Kein Deal mit Milei!
Seit über 20 Jahren verhandelt die EU mit den lateinamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay über das EU-Mercosur-Abkommen. Ausgerechnet mit dem rechtsextremen argentinischen Präsidenten soll es jetzt zum Abschluss kommen.
Ludwig Essig · Lesezeit: 3 Minuten
Es ist ruhiger geworden um den argentinischen Präsidenten Javier Milei. Der ultrarechte Staatspräsident, der sich selbst als “Anarcho-Kapitalist” beschreibt, hat sein Land einer Schocktherapie unterzogen. Symbolisch fuchtelte er im Wahlkampf mit einer Kettensäge herum, um alles zu zersägen, was seiner Ansicht nach dem wirtschaftlichen Wiederaufschwung Argentiniens im Weg steht. Darunter der Staat selbst. So hat er gleich zu Beginn seiner Amtszeit per Notverordnung das Gesundheitswesen zur Privatisierung freigegeben, den Mieterschutz abgeschafft, das Streikrecht, den Umweltschutz und die Landrechte der Indigenen stark eingeschränkt.
Javier Milei: Ein Popstar der internationalen Rechten
Mit Lederjacke und zerzaustem Haar erinnern die Bühnenauftritte von Milei eher an einen Rocker als an einen Staatschef. Milei weiß genau, wie er auftreten muss, um zu polarisieren. Er beleidigt den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva und seinen spanischen Amtskollegen sowie dessen Frau, woraufhin der argentinische Botschafter sofort einberufen wird. Gleichzeitig verbrüdert er sich mit Giorgia Meloni, Marine Le Pen und Viktor Orbán und tritt als Stargast bei einer Wahlkampfveranstaltung der rechtsextremen spanischen Partei VOX auf. Auch in Deutschland erhält er Unterstützung von der AfD-nahen Hayek-Gesellschaft und wird in Hamburg mit einer Medaille geehrt. „Rostige Kettensäge“ für Präsident Milei
Politik gegen das eigene Volk
In Argentinien zeigt sich, was passiert, wenn neoliberale, rechtsextreme Kräfte das Ruder übernehmen. Um die Finanzziele der Regierung zu erreichen, streicht Milei die Altersrenten, nimmt hohe Arbeitslosenquoten, niedrige Reallöhne und Hungertote in Kauf. Diese anti-soziale Politik wird von einem Frontalangriff auf die Natur begleitet: Ressourcen werden zur Ausplünderung freigegeben und Mittel für die Bekämpfung von Waldbränden gestrichen. Erste Zahlen mögen Mileis Kurs recht geben, da die Inflationsraten sinken, aber dies ist kein nachhaltiger Aufschwung. Milei opfert die soziale Absicherung von Millionen Argentinier:innen, einzigartige Naturschätze und die Demokratie des Staates. Damit befeuert er einen Teufelskreis, der langfristig der Wirtschaft mehr schadet als nützt.
Na und?
Die aktuelle Bundesregierung trat mit einer feministischen Außenpolitik und dem Konzept der nachhaltigen Wertepartnerschaft an. Doch diese Politik hat ihre Grenzen, wenn es um eigene Vorteile geht. Brüssel und Berlin wollen sicheren und billigen Zugang zu Rohstoffen wie Eisenerz, Bauxit, Kupfer und Lithium sicherstellen, deren Abbau in ökologisch sensiblen Regionen Umweltkatastrophen verursacht und die Lebensgrundlagen lokaler Gemeinschaften zerstört. Gleichzeitig sucht die Auto- und Chemieindustrie neue Absatzmärkte für ihre klimaschädlichen Produkte, die in der EU nicht zugelassen sind. Lateinamerika scheint ein geeigneter Markt dafür zu sein.
Der Giftvertrag EU-Mercosur
Seit 1999 verhandelt die EU mit den Mercosur-Staaten ein Freihandelsabkommen, das heute wie ein Relikt aus einer anderen Zeit wirkt. Nach Inkrafttreten sollen Importe von Hühner- und Rindfleisch, Rohrzucker und Bioethanol stark ansteigen, was Preisdumping und Höfesterben in Europa verstärken sowie die großflächige Abholzung im Amazonasgebiet weiter befeuern würde. Der Rohstoffhunger der EU hat für die Menschen im Mercosur dramatische Folgen, da das Abkommen keinerlei wirksame Mechanismen zur Unternehmensverantwortung enthält. Verstöße gegen internationale Abkommen zum Schutz von Mensch und Umwelt bleiben absichtlich ohne Folgen. Somit verschärft das Abkommen Landkonflikte und humanitäre Krisen.
Mit Milei noch gefährlicher
Um es positiv auszudrücken, beruhen die meisten Handelsabkommen der EU auf dem gegenseitigen Vertrauen mit den Handelspartnern. Denn Verstöße gegen internationale Abkommen, wie das Arbeitsrecht oder Klimaverträge, bleiben absichtlich ohne Sanktionen. Für die Menschen und die Natur ist das ein hochriskantes Unterfangen. Doch Milei verstößt bereits gegen wichtige internationale Verpflichtungen, bevor das Handelsabkommen überhaupt abgeschlossen ist. Die EU sendet damit ein fatales Signal: Wenn es zu unserem Vorteil ist, treiben wir Handel – egal mit wem und ohne Rücksicht auf Verluste. Wo man bei Bolsonaro noch einen Wertekompass hatte, scheint dieser mittlerweile verloren.