Neue Gentechnikmethoden machen es möglich, dass nun auch in die Gene von Nutztieren eingegriffen wird. Ziel dabei ist es, sie an die katastrophalen Verhältnisse der industriellen Tierhaltung anzupassen.
Wachsender Fleischhunger
Neue Gentechnologien sollen das Unmögliche möglich machen: Die Massenproduktion von schnell wachsenden, billigen, robusten und schmackhaften Tieren, welche die unnatürlichen Bedingungen der industriellen Tierhaltung überstehen.
Die Forschung mit gentechnisch veränderten Tieren begann in den 1970er Jahren. Mittlerweile wird das Erbgut diverser Tierarten mittels Gentechnik verändert. Das betrifft sowohl landwirtschaftliche Nutztiere, wie beispielsweise Rinder, Pferde, Ziegen und Fische, als auch „unliebsame“ Arten, wie Fliegen und Mücken. Dies geschieht in den letzten Jahren meist mittels neuer Gentechnikmethoden, wie CRISPR/Cas9, die Genmanipulationen bei Tieren im Vergleich zu älteren Methoden vereinfachen und billiger machen.
Weltweit gesehen werden derzeit jährlich 340 Millionen Tonnen Fleisch und 178 Millionen Tonnen Fisch produziert – Tendenz steigend. Durch den weltweit stetig wachsenden Hunger auf Fleisch und Fisch wird die Genmanipulation von Nutztieren gerechtfertigt. Ethische Bedenken, Tierleid, ökologische Risiken und Umweltprobleme werden dabei oft ausgeblendet. Doch die Risiken und Nebenwirkungen sind enorm.
Transgene Fische
Der weltweite Hunger auf Fisch ist groß. So groß, dass durch die permanente Überfischung der Weltmeere die Fischbestände zusammenbrechen. Oft wird in den Aquakulturen bzw. Fischfarmen eine Lösung gesehen. Doch die artfremde Haltung der Fische in großen Zuchtbecken mit hoher Besatzdichte und künstlicher Fütterung bringt viele Probleme mit sich: Bakterielle Erkrankungen und Pilz- oder Parasitenbefall breiten sich schnell aus. Da man aber nicht von dem Prinzip „Masse statt Klasse“ abweichen will, hofft man mittels neuer Gentechnologien, robustere Fische herzustellen.
Der sogenannte Turbo-Lachs ist weltweit das erste gentechnisch veränderte Tier, das für den menschlichen Verzehr zugelassen wurde. Nach langem Zögern erfolgte die Genehmigung der sehr schnell wachsenden Tiere zunächst in den USA, danach auch in Kanada – ungeachtet der abzusehenden massiven Umweltschäden. Wenn genmanipulierte, räuberische Fische entweichen und – durch Kälteresistenz-Gene robuster oder Wachstums-Gene hungriger gemacht – viel früher im Jahr auf die Jagd gehen, so wird eine ganze Nahrungskette beeintächtigt: Sie fressen nicht nur ihren wildlebenden Artgenossen alles weg, sondern zerstören gleichzeitig die Lebensgrundlage anderer Arten oder fressen sie schlichtweg auf. Zudem könnten sich Gentechnisch veränderte Zuchtfische mit ihren wilden Verwandten fortpflanzen und künstlich eingefügte Gene weitergeben. Auch wenn die eigentlich beabsichtigte Veränderung auf den ersten Blick folgenlos für das jeweilige Ökosystem sein sollte, so können schon kleine ungewollte Nebenwirkungen wie verändertes Revier-, Paarungs- oder Fluchtverhalten im Zusammenspiel der Arten fatale Folgen haben.
Exkurs: Ökologische Risiken von Aquakulturen
Austausch mit Gewässern
Zuchtbecken haben entweder direkten Zugang zum Meer oder liegen in unmittelbarer Nähe der Gewässer. Erfahrungen zeigen, dass Tiere, deren Sperma, Eier oder deren Brut regelmäßig daraus entweichen.
Fütterung der Zuchtfische
Die meisten Zuchtfische sind Fleischfresser. Um ein Kilo Zuchtfisch heranzuziehen werden bis zu vier Kilo Fischmehl benötigt. So verschlingen die Fischzuchtfarmen den größten Teil an Fischmehl, überwiegend hergestellt aus gefangenen Meeresfischen.
Eutrophierung von Gewässern
Ähnlich wie bei der Massentierhaltung von Schweinen, Rindern und Hühnern entsteht auf engstem Raum eine hohe Konzentration an organischen Abfällen. Die meisten Abwässer solcher Anlagen werden ungeklärt in die Flüsse oder in das Meer abgegeben, was zu weiterer Überdüngung der Gewässer führt.
Eber mit Brüsten
Wissenschaftler:innen des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit haben Schweine mit Hilfe der neuen Gentechnikmethode CRISPR/Cas genmanipuliert . Die daraus resultierenden Eber bilden trotz männlicher Chromosomen weibliche, missgestaltete Geschlechtsmerkmale aus. Damit will man den Geruch des Fleisches beim Kochen ausschalten, der durch ein Stresshormon verursacht wird. Dieser tritt bei etwa 5 Prozent aller Eber auf und wird lediglich von einigen Menschen als unangenehm empfunden
Bisher werden männliche Tiere deshalb hauptsächlich kastriert. Dabei haben Untersuchungen gezeigt, dass dieses Phänomen im Vergleich zur industriellen Massentierhaltung bei ökologischer Ebermast deutlich seltener auftritt. Artgerechtere Haltung bei den Tieren führt zu weniger Stress und damit zu geringerer Produktion der geruchsauslösenden Hormone. Doch anstatt Masteber artgerecht zu halten, wird in die Gene der Tiere eingegriffen. Durch solche Tierversuche wird die Gesundheit der Schweine massiv beeinträchtigt.
Gentechnisch veränderte Mücken
Zur geplanten Ausrottung der Malaria-übertragenden Anopheles-Mücke ist in Burkina Faso die Freisetzung genetisch veränderter Mücken in die Natur geplant. Die Entscheidung über die Freisetzung gentechnisch veränderter Mücken wird von sehr wenigen Menschen getroffen. Doch die großen Risiken und womöglich weitreichenden globalen Konsequenzen müsste die ganze Menschheit tragen.
Jedes Lebewesen, selbst wenn es uns Menschen gefährlich oder schädlich erscheint, erfüllt wichtige Aufgaben in seinem Lebensraum. Die Manipulation oder gar Ausrottung einer einzigen Art wird daher Folgen für das gesamte Ökosystem haben. Welche das sind, kann derzeit niemand vorhersagen.
Fehlt beispielsweise eine Mückenart und deren Larven, fällt eine Nahrungsquelle für Vögel, Fische und andere Tierarten weg. Ganze Nahrungsnetze können zusammenbrechen. Wird eine Art verdrängt, dezimiert oder ausgerottet, können sich aber auch andere Arten stärker ausbreiten, die wiederum negative Auswirkungen auf mit sich bringen, indem sie etwa Krankheiten übertragen. Diese gentechnisch veränderten Mücken können demnach gravierende Folgen für die empfindlichen Ökosysteme unseres Planeten nach sich ziehen.
Dürfen genveränderte Tiere in Deutschland verkauft oder gehalten werden?
Weltweit gesehen sind derzeit vier gentechnisch veränderte Tiere als Lebensmittel zugelassen: Lachse (USA und Kanada), Rote Meerbrassen (Japan), Schweine (USA) und Rinder (USA). Der Import nach Deutschland ist jedoch nicht erlaubt. Doch da in den Hersteller-Ländern entweder keine oder nur eine unzureichende Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel vorgeschrieben ist und die Kontrollen durch die inländischen Behörden mangelhaft sind, könnten die Tiere bzw. deren Fleisch trotzdem unwissentlich nach Deutschland importiert werden. Ein Zustand, der nicht hinnehmbar ist, da das europäische Recht eine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel vorschreibt.
Genmanipulierte Nutztiere zu halten, ist in Deutschland nicht erlaubt. Verboten ist außerdem, aus ihnen hergestellte Lebensmittel hier zu verkaufen.
Weitere Infos
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Gene Drive durch CRISPR/Cas
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