Pestizide: Wie Gesundheitsgefahren verschwiegen wurden
Mehrere Agrochemie-Konzerne wie Syngenta und Bayer/Monsanto haben im EU-Zulassungsverfahren von diversen Pestizidwirkstoffen Studien zurückgehalten, die auf erhebliche Gesundheitsgefahren hinweisen. In den zurückgehaltenen Studien wurden etwa Entwicklungsstörungen bei Föten und Kindern festgestellt. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Universität Stockholm. Wir fordern: Die Zulassung der betroffenen Mittel muss gestoppt werden, bis eine umfassende Bewertung vorliegt!
Wurden Studien bewusst zurückgehalten?
Die Wissenschaftler:innen der Universität Stockholm haben sich Folgendes gefragt: Wurden Studien zu einer bestimmten Art von Toxizität, nämlich der Entwicklungsneurotoxizität (sog. DNT-Studien), die bei der US-Umweltschutzbehörde im dortigen Zulassungsverfahren eingereicht wurden, auch den EU-Behörden vorgelegt?
Das Ergebnis:
In neun Fällen wurden sogenannte DNT-Studien von den Herstellern zwar durchgeführt, in der EU jedoch nicht eingereicht. Bei sieben dieser Studien haben die Wissenschaftler:innen festgestellt, dass die Ergebnisse der Studien Auswirkungen auf die Zulassung der Pestizidwirkstoffe hätten haben können. Denn in den Studien zeigten sich negative Effekte, wie etwa eine veränderte Bewegungsfähigkeit oder Gehirngröße. In drei Fällen hat das spätere Bekanntwerden der zurückgehaltenen Studien bereits tatsächlich zu einer Neubewertung der Pestizide geführt. In vier weiteren Fällen prüfen die Behörden aktuell noch, ob eine Änderung der Zulassung angebracht ist.
Hersteller haben bei diversen Pestizidwirkstoffen wichtige Studien für die Risikobewertung zurück gehalten. Die Studien zeigen u.a. negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Föten und Kindern. Das muss Konsequenzen haben!
Bevor Pestizide in der EU eingesetzt werden dürfen, müssen sie ein offizielles Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Pestizidhersteller, die eine Zulassung beantragen, stellen dafür Daten – in Form von Studien, die sie selbst beauftragen und bezahlen – bereit. Die EU-Behörden bewerten diese und ziehen daraus eine wissenschaftliche Schlussfolgerung. Diese Schlussfolgerung wird veröffentlicht und an alle Mitgliedstaaten der EU weitergegeben. Auf Grundlage dieser Schlussfolgerung wird dann über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung eines Pestizids entschieden, unter Beteiligung der Mitgliedstaaten.
In der EU stützt sich die Sicherheitsbewertung von Pestiziden damit in hohem Maße auf Studien, die von den Herstellerkonzernen in Auftrag gegeben werden. Laut Gesetz müssen alle durchgeführten Studien in das Dossier aufgenommen werden, das den Behörden bei der Beantragung der Zulassung oder Erneuerung eines Pestizidwirkstoffs vorgelegt wird.
Um diese Pestizidwirkstoffe geht es
Fenamidone und Fenamiphos: Inzwischen aus anderen Gründen EU-weit verboten.
Abamectin: Anwendungsgebiete wurden nach Kenntnis über zurückgehaltene Studien eingeschränkt.
Ethoprophos: Kenntnis über zurückgehaltene Studien hat zum EU-weiten Verbot des Wirkstoffs beigetragen.
Buprofezin und Fluazinam: Änderung oder Beendigung der Zulassung wird derzeit geprüft; in DE zugelassen.
Glyphosat-Trimesium: Spezielles Glyphosat-Salz; in der EU nicht zugelassen. Zurückgehaltene Studien wurden dennoch in die aktuell laufende Neubewertung von Glyphosat mit aufgenommen. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat die Studien von der Neubewertung von Glyphosat jedoch ausgeschlossen, während die Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) noch nicht öffentlich ist
Pymetrozin: Inzwischen aus anderen Gründen EU-weit verboten; zurückgehaltene Studie trug zur Einstufung als vermutlich reproduktionstoxisch bei.
Pyridaben: In der EU noch bis 2026 zugelassen; Änderung oder Beendigung der Zulassung wird geprüft; derzeit keine Zulassung in Deutschland.
Die Autor:innen der Untersuchung kommen zu folgenden Schlüssen:
Die Nichtoffenlegung von DNT-Studien gegenüber EU-Behörden scheint trotz klarer rechtlicher Anforderungen ein wiederkehrendes Phänomen zu sein.
Die Nichtoffenlegung von Studien kann zu einer Verzerrung bei der Risikobewertung von Pestizidwirkstoffen führen.
Ohne vollständigen Zugang zu allen durchgeführten Toxizitätsstudien kann es keine zuverlässige Sicherheitsbewertung von Pestiziden durch EU-Behörden geben.
Missverhalten der Konzerne darf nicht folgenlos bleiben!
Das Einleiten rechtlicher Schritte gegen die verantwortlichen Konzerne muss jetzt von der EU-Kommission eingehend geprüft werden. Denn es besteht die Pflicht für Herstellerkonzerne bzw. Zulassungsinhaber, potenziell schädliche oder unannehmbare Auswirkungen von Pestiziden an die zuständigen Behörden zu melden. In diesen Fällen ist das eindeutig unterlassen worden!
Darüber hinaus muss in Frage gestellt werden, ob es angesichts des Verhaltens der Konzerne nach wie vor haltbar ist, die Sicherheitsbewertung von Chemikalien in erster Linie auf Studien beruhen zu lassen, die die Konzerne selbst durchführen oder in Auftrag geben.
Die EU muss nun außerdem gründlich prüfen, ob es nicht weitere Studien zu Gesundheits- oder Umweltgefahren gibt, die die Herstellerkonzerne nicht in die Zulassungsverfahren von Pestizidwirkstoffen eingebracht haben.
Deutschland muss Zulassungen stoppen!
In Deutschland müssen die Zulassungen der Mittel, die die entsprechenden Pestizidwirkstoffe enthalten, umgehend ausgesetzt werden, bis eine umfassende Bewertung der zurückgehaltenen Studien vorliegt. Dies betrifft Mittel, die die Wirkstoffe Fluazinam oder Buprofezin enthalten.
Die Anwendung von Mitteln, die den Wirkstoff Abamectin enthalten, wurde zwar aufgrund des Bekanntwerdens der zurückgehaltenen Studien und der daraus hervorgehenden Gesundheitsgefahren bereits eingeschränkt. Dennoch können Pestizide, die Abamectin enthalten, in Deutschland immer noch für die private Anwendung erworben werden. Dies muss umgehend gestoppt werden!
Mit unseren Informationskampagnen und Aktionen möchten wir aufklären und Menschen On- und Offline in Bewegung bringen. Machen Sie mit, helfen sie uns die Öffentlichkeit zu informieren und geben sie unseren Forderungen mit Ihrer Stimme Gewicht!
113.088/175.000 Einträge
Artenvielfalt schützen, Glyphosat stoppen!
Mitmach-Aktion
Fordern Sie die deutsche Bundesregierung auf, gegen die erneute Zulassung von Glyphosat zu stimmen!
Patent auf Tomaten: Umweltinstitut erhebt Einspruch
Landwirtschaft
–
Der Saatgutkonzern Vilmorin hat ein Patent auf herkömmlich gezüchtete Tomaten erhalten. Laut EU-Patentrecht ist das verboten. Wir haben gemeinsam mit dem Bündnis No Patents On Seeds Einspruch gegen das Patent eingelegt.
–
Zehntausende Menschen in den USA machen das Pestizid Glyphosat für ihre Krebserkrankung verantwortlich – und klagen. Doch statt Verantwortung zu übernehmen, versucht der Bayer-Konzern mit Lobbyarbeit künftige Klagen zu verhindern.
–
Deutschland bekommt eine neue Regierung, Union und SPD haben ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Zwar konnten einzelne problematische Vorhaben verhindert werden. Doch insgesamt drohen massive Rückschritte beim Klima- und Umweltschutz. Wir ordnen die wichtigsten Inhalte für Sie ein.