Vergangenen Freitag sollten die europäischen Mitgliedstaaten darüber entscheiden, ob das Ackergift Glyphosat in der EU verboten oder für weitere zehn Jahre zugelassen werden soll, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Doch weder das Verbot noch die erneute Zulassung erhielten die notwendige Mehrheit. Das bedeutet, dass der Krimi um den Unkrautvernichter in wenigen Wochen im sogenannten Berufungsausschuss fortgesetzt wird, voraussichtlich in der ersten Novemberhälfte.

Zweigeteiltes Bild: links ist ein spritzender Traktor zu sehen und rechts die EU-Flaggen vor der EU-Kommission

Über die Zulassung von Pestizidwirkstoffen wird im ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (kurz: PAFF) der EU-Kommission entschieden.

Ein veränderter Vorschlag der EU-Kommission könnte den Ausschlag geben

Dass keine Mehrheit für weitere zehn Jahre Glyphosat auf den Äckern zustande kam, halten wir für ein gutes Signal. Das zeigt, dass die Sorgen der Menschen hinsichtlich der Auswirkungen von Glyphosat auf die Artenvielfalt und die Gesundheit bei vielen Regierungsvertreter:innen Gehör gefunden haben.

Allerdings können wir keine Entwarnung geben: Im Berufungsausschuss im November könnte noch eine Mehrheit für die Wiederzulassung von Glyphosat zustande kommen. Möglicherweise überarbeitet die EU-Kommission ihren Vorschlag für die erneute Genehmigung von Glyphosat nochmals. Sie könnte beispielsweise eine verkürzte Zulassungsdauer für sieben oder fünf Jahre vorschlagen, um zögerliche Mitgliedstaaten von einer erneuten Zulassung zu überzeugen.

Angesichts des alarmierenden Artensterbens halten wir jedes weitere Jahr mit Glyphosat für unverantwortlich gegenüber Mensch und Natur. Denn der massenhafte Einsatz des Totalherbizids trägt erheblich zum Artensterben bei: Der Unkrautvernichter nimmt vielen Wildtieren die Nahrung oder schädigt sie direkt. Und unabhängige Studien belegen immer wieder, dass Glyphosat schädlich für den Menschen ist.

Wer hat wie abgestimmt?

Landwirtschaftsministerium kehrt Enthaltung unter den Teppich

Die Ampel-Parteien haben im Koalitionsvertrag ein nationales Glyphosat-Verbot ab Anfang 2024 vereinbart und dieses bereits gesetzlich in der sogenannten „Pflanzenschutzanwendungsverordnung“ verankert. Konsequenterweise hat der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) vor der EU-Abstimmung dann auch immer wieder betont, dass er gegen die EU-Zulassungsverlängerung von Glyphosat sei. Denn Glyphosat in Deutschland zu verbieten, wird rechtlich viel schwerer umsetzbar sein, sollte der Stoff auf EU-Ebene weiterhin zugelassen werden.

Und wer am Freitag die Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums zur EU-Abstimmung über Glyphosat las, konnte tatsächlich den Eindruck gewinnen, die deutsche Bundesregierung habe gegen die Wiederzulassung des Gifts gestimmt. Denn darin hieß es: „Deutschland stimmt erneuter Genehmigung von Glyphosat nicht zu“. Hinter dieser irreführenden Formulierung verbirgt sich jedoch die Tatsache, dass sich Deutschland bei der Abstimmung lediglich enthalten hat. Rein rechnerisch zählt eine Enthaltung zwar genauso wie eine „Nein“-Stimme. Doch nur ein „Nein“ ist ein klares politisches Signal und hat Strahlkraft auf andere Mitgliedstaaten, die vielleicht noch unentschlossen sind.

Deutschland muss Stellung gegen Glyphosat beziehen!

Die Enthaltung führt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir auf Uneinigkeiten unter den Koalitionspartnern zurück. Denn während die Grünen gegen die Wiederzulassung von Glyphosat hätten stimmen wollen, sei die FDP dafür gewesen. Diese fadenscheinige Ausrede lenkt aber davon ab, dass sich alle drei Ampelparteien im Koalitionsvertrag bereits eindeutig zum Glyphosat-Ende bekannt haben. Wir erwarten also von den zuständigen Ministerien – dem Landwirtschafts- und dem Umweltministerium, beide in der Hand von Bündnis 90/Die Grünen – bei der Wiederholung der Abstimmung im Berufungsausschuss Verantwortung zu übernehmen und eindeutig Stellung zu beziehen. Auf gar keinen Fall darf sich Deutschland hier erneut enthalten!

Wir fordern von den Minister:innen : Lösen Sie ihr Koalitonsversprechen ein und stimmen sie klar und deutlich gegen die Wiederzulassung von Glyphosat in der EU, um somit die Basis für ein rechtssicheres nationales Glyphosat-Verbot in Deutschland zu schaffen!

So geht es weiter

Sollte auch bei der kommenden Abstimmung wiederum keine qualifizierte Mehrheit zustande kommen, so ist die EU-Kommission am Zug. Denn bei fehlenden Mehrheiten kann sie selbst über das weitere Schicksal von Glyphosat entscheiden, bevor die aktuelle Zulassung am 15. Dezember endet. Sie könnte dann die Zulassung für Glyphosat einfach auslaufen lassen, wie sie es bereits 2017 im letzten Abstimmungskrimi über Glyphosat angekündigt hatte. Oder sie könnte Glyphosat im Alleingang eine erneute Zulassung erteilen.

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