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Die Staats- und Regierungschef:innen bei der COP 28: Werden sie den dringend nötigen Ausstieg aus den fossilen Energien beschließen?

Würden Sie zu einer Konferenz über Waldbrände Brandstifter einladen, um mit ihnen über den Schutz der Wälder zu diskutieren? Vermutlich eher nicht. Auf der 28. Weltklimakonferenz in Dubai passiert aktuell aber genau das: 2456 Lobbyisten der Fossil-Industrie haben Zugang zur diesjährigen ‘Conference of Parties’ (COP) erhalten. Das sind fast viermal so viele Lobbyisten wie letztes Jahr und mehr als jemals zuvor. Die fossile Lobbymacht verfolgt ein großes Ziel bei dieser Klimakonferenz: Verhindern, dass sich die Weltgemeinschaft auf ein bedingungsloses und rasches Ende der fossilen Energien einigt. Zwar wäre dies dringend nötig, um wenigstens das im Pariser Klimaabkommen als absolut letzte Grenze festgelegte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, doch es wäre eben auch das Ende einer Industrie, die vor allem ihre eigenen Profite im Blick hat.

Interessenskonflikte auf höchster Ebene

Zusätzlich zu den Lobbyisten erschwert das Prozedere der Konferenzen den Fortschritt: Gegen ein Ende der fossilen Energien stemmen sich vor allem die Öl- und Gasexporteurländer Saudi-Arabien, Russland und Irak. Da Entscheidungen auf COPs bislang fast immer im Konsensverfahren getroffen worden sind, haben einzelne Länder quasi Veto-Rechte und können aus kurzsichtigen Eigeninteressen den globalen Fortschritt torpedieren. Kurioserweise sind die Regeln für die Verhandlungsführung aber nie festgelegt worden und werden deshalb immer wieder neu vereinbart – hier wäre Spielraum für den Präsidenten der COP28, Sultan Al Jaber, der gleichzeitig Chef der staatlichen Ölfirma der Vereinigten Arabischen Emirate ist. Wenn Al Jaber wirklich wollte, könnte er zeigen, dass er es ernst meint mit dem Klimaschutz: er könnte die Bedenken der Ölförderländer ignorieren und einen Beschluss herbeiführen, der einen schnellen und vollständigen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 und aus Öl und Gas bis 2035 vorsieht. Angesichts des massivem Interessenskonflikts sowie kürzlich publik gewordener Äußerungen, in denen er den wissenschaftlichen Konsens über das 1,5-Grad-Ziel in Frage gestellt hat, verweisen wir derartige Entwicklungen aber leider in das Reich der Träume.

Was bleibt: 5 Jahre, 7 Monate, 15 Tage, 4 Stunden

Dabei ist keine Zeit mehr für weitere Verzögerungstaktiken beim Ausstieg aus den fossilen Energien. Wie dringlich die Klimakrise ist, zeigt sich sehr anschaulich durch das Konzept eines Kohlenstoffbudgets – der Menge an CO2, die noch ausgestoßen werden darf, um mit einer gewissen Sicherheit nicht über 1,5-Grad Erderhitzung zu kommen. Bezogen auf die aktuellen weltweiten Emissionen, ist diese Grenze nach Berechnungen des Thinktanks MCC in gut fünfeinhalb Jahren erreicht. Je schneller wir die Emissionen deutlich senken, desto länger wird der Zeitraum, in dem wir uns um die schwierig zu reduzierenden Emissionen, wie etwa aus der Stahl- und Zementproduktion, Gedanken machen können. Machen wir aber weiter wie bisher, ist im Frühjahr 2028 die 1,5-Grad-Grenze erreicht. Danach wird die Welt nicht untergehen. Aber langfristig droht die Klimakrise die menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen, zu zerstören. Eine weitere Erhitzung gilt es daher unbedingt zu vermeiden.

Abscheiden statt vermeiden?

Um von dem notwendigen Ende von Kohle, Öl und Gas abzulenken, streut die fossile PR-Maschine aber lieber Politiker:innen aller Länder Sand in die Augen: Natürlich wolle man so schnell wie möglich auf „Netto-Null“ kommen – aber deshalb müsse man doch nicht auf die angeblich so dringend benötigten Treibstoffe verzichten. Ganz einfach könne Kohlendioxid aus den Abgasen der fossilen Verbrennung abgeschieden und in unterirdischen Depots gelagert werden. Dank dieses „Carbon Capture and Storage“ (CCS) soll es dann wohl nicht nur möglich sein, Erdöl- und Erdgasfelder weiterhin auszubeuten, sondern gleich noch jede Menge neue fossile Projekte zu lancieren. Doch die Technik der Kohlendioxid-Abscheidung und Speicherung ist unausgereift: die meisten der bisherigen „Flagship“-Anlagen sind komplett gefloppt oder haben ihre Ziele nicht erreicht. Auch ist fraglich, wie sicher und wie lange das aus den Abgasen abgeschiedene CO2 überhaupt gespeichert werden kann. In jedem Fall ist die Menge an behaupteter CO2-Abscheidung derzeit nur etwa ein Tausendstel der tatsächlichen CO2-Emissionen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der CO2-Emissionen reduziert werden müssen, ist es der einfachere, günstigere und vor allem sicherere Weg, Emissionen drastisch zu reduzieren.

Ein Hoffnungsschimmer: Der Ausbau der Erneuerbaren

Hoffnung macht dagegen der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien. Ziel der deutschen Verhandlungsdelegation etwa ist eine weltweite Verdreifachung der installierten Leistung an Sonne-, Wind- und Wasserkraftwerken von derzeit 3400 Gigawatt auf 11.000 Gigawatt im Jahr 2030. Angesichts stark gesunkener Preise für erneuerbare Energien ist dieser Ausbau tatsächlich erreichbar – aber eigentlich auch schon fast ein Selbstläufer, für die es wohl keine Konferenz mit 94.000 Teilnehmenden bräuchte.

Keine wirkliche Rolle spielen wird dagegen der Ausbau der Atomkraft, auch wenn ein paar nimmermüde Verfechter dieser Technologie hier ebenfalls eine Verdreifachung erreichen wollen – allerdings auf einer gänzlich anderen Zeitskala. 2050 soll die Atomkraft nach Wunsch der USA, Frankreichs, Großbritanniens und 19 weiterer Staaten entsprechend ausgebaut sein, auf etwa 1100 Gigawatt. Angesichts der Preisentwicklung auf dem Markt für Solarzellen, Windkraftanlagen, Batterien und Wasserstoff-Speicher gehen die meisten Expert:innen davon aus, dass die Atomkraft schon alleine aus Kostengründen weltweit keine Chance mehr gegen die erneuerbaren Energien haben wird.

Wird es ein Bekenntnis zur Energieeffizienz geben?

Viel wichtiger ist ein anderes Ziel auf dieser Klimakonferenz: Ein Bekenntnis zur Energieeffizienz. Laut Internationaler Energieagentur IEA muss die Steigerungsrate der Energieproduktivität, ein Maß für die Energieeffizienz, bis zum Jahr 2030 verdoppelt werden. Wie groß – und greifbar nahe – das Sparpotential ist, verdeutlichte die IEA in ihrem letztjährigen Bericht zum Thema: In Deutschland könnten so zum Beispiel 40 Milliarden kWh an Strom gespart werden, wenn die komplette Beleuchtung auf LED-Leuchtmittel umgestellt werden würde – die Braunkohleverstromung im Rheinland könnte dann sofort eingestellt werden. Auch Deutschland fordert daher eine Erhöhung der Bemühungen zum weltweiten Energiesparen. Dumm nur, dass die Ampel-Regierung sich gerade selbst ein äußerst unambitioniertes Energieeffizienzgesetz gegeben hat, mit dem ihre eigenen Ziele außer Reichweite sind. Wir vom Umweltinstitut arbeiten gerade daran, Deutschland über europäische Verpflichtungen zu einer Verbesserung seiner Sparmaßnahmen, insbesondere bei der Industrie, zu zwingen. Ein globales Bekenntnis zu mehr Energieeffizienz würde die Diskussion zum Thema auch auf europäischer und deutscher Ebene deutlich beflügeln und wäre dringend notwendig.

Werden die Verursacher endlich zur Kasse gebeten?

Ein vermeintlicher Überraschungscoup gelang der Konferenz – und der deutschen Delegation – gleich zu Beginn der diesjährigen Weltklimakonferenz Ende letzter Woche. So wurde verlautbart, dass der so genannte “Loss and Damage”-Fonds endlich mit Geld ausgestattet sei. Deutschland und einige weitere Ländern hätten insgesamt 300 Millionen Euro bereitgestellt. Dieser Fonds soll aufgrund der Klimakrise entstandene “Verluste und Schäden” in ärmeren Ländern bezahlen und ist eigentlich ein Euphemismus. Gerechterweise müssten wir über Reparationszahlung sprechen, denn es geht um Schäden, die die reicheren Länder ursächlich zu verantworten haben, die aber vor allem in Ländern auftreten, die zur Verursachung der Klimakrise wenig bis nichts beigetragen haben. Laut Schätzungen von Ökonom:innen sind derzeit bereits 100 bis 300 Milliarden Euro jährlich nötig, um die durch die Klimakrise entstehenden Schäden wiedergutzumachen. Mit jedem weiteren Zehntelgrad Erhitzung steigen die Schäden. Der zu Anfang der Konferenz bejubelte „Loss and Damage“-Fonds, der gerade mal zu einem Zehntelprozent gefüllt ist, gibt einen bitteren Vorgeschmack auf die zu erwartenden Ergebnisse der COP 28: Viel Greenwashing gepaart mit exzellenter PR-Arbeit – während die notwendigen harten Entscheidungen weiterhin auf die lange Bank geschoben werden.

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