Bayer steht wegen seines Pestizids Glyphosat seit Jahren massiv unter Druck: Allein in den USA sind noch mehr als 60.000 Verfahren anhängig. Wie der Konzern mit den Klagen umgehen will, lässt sich ganz einfach auf der Homepage von Bayer nachlesen [2]: Neben einer Anrufung des obersten Gerichts, des US Supreme Court, ist da von einem „Dialog mit politischen Entscheidungsträgern“ die Rede. Und der hat es in sich: Bayer-CEO Bill Anderson und sein Cheflobbyist, der ehemals grüne Staatssekretär Matthias Berninger, versuchen mit allen Mitteln, auf Bundes- wie auch auf Bundesstaatsebene, die Gesetze zu beeinflussen, um Klagen wegen Krebs durch Glyphosat in Zukunft gesetzlich zu unterbinden.

Demonstration gegen Glyphosat

US-Bundesstaaten: Mit „Immunitätsgesetzen“ gegen Klagen

Um die Kosten der zahlreichen Glyphosat-Klagen zu begrenzen, begann Bayer, „Pestizid-Immunitätsgesetze“ zu entwerfen und in zahlreichen US-Bundesstaaten durch intensive Lobbyarbeit voranzutreiben [3]. Ziel dieser Gesetze ist es, so genannte Failure-to-warn-Klagen zu verhindern – also Klagen mit dem Vorwurf, Hersteller hätten nicht ausreichend vor Gesundheitsrisiken gewarnt. Genau diese Klageform ist die rechtliche Grundlage der meisten bisherigen Verfahren gegen Glyphosat.

Der Kern von Bayers Argumentation (und der Inhalt der geplanten Gesetzesänderungen): Wenn die US-Umweltbehörde EPA einen Wirkstoff als sicher einstuft, sollen Hersteller nicht mehr für unterlassene Warnungen haftbar gemacht werden können. Kritiker:innen betonen aber seit Jahren, dass EPA-Zulassungen oft hinter dem Stand der Wissenschaft zurückbleiben. Auch Glyphosat stuft die EPA – anders als die Internationale Krebsforschungsagentur – bislang nicht als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Diese Bewertung stößt vor allem vor dem Hintergrund der weltweit bekanntgewordenen „Monsanto Papers“ [4] auf massive Kritik, weil in diesen mögliche Interessenkonflikte und Beeinflussungen der EPA durch den Hersteller aufgezeigt werden.

Die Lobbykampagne wird intensiviert

Nachdem Bayer bereits seit einigen Jahren vor allem in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten wie Iowa, Idaho und Missouri lobbyiert, intensiviert der Konzern jetzt mit einer bundesweiten Werbekampagne seine Bemühungen. Offenbar mit Erfolg: Mitte April unterzeichnete der Gouverneur von North Dakota das erste „Immunitätsgesetz“, das Hersteller aus der Verantwortung für ihre Produkte entlässt [5]. Inzwischen wurden entsprechende Gesetze in etwa einem Dutzend weiterer Bundesstaaten eingebracht. Teilweise werden die Entwürfe leicht modifiziert auch mehrfach hintereinander eingebracht, wenn es beim ersten Anlauf nicht funktioniert, so geschehen in Idaho und Iowa [3].

Georgia ist ein besonders heikler Fall: Hier sprach ein Gericht am 21. März dem Kläger John Barnes Schadenersatz in Höhe von 2,1 Milliarden US-Dollar zu [1]. Das Gericht bestätigte damit dessen Aussage, dass die Nutzung von Roundup sein Non-Hodgkin-Lymphom (eine Form von Lymphdrüsenkrebs) verursacht habe und der Hersteller ihn vor diesem Risiko hätte warnen müssen.

Eine Woche zuvor hatte das Parlament des Bundesstaates Georgia jedoch einen Gesetzesentwurf durchgewunken, der Pestizidhersteller künftig vor genau dieser Art rechtlicher Haftung schützen würde [6], aber noch nicht in Kraft getreten war. Am 12. Mai unterzeichnete der Gourverneur von Georgia nun das entsprechende Gesetz – und die Pestizidlobby jubelt unverhohlen [7].

Bundesebene: Eine Petition und ein Gesetz gegen unliebsame Krebsklagen

Darüber hinaus unterstützt Bayer auch zwei bundespolitische Initiativen, die ähnliche Auswirkungen auf künftige Glyphosat-Klagen hätten:

  1. Eine Petition von Generalstaatsanwälten aus elf republikanisch regierten Bundesstaaten, die die EPA auffordern, ein Regelungsverfahren einzuleiten, das ihre alleinige Zuständigkeit (und damit auch Verantwortung) für Pestizidkennzeichnungen festschreibt.
  2. Ein Gesetzesentwurf namens „Agricultural Labeling Uniformity Act“, der möglicherweise an ein künftiges Landwirtschaftsgesetz angehängt wird. Der Gesetzesentwurf beschneidet das Recht der Bundesstaaten, eigenständig vor Pestizidrisiken zu warnen. Das Gesetz würde es verbieten, auf Bundesstaatenebene zusätzliche Warnhinweise zu verlangen, wenn ein Pestizid bereits von der US-Umweltbehörde EPA zugelassen wurde – selbst wenn internationale Krebsforschungsstellen wie die IARC eine krebserregende Wirkung feststellen.Indirekt hätte das auch Auswirkungen auf die Klagerechte betroffener Landwirt:innen und Bürger:innen: Wenn Produkte als EPA-konform gelten und keine zusätzlichen Warnungen gefordert werden dürfen, könnten Gerichte mögliche „Failure-to-warn“-Klagen leichter abbügeln. Hinter dem Gesetz steht eine massive Lobbykampagne der Agrarchemieindustrie, allen voran CropLife, der Branchenverband von Bayer, Syngenta und anderen Pestizidherstellern [8].

Bayer-CEO droht mit Produktionsstopp – Erpressung als letztes Mittel?

Sollten Politik und Justiz nicht nachgeben, setzt Bayer auf Druck: CEO Bill Anderson kündigte an, Bayer könne die Glyphosatproduktion in den USA ganz einstellen [9]. Das hätte massive Folgen: Bayer ist der wichtigste Glyphosathersteller in den USA, und dort sind viele Farmer mit gentechnisch veränderten, glyphosatresistenten Kulturen von dem Unkrautvernichter abhängig.. Wie das Wall Street Journal berichtete, sind laut dem US-Landwirtschaftsministerium über 90 Prozent der in den USA angebauten Soja-, Mais- und Baumwollpflanzen gentechnisch so verändert, dass sie glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel vertragen [10] Das letzte, was die USA in ihrem momentanen globalen Handelskrieg brauchen können, dürfte eine weitere Importabhängigkeit von China sein.

Was wir tun – und was Sie tun können

In den USA arbeiten zahlreiche Organisationen daran, Bayers Lobbyaktivitäten zu beobachten und ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen. In Deutschland ist das Umweltinstitut einer der ältesten Gegner von Glyphosat: Seit mehr als 13 Jahren organisieren wir Widerstand, sichten Studien, warnen vor den Gefahren und strengen Gerichtsprozesse gegen den Unkrautvernichter an. Wir waren in Europa 2016/2017 schon einmal ganz nahe an einem europaweiten Verbot dran – verhindert wurde ein solches nur durch den Alleingang des damaligen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU). 2018 warnten wir vor und auf der Bayer-Hauptversammlung eindrücklich vor der Übernahme von Monsanto.

Derzeit klagen wir auf EU-Ebene gemeinsam mit einigen Partnerorganisationen gegen die Zulassung von Glyphosat. Ein Verbot wäre in jedem Land der Welt ein Segen für Biodiversität, Gesundheit und Böden. Aber es wird nicht von alleine kommen – und schon gar nicht von Bayer selbst. Er wird politisch oder juristisch erkämpft werden müssen. Wir freuen uns, wenn Sie uns dabei unterstützen!

Gemeinsam stark!

Mit einer Spende machen Sie unsere Arbeit möglich

Weitere Meldungen zum Thema

Umwelt unter Druck: Was die neue Regierung plant

Welt und Handel

– Deutschland bekommt eine neue Regierung, Union und SPD haben ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Zwar konnten einzelne problematische Vorhaben verhindert werden. Doch insgesamt drohen massive Rückschritte beim Klima- und Umweltschutz. Wir ordnen die wichtigsten Inhalte für Sie ein.

Umwelt unter Druck: Was die neue Regierung plant

Studie bestätigt: Pestizide flächendeckend nachweisbar

Landwirtschaft

– Eine aktuelle Studie der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) zeigt, dass Pestizide nicht dort bleiben, wo sie ausgebracht werden. Sie verbreiten sich über weite Strecken durch die Luft und belasten auch Wohn- und Schutzgebiete.

Studie bestätigt: Pestizide flächendeckend nachweisbar

Gartentipps für den Frühling

Landwirtschaft

– Der Frühling ist da – und mit ihm die beste Zeit, um Garten und Balkon ökologisch auf die Saison vorzubereiten. Wir zeigen, wie Sie mit einfachen Maßnahmen Lebensräume für Tiere schaffen, die Artenvielfalt fördern und ganz nebenbei den Grundstein für eine reiche Ernte und Blütenfülle legen.

Gartentipps für den Frühling
Zurück nach oben