Transportwesen einige Aufgaben, für deren Dekarbonisierung fast nur Wasserstoff in Frage kommt. Dies betrifft zum Beispiel die Stahlerzeugung oder die chemische Industrie. Diese Bereiche dürften bei der Versorgung bevorzugt werden, sodass private Haushalte leer ausgehen.

Auch Energieträger, die aus Wasserstoff hergestellt werden („Power-to-X“), werden darum knapp und teuer bleiben. Das betrifft zum Beispiel synthetisches Methan oder Kraftstoffe („Power-to-Liquid“), mit denen Heizungen theoretisch auch betrieben werden könnten.

Zahlen und Fakten: Welche Sektoren brauchen wie viel Wasserstoff?

In Deutschland werden aktuell von der chemischen Industrie etwa 60 Terrawattstunden (TWh) Wasserstoff pro Jahr verbraucht. Diese Menge Wasserstoff wird fast ausschließlich aus Erdgas und Kohle hergestellt und muss für den Klimaschutz bald durch „grünen“ Wasserstoff ersetzt werden, der mithilfe von Öko-Strom erzeugt wird. Eine weitere Industrie mit großem Wasserstoffbedarf dürften in Zukunft die Stahlwerke sein: Dort soll der aus Steinkohle hergestellte Brennstoff Koks ersetzt werden, um CO2-Emissionen zu vermeiden. Dafür werden weitere 80 TWh benötigt. Auch Gaskraftwerke sollen in Zukunft mit Wasserstoff betrieben werden und so Lücken in der Versorgung mit erneuerbarem Strom im Winter oder während langer Flauten überbrücken. Die Umstellung all dieser Anwendungen auf sauberen Wasserstoff wird schrittweise erfolgen, für 2030 geht die Bundesregierung bereits von einem Bedarf von 90-110 TWh aus.

Zahlen und Fakten: Woher soll der Wasserstoff kommen und warum reicht der erneuerbare Strom nicht?

Bis 2030 möchte die Bundesregierung eine installierte Elektrolyseur-Leistung von 10 Gigawatt (GW) erreichen. Ein Elektrolyseur ist ein Gerät, das unter Verbrauch von Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Wie viel nachhaltigen Wasserstoff diese Elektrolyseure erzeugen können, hängt von der Menge des Ökostroms im Netz ab. Sie sollen immer dann angeschaltet werden, wenn besonders viel erneuerbarer Strom erzeugt wird. In der nationalen Wasserstoffstrategie geht man davon aus, dass ein Elektrolyseur etwa 4.000 Stunden im Jahr läuft. Bei einer üblichen Effizienz von 70 Prozent könnten somit jährlich unter Verbrauch von 40 Terrawattstunden (TWh) Strom 28TWh Wasserstoff erzeugt werden. Für den für 2030 prognostizierten Bedarf von 110TWh reicht es also bei weitem nicht.

Und auch wenn mehr Elektrolyseure gebaut werden sollten, bleibt die Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom ein Problem: Jährlich werden in Deutschland 112 TWh Wind- und 46 TWh Solar-Strom erzeugt. Dieser Strom wird natürlich für viele andere Dinge benötigt, doch selbst wenn der komplette Strom der bisher schon gebauten Windräder für die Elektrolyse verwendet werden würde, würde dies (nach Abzug der Umsetzungsverluste) nicht für den für 2030 prognostizierten Bedarf ausreichen.

Die Regierung baut daher neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch stark auf den Import des begehrten Energieträgers. Doch auch hier gibt es große Ungewissheiten: Die Exportländer müssen zuerst ihren eigenen Energiebedarf erneuerbar decken, andere Industriestaaten wollen auch Wasserstoff kaufen und Wasser- und Flächenknappheit begrenzen die potentielle Produktion. Es drohen neue außenpolitische Abhängigkeiten und auch die Frage des Transports ist noch lange nicht geklärt: Bis jetzt gibt es weltweit nur ein einziges Schiff, das verflüssigten Wasserstoff transportieren kann.

Alternativen sind deutlich effizienter

Für das Heizen gibt es einige klimafreundliche Alternativen: Je nach Region kann Geothermie für günstige Wärme sorgen. In München soll beispielsweise das Fernwärme-Netz durch Wärme aus dem Boden nachhaltiger werden. Solarthermie nutzt die Wärme der Sonne, in Deutschland gibt es davon bereits 2,5 Millionen Anlagen. Eine aktuell besonders gefragte Alternative sind Wärmepumpen. Sie werden mit Strom betrieben und entziehen Umgebungsluft oder Boden Wärme, die dann zum Heizen im Haus zur Verfügung steht. Das Besondere an der Technik: Am Ende steht mehr Energie in Form von Wärme zur Verfügung als Strom verbraucht wurde. Selbst in Altbauten können Wärmepumpen bis zu viermal mehr Heizenergie erzeugen als sie Strom verbrauchen.

Diese Bilanz sieht für das Heizen mit Wasserstoff ganz anders aus: Auch hier startet der Prozess mit grünem Strom, der die Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff antreibt. Dabei gehen jedoch etwa 30 Prozent der Energie verloren, weitere Verluste gibt es bei Transport und Verbrennung.

Teure Fehlinvestitionen

Wasserstoff-Heizkessel könnten für Hausbesitzer:innen zur teuren Fehlinvestition werden. So ergab eine Studie, dass das Heizen mit Wasserstoff die Heizkosten verdoppeln könnte. Außerdem könnte sich herausstellen, das Wasserstoff per Leitung in Zukunft nur noch an Großkund:innen geliefert wird. Dann würde ein erneuter Heizungstausch anstehen.

Drohende Lock-In-Effekte und Verzögerung des Gas-Ausstiegs

Die Konsequenzen solcher Fehlinvestitionen wären nicht nur für Hausbesitzer:innen ärgerlich, sondern können auch den Gasausstieg insgesamt verzögern. Um die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten und den Pariser Vertrag einzuhalten, müsste Deutschland schon in den 2030er Jahren klimaneutral werden. Die Bundesregierung steuert immerhin 2045 an. Heizkessel halten oft mehr als 20 Jahre. Die jetzt eingebauten Geräte sollten also mit einer klimaneutralen Wärmeversorgung kompatibel sein. Das gilt auch für Kommunen, die statt neuer Gasrohre lieber auf Geothermie und Fernwärme-Netze setzen sollten. Für Fehlinvestitionen ist einfach nicht mehr genug Zeit.

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