Atmosphärenwissenschaftler:innen führen die Emissionen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Chemiefabrik der Solvay GmbH zurück. Obwohl das Unternehmen offiziell nur 56 Kilogramm SF₆-Emissionen pro Jahr meldet, weisen neue Analysen auf einen Ausstoß von rund 30 Tonnen jährlich hin – ein gravierender Unterschied, der alarmiert und dringenden politischen Handlungsbedarf offenbart. Denn SF₆ ist eines der gefährlichsten bekannten Treibhausgase. Es wirkt rund 24.000-mal stärker als CO₂ und verbleibt über Jahrtausende in der Atmosphäre. Emissionen in dieser Größenordnung entsprechen jährlich rund 729.000 Tonnen CO₂-Äquivalent.

Wenn eine einzelne Industrieanlage über Jahre Emissionen in der Größenordnung des innerdeutschen Flugverkehrs produziert, stellt das eine klimapolitische Katastrophe dar. Sollten diese Emissionen auch noch aufgrund von Nachlässigkeit in die Atmosphäre gelangen, dann wirft der Fall zudem massive Fragen zur Glaubwürdigkeit industrieller Selbstauskünfte und zur behördlichen Kontrolle auf“, sagt Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer am Umweltinstitut München.

In einem heute veröffentlichten offenen Brief fordert das Umweltinstitut die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker dazu auf, sofort unabhängige Messungen zu veranlassen. Diese sollten ohne Beteiligung des Betreibers stattfinden und vollständig öffentlich zugänglich sein. Nur so lässt sich zweifelsfrei feststellen, in welchem Umfang die Emissionen tatsächlich auftreten und woher sie stammen. Darüber hinaus mahnt das Umweltinstitut an, dass sämtliche SF₆-Emissionen in Baden-Württemberg transparent erfasst werden müssen, einschließlich konkreter Standorte und Mengen. Bis alle offenen Fragen geklärt sind, verlangt die Organisation ein befristetes Produktions- und Emissionsverbot für alle mit SF₆ verbundenen Prozesse bei der Solvay GmbH. Ein solches Moratorium sei notwendig, um weiteren Schaden zu verhindern und das Vertrauen in eine wirksame staatliche Aufsicht wiederherzustellen.

Ein ‚Hotspot‘ wie Bad Wimpfen zeigt, dass unerkannte reale Emissionen zu einer erheblichen Unterschätzung des gesamten Treibhausgasausstoßes führen können. Die Konsequenzen gehen weit über die Region hinaus“, so Fabian Holzheid weiter. „Die Landesregierung muss jetzt schnell und entschlossen handeln, um die SF₆-Emissionen zu stoppen und den Fall lückenlos aufzuarbeiten.

Quellen

https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsestair.5c00234
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/bad-wimpfen-weltweit-gefaehrlichstes-treibhausgas-ueber-sueddeutschland-nachgewiesen-a-0aefa4b5-ad37-44d4-a581-1e5a05d9eebd

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