Das Insektensterben nimmt dramatische Ausmaße an

Eine 2017 veröffentliche Studie kam zu dem Ergebnis, dass in den vergangen drei Jahrzehnten die Masse der Insekten um mehr als 75 Prozent zurückgegangen ist. Umso wichtiger ist ein wirksamer Schutz der Insekten vor Pestiziden!

Geringe Mengen – mit großen Auswirkungen für unsere kleinen Bestäuber

Insektengifte können bereits in sehr kleinen Mengen Insekten töten oder ihr Nervensystem schädigen. So genügt beispielsweise bereits ein Teelöffel mit 5g des Neonicotinoids Imidacloprid, um 1,25 Milliarden Bienen zu töten.

Was sind Neonicotinoide?

Neonicotinoide sind die weltweit am meisten eingesetzten Insektengifte – auch Insektizide genannt – und ihre Wirkung gegen Insekten ist dramatisch. Sie finden häufig als Beizmittel für Saatgut oder auch als Spritzmittel Verwendung. In Pflanzen wirken sie systemisch, was bedeutet, dass sie von der Pflanze aufgenommen werden und sich anschließend in allen Pflanzenteilen wiederfinden: Von den Wurzeln, über Blätter, Blüten, Pollen und Nektar bis hin zu dem Wasser, das Pflanzen über ihre Blätter abgeben (Guttationswasser). Dadurch können alle Tiere Schaden nehmen, die diese Pflanzen fressen, deren Nektar trinken oder Pollen sammeln.

Hochgefährlich für sämtliche Insekten

Durch Insektengift getötete Bienen Durch Insektengift getötete Bienen

Kommen Honigbienen mit Neonicotinoiden in Kontakt, so werden ihre Gehirnprozesse gestört. Führt die Aufnahme der Insektengifte nicht sofort zum Tod der Tiere, so kann ihre Kommunikations- und Lernfähigkeit und ihr Orientierungsvermögen eingeschränkt werden. Dadurch unternehmen die Honigbienen weniger Sammelflüge, brauchen länger um in den Bienenstock zurückzufinden oder kehren gar nicht mehr heim. Auch die Überwinterungsfähigkeit der Honigbienen leidet unter dem Einfluss von Neonicotinoiden.

Insektengifte beeinträchtigen die Fortpflanzung von Schmetterlingen. Insektengifte beeinträchtigen die Fortpflanzung von Schmetterlingen.

Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass viele wildlebende Insekten auf Pestizide sogar noch empfindlicher reagieren als Honigbienen. Bei ihnen wurden Störungen des Paarungsverhaltens und der Fortpflanzungsfähigkeit nachgewiesen.

Bestände wie die hier abgebildeten Bienenstöcke werden durch Neonictotinoide bedroht. Bestände wie die hier abgebildeten Bienenstöcke werden durch Neonictotinoide bedroht.

Die Relevanz dieses Themas wurde spätestens im Frühjahr 2008 deutlich, als im Rheintal in kurzer Zeit über 11.000 Bienenvölker stark geschädigt wurden oder starben. Ursache dafür war der Abrieb von Maissaatgut, das mit dem Neonicotinoid Clothianidin behandelt worden war.

Der lange Weg der Neonicotinoid-Verbote

Nach einer viel zu langen Debatte entschied sich die EU 2013 für ein teilweises Verbot von drei der am häufigsten eingesetzten Neonicotinoide (Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam), welche demzufolge nicht mehr auf blühende Pflanzen gesprüht werden durften. Die Anwendung auf nicht blühenden Pflanzen bzw. nach der Blüte und die Verwendung als Beizmittel für Futterrüben, Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüsesaaten war jedoch für einige Jahre weiterhin erlaubt. Der Einsatz auf Maissaatgut ist 2008 in Deutschland vom Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verboten worden. Doch trotz dieser Einschränkungen ging der Absatz der hochgiftigen Mittel lange nicht zurück.

Im April 2018 sprach sich die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten schließlich dafür aus, dass die Gifte nicht mehr im Freien eingesetzt werden dürfen. Innerhalb von Gewächshäusern war die Verwendung aber nach wie vor erlaubt.

Inzwischen sind die drei Wirkstoffe EU-weit nicht mehr zugelassen. Doch durch sogenannte Notfallzulassungen landen die Gifte teilweise immer noch auf unseren Äckern. Derartige Zulassungen wurden in Deutschland nach dem Verbot für die Behandlung von Zuckerrüben-Saatgut mit Thiamethoxam-haltigen Mitteln erteilt.

Außerdem bleiben viele andere, für Honigbienen und wilde Bestäuber hochgiftige Wirkstoffe vom Verbot ausgenommen. Andere Neonicotinoide wie Acetamiprid können auch weiterhin eingesetzt werden.

Neue Insektengifte im Anflug

In Deutschland sind inzwischen außerdem Pestizidmischungen zugelassen, die drei neue Insektengifte – Sulfoxaflor, Flupyradifuron und Cyantraniliprol -enthalten. Obwohl die neuen Pestizide ähnlich wirken wie Neonicotinoide und die gravierenden Auswirkungen dieser „alten“ Gifte bekannt ist, wurden die Pestizide schon vor einigen Jahren auf EU-Ebene genehmigt.

Auch diese neuen Insektengifte wirken systemisch und stellen somit auch für Honigbienen und wildlebende Insekten eine große Gefahr dar.

Hummel auf Lavendel

Sulfoxaflor – Ein Insektengift mit Auswirkungen auf die Gesundheit von Bienen, Hummeln und Menschen

Sulfoxaflor stammt vom US-amerikanischen Chemiekonzern Dow AgroSciences. Das Insektengift wurde auf EU-Ebene zugelassen, obwohl wichtige Daten zur Auswirkung auf Honigbienen und andere so genannte Nichtzielorganismen (also Organismen, die mit dem Gift nicht bekämpft werden sollen) fehlten. Die EFSA stellte außerdem fest, dass von Sulfoxaflor bei bestimmten Anwendungen ein hohes Risiko für Honigbienen und Langzeitrisiken für kleine pflanzenfressende Säugetiere nicht auszuschließen ist. Trotzdem sind Pestizidmischungen mit Sulfoxaflor inzwischen in mehreren Mitgliedstaaten, unter anderem auch in Deutschland, zugelassen.

Eine unabhängige Studie aus dem Jahr 2018 hat außerdem gravierende Auswirkungen von Sulfoxaflor auch für die Dunkle Erdhummel nachgewiesen. Hummelvölker, die dem Gift in solchen Mengen ausgesetzt waren, wie sie nach dem Ausbringen auf Feldern zu finden sind, hatten weniger als halb so viele Nachkommen wie Völker, die damit nicht in Kontakt kamen.

In Frankreich wurde die Genehmigung auf eine Klage der Umweltschutzorganisation Générations Futures hin gerichtlich ausgesetzt, was durch das hohe gesundheitliche Risiko für Menschen und Honigbienen begründet wurde. Mittlerweile führt die französische Regierung Sulfoxaflor auf einer Liste von Wirkstoffen, die laut dem „Gesetz zur Rückgewinnung der Biodiversität, der Natur und der Landschaften“ vom 8. August 2016 verboten sind.

Seit dem Frühjahr 2022 ist der Einsatz von Mitteln, die Sulfoxaflor enthalten, EU-weit auf die Verwendung in Gewächshäusern beschränkt. Dadurch soll ein gewisser Schutz der Bestäuber gewährleistet werden. Doch auch Gewächshäuser sind keine geschlossenen Systeme und Sulfoxaflor stellt weiterhin für Bestäuber eine Gefahr dar.

Cyantraniliprol – aus einer Notfallzulassung wird ein Notfall für Bienen!

Das Insektizid stammt vom ebenfalls US-amerikanischen Konzern DuPont, der inzwischen mit Dow AgroSciences fusioniert hat. Schon bevor überhaupt ein Pestizid mit diesem Wirkstoff in Deutschland genehmigt wurde, kam Cyantraniliprol durch sogenannte Notfallzulassungen zum Einsatz. Notfallzulassungen erteilt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), „wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist“. Diese Genehmigung erfolgt in diesem Fall ohne Bewertung der Umweltgefahren durch das Umweltbundesamt. Eine Notfallzulassung ist eigentlich auf 120 Tage begrenzt. Cyantraniliprol durfte so allerdings schon in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren eingesetzt werden.

Außerdem durfte bereits vor der offiziellen Zulassung von Mitteln mit Cyantraniliprol behandeltes (gebeiztes) Saatgut aus EU-Staaten, in denen Pestizide mit dem Wirkstoff zugelassen sind, nach Deutschland importiert werden. Denn für mit Pestiziden gebeiztes Saatgut gelten ganz eigene Regeln.

Das BVL selbst riet den Landwirt:innen bei der Verwendung von diesem gebeiztem Saatgut wegen der „hohen Bienentoxizität“ des Wirkstoffs bestimmte Sicherheitsvorkehrung für den Schutz von Honigbienen zu treffen.

Flupyradifuron – ein Gift auf Äckern und in Gärten

Flupyradifuron wurde vom deutschen Bayer-Konzern entwickelt. Auch Flupyradifuron hat denselben Wirkmechanismus wie die verbotenen Neonicotinoide, wobei der Pestizidwirkstoff sich an die Rezeptoren der Nervenzellen bindet und so die Weiterleitung von Nervenreizen stört.

Eine Studie der Universität Würzburg ergab, dass nicht tödliche Dosen von Flupyradifuron nach einmaliger Verabreichung an sammelnde Honigbienen die Geschmackswahrnehmung sowie das Lernen und das Gedächtnis der Insekten negativ beeinflussen. Weitere Forschung ist hier von großer Bedeutung, da einige Auswirkungen, wie z.B. Störungen der motorischen Fähigkeiten, der Orientierung von Bienen oder Schädigungen von anderen Bestäubern, noch nicht ausgeschlossen werden können.

In mehreren Mitgliedstaaten, darunter auch in Deutschland, wurden bereits Zulassungen für Pestizidmischungen mit diesem Wirkstoff erteilt. Einige dürfen trotz ihrer Gefahren für Bestäuber sogar in Haus- und Kleingärten eingesetzt werden. Das einzige für die landwirtschaftliche Anwendung zugelassene Mittel ist auf die Anwendung in Gewächshäusern beschränkt.

Keine neuen und auch keine alten Insektengifte!

Vor dem Hintergrund der dramatischen Ausmaße des Insektensterbens wird es immer wichtiger, Honigbienen, wilde Bestäuber und andere Insekten wirksam zu schützen! Dafür ist das umgehende und vollständige Verbot von bereits erlaubten Pestiziden, von denen sogar oft schon bekannt ist, dass sie gefährlich für Insekten sind, ein erster Schritt. Außerdem dürfen neue bienengefährliche Pestizide gar nicht erst zugelassen werden.

Öffentliche Meinung

88 Prozent der Deutschen fordern: Keine Zulassung für neue Insektengifte!

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