Dem deutschen Atomausstieg war eine intensive Debatte vorangegangen – getrieben vor allem von atomfreundlichen Politiker:innen der Parteien CDU/CSU und FDP, die verschiedenste Horrorszenarien an die Wand gemalt haben: Die Versorgung sei gefährdet, Strom würde unsagbar teuer, die Netze brächen zusammen, Stromausfälle würden drohen. Ein Jahr nach dem Abschalttermin nehmen wir uns Zeit für einen Rückblick.

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Vor einem Jahr feierten wir ein AKW-Abschaltfest.

Wer hat den Atomausstieg eigentlich beschlossen?

Zunächst lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit: In Reaktion auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 wurde der Atomausstieg bis Ende 2022 von einer breiten Mehrheit im Bundestag in der Koalition aus CDU/CSU und FDP unter Kanzlerin Angela Merkel beschlossen. Fukushima hat vor Augen geführt, dass auch in Reaktoren „westlicher Bauart“ unvorhergesehene Ereignisse zu schweren Unfällen führen können. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und einer möglichen Gasmangellage im Winter 2022/2023 entschied sich die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP für eine begrenzte Laufzeitverlängerung im sogenannten Streckbetrieb bis zum 15. April 2023. Vorausgegangen ist eine jahrzehntelange Geschichte des zivilen Widerstands gegen die Nutzung der Atomenergie. Der Atomausstieg in Deutschland ist daher letztlich ein Erfolg der Umwelt- und Friedensbewegung.

Wie hat sich der Atomausstieg auf den Strompreis ausgewirkt?

Laut Bundesnetzagentur sind die Auswirkungen des Atomausstieg auf die Strompreise extrem gering.  Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und des folgenden Stopps der Gaslieferungen aus Russland sind die Strompreise sowohl an der Börse, als auch für die Endverbraucher gestiegen. Atomstrom hatte 2022 nur noch einen sehr geringen Anteil am Strommix von rund sechs Prozent. Viel entscheidender für die Preisbildung war der Gaspreis sowie der von der Bundesregierung für Endverbraucher eingeführte Strompreisdeckel.

Gab es einen Blackout durch den Atomausstieg?

Rückblickend lässt sich sagen, dass die Energieversorgung im Winter 2022/2023 relativ entspannt war. Die viel thematisierten Blackouts, also größere Stromausfälle, blieben aus und sind auch in Zukunft nicht zu befürchten. Das Risiko wurde zudem durch die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen minimiert.
Das Umweltinstitut hatte sich im Herbst 2022 aus Sicherheitsgründen dafür ausgesprochen, die unwahrscheinlichen Fälle einer Strommangellage durch Priorisierung und besondere Einsparmaßnahmen bei Großverbrauchern abzufangen und so Stromausfälle zu vermeiden.

Importiert Deutschland nun Atomstrom aus anderen Ländern?

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland etwa 493 Terrawattstunden (TWh) an Strom verbraucht. Deutschland ist eingebettet in den europäischen Strommarkt – Import (64 TWh) und Export (53 TWh) hielten sich dabei ungefähr die Waage. Die Differenz, also der Netto-Import machte 2023 rund zwei Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland aus. Neben Strom aus erneuerbaren und fossilen Quellen wird auch Atomstrom aus z. B. Tschechien oder Frankreich importiert. Entscheidend dafür sind die angebotenen Preise. Diese wiederum sind davon beeinflusst, dass zum Beispiel Frankreich Atomstrom sehr stark staatlich subventioniert. Der zunehmende Anteil an erneuerbarer Energie in Deutschland wirkt sich umgekehrt positiv auf die Klimabilanz des europäischen Strommixes aus. Die im Jahr 2022 nuklear erzeugte Energiemenge von rund 30 Terawattstunden (TWh) wurde übrigens bereits jetzt zum Großteil kompensiert: Laut Daten des Fraunhofer Institut (ISE) stieg die Produktion aus erneuerbaren Energien allein im Jahr 2023 um rund 20 TWh im Vergleich zum Vorjahr.

Ende gut alles gut? Welche Atomgefahren bleiben nach dem Abschalten der AKW?

Neben der immensen Aufgabe, den verbliebenen Atommüll möglichst sicher zu verwalten, bleiben auch die Atomfabriken in Lingen und Gronau aktiv. Durch den geplanten Einstieg der russischen Atomfirma TVEL, welche zum staatlichen Atomkonzern Rosatom gehört, ergeben sich dadurch nicht nur umwelt- sondern auch sicherheitspolitische Risiken. Auch die Forschung an neuen Atomkraftwerken wird weiterhin in Deutschland vorangetrieben, etwa im Joint Research Center in Karlsruhe.

Welche Rolle spielt Atomkraft in der europäischen Energiewirtschaft?

Weltweit stagniert die Erzeugung von Strom aus Atomkraft, während die Erzeugung durch Erneuerbare sehr stark wächst. In Europa ist Atomkraft auf dem absteigenden Ast, viele Kraftwerke erreichen das Ende ihrer Laufzeit, Neubauprojekte erleben massive Verzögerungen und Kostensteigerungen. Das European Environmental Buero weist in einer aktuellen Analyse darauf hin, dass Energiesparen und der Ausbau der Erneuerbaren dringend nötig ist, um die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Emissionsminderung zu erreichen. Diese Maßnahmen können gleichzeitig den Atomausstieg abdecken und sind effektiver und kostengünstiger als ein Festhalten an der Atomkraft.

Trotz der sinkenden Relevanz der Atomstrom versucht die Atomlobby bei jeder Gelegenheit staatliche Finanzmittel für den Bau neuer Atomkraftwerke zu sichern, und somit Geld für echten Klimaschutz und zur Bewältigung sozialer und ökologischer Krisen abzuziehen. So auch Ende März auf einem Gipfel in Brüssel. Gemeinsam mit über 600 Organisationen haben wir deshalb eine Deklaration für sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energie für alle veröffentlicht.

Das Umweltinstitut engagiert sich seit seiner Gründung nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gegen Atomkraft. Und wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, bis wir ein 100 Prozent erneuerbares Energiesystem ohne Atomkraft erreicht haben.

 

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