Mit dem „Food and Feed Safety“-Omnibus plant die EU-Kommission tiefgreifende Änderungen im europäischen Lebensmittel- und Pestizidrecht. Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus werden zentrale Schutzmechanismen geschwächt, die bislang den Schutz von Umwelt und Gesundheit sichern. Das Umweltinstitut kritisiert das Paket als Weihnachtsgeschenk für die Pestizidindustrie.

Besonders gravierend ist die geplante Änderung der Pflanzenschutzmittel-Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, die das bestehende System zeitlich befristeter Wirkstoffgenehmigungen auf den Kopf stellt: Bisher darf die EU Pestizidwirkstoffe nur für einen begrenzten Zeitraum genehmigen, danach müssen sie verpflichtend erneut wissenschaftlich überprüft werden. Dieses Verfahren stellt sicher, dass neue Erkenntnisse zu Gesundheitsgefahren, Umweltrisiken oder Langzeitwirkungen in die Bewertung einfließen.

Der Omnibus-Vorschlag sieht nun vor, dass Pestizidwirkstoffe künftig grundsätzlich unbefristet genehmigt werden können, sofern sie nicht bereits als besonders problematisch eingestuft sind. Die bislang vorgeschriebene regelmäßige Neubewertung entfällt damit für den Großteil der Wirkstoffe. Zwar bleibt die Möglichkeit bestehen, Wirkstoffe bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erneut zu überprüfen. Doch das Umweltinstitut sieht in diesen anlassbezogenen Prüfungen keine systematischen, periodischen Kontrollen der zugelassenen Pestizidwirkstoffe im Sinne des Vorsorgeprinzips.

Gleichzeitig betont die EU-Kommission, das hohe Schutzniveau für Umwelt und Gesundheit bleibe gewahrt. Aus Sicht des Umweltinstituts steht diese Behauptung in klarem Widerspruch zu den tatsächlichen Auswirkungen des Gesetzespakets. Dazu Fabian Holzheid, Geschäftsführer am Umweltinstitut München: „Die wiederkehrende Überprüfung von Pestiziden ist ein zentrales Element des europäischen Verbraucherschutzes. Wird sie abgeschafft, erhöht sich die Gefahr deutlich, dass Pestizide über Jahrzehnte im Einsatz bleiben, obwohl sie untragbare Risiken für Umwelt und Gesundheit bergen. Wie schnell ein Wirkstoff unter falschen Voraussetzungen zugelassen wird, sehen wir gerade am Beispiel von Glyphosat: Eine Studie musste zurückgezogen werden, weil sie von Monsanto manipuliert worden war. Diese Studie wurde 25 Jahre lang als Beleg für die vermeintliche Harmlosigkeit des Unkrautvernichters herangezogen.

Darüber hinaus sieht der „Food and Feed Safety“-Omnibus weitere problematische Lockerungen vor. So sollen Abverkaufs- und Aufbrauchfristen für Pflanzenschutzmittel unter bestimmten Umständen auf bis zu drei Jahre verlängert werden können, selbst wenn die Genehmigung eines Wirkstoffs widerrufen wurde. „Vereinfachen“ möchte die EU-Kommission auch die Möglichkeit, Notfallzulassungen für Pestizide zu erteilen. Dem neuen Vorschlag zufolge sollen besonders gefährliche Pestizide bis zu fünf Jahre lang zugelassen werden können, unter der Voraussetzung, dass keine (auch wirtschaftlich) „zumutbare“ Alternative verfügbar ist.

„Mit den Regelungen zu einfacheren Notfallzulassungen und verlängerten Aufbrauchsfristen gibt die Kommission einer zentralen Forderung der Pestizidindustrie – „kein Verbot ohne Alternative“ – nach, der die Hürden im bisherigen Gesetz noch zu hoch waren. Durch die neuen Regelungen drohen Pestizide noch länger auf den Feldern zu landen, obwohl sie sich als unsicher und gefährlich herausgestellt haben. Dem Missbrauch von Notfallzulassungen und Aufbrauchfristen wird mit dem vorliegenden Entwurf Tür und Tor geöffnet“, so Holzheid weiter. „Der von der Kommission veröffentlichte Vorschlag für den ‚Food and Feed Safety‘-Omnibus bleibt trotz einiger weniger Verbesserungen gegenüber den geleakten Entwürfen ein Weihnachtsgeschenk für die Pestizidindustrie – auf Kosten der Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie unserer Umwelt“.

Das Umweltinstitut München hat gemeinsam mit foodwatch eine Online-Petition gegen die Pläne der EU-Kommission gestartet. Dieser haben sich bereits mehr als 88.000 Menschen angeschlossen.

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