Neue Studie bestätigt: Pestizide aus Südtiroler Apfelanbau erreichen entlegene Bergregionen
Südtirol gilt als das größte zusammenhängende Obstbaugebiet Europas, jeder zehnte in Europa produzierte Apfel stammt aus dieser Region. Diese intensive Obstwirtschaft ist nur möglich, weil in den Plantagen sehr häufig mit chemisch-synthetischen Pestiziden gespritzt wird. Lange Zeit blieb unklar, welche Substanzen wann und in welchem Ausmaß durch die Luft verteilt werden. Bereits 2018 lieferte das Umweltinstitut erste Untersuchungsergebnisse, die nun durch eine aktuelle Studie bestätigt und erweitert wurden. Das Ergebnis ist alarmierend: Pestizide verbleiben nicht an ihrem Ausbringungsort, sondern verbreiten sich bis in die empfindlichen alpinen Ökosysteme der Südtiroler Berge.
Geschützte und abgelegene Gebiete werden kontaminiert

Hoch oben, in den Bergen des Vinschgaus in Südtirol, wirkt die Natur unberührt. Doch atmet man hier wirklich saubere Luft? Sind sensible Arten der alpinen Ökosysteme hier geschützt vor giftigen Stoffen? Die Antwortet lautet leider: Nein!
Dauerbelastung mit Pestiziden
In einem Pilotprojekt untersuchte das Umweltinstitut München 2018 die Verteilung von Pestiziden aus dem intensiven Obstbau im Südtiroler Vinschgau durch die Luft. Das Umweltinstitut nutze dafür sogenannte Passivsammler. Unsere Messungen ergaben ebenfalls, dass die Ackergifte keineswegs dort verbleiben, wo sie ausgebracht werden, sondern sich über die Luft teilweise viele Kilometer weit verbreiten und so auch in entlegene Bergtäler oder geschlossene Ortschaften gelangen. Für das Vinschgau konnten wir außerdem eine Dauerbelastung von Mitte März bis mindestens Ende August mit Pestiziden in der Luft nachweisen. Für Menschen und Umwelt gab es in dieser Zeit keine Pause von den Pestiziden. Es befanden sich außerdem immer unterschiedliche Mittel gleichzeitig in der Luft, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen können.
Im Durchschnitt 38 Pestizideinsätze pro Saison
In den Jahren 2022/2023 konnte das Umweltinstitut zudem auswerten, was real in der Praxis gespritzt wird, und in einem Bericht veröffentlichen. Grundlage waren Spritzhefte von Südtiroler Obstbäuerinnen und -bauern aus dem Jahr 2017, die im sogenannten Pestizidprozess gegen unseren damaligen Agrarreferenten Karl Bär als Beweismittel sichergestellt worden waren. Der Prozess endete mit einem Freispruch.
Die Auswertung zeigte, dass die Apfelplantagen durchschnittlich 38 Mal pro Saison mit Pestizidwirkstoffen behandelt wurden. Von März bis September 2017 gab es im Vinschgau keinen einzigen Tag, an dem nicht gespritzt wurde. Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Einsätze wurden mehrere Mittel zusammen ausgebracht. Dabei kamen am selben Tag bis zu neun verschiedene Mittel auf eine Apfelplantage.
Unsere Forderungen
Im Interesse des Schutzes der Artenvielfalt und menschlichen Gesundheit fordern wir ein Verbot chemisch-synthetischer Pestizide bis spätestens 2035 nicht nur in Südtirol, sondern in der gesamten EU. Bereits bis zum Jahr 2030 soll der Pestizideinsatz um 80 Prozent reduziert werden. Das Umweltinstitut München engagiert sich darüber hinaus für eine konsequente Agrarwende hin zu 100 Prozent Ökolandbau, insbesondere durch bäuerliche, regionale Landwirtschaft. Ein Fortführen der industriellen Landwirtschaft mit Monokulturen, Massentierhaltung und hohem Pestizideinsatz ist für uns keine Option.
Außerdem fordern wir, dass landwirtschaftliche Betriebe ihre Pestizideinsätze transparent offenlegen müssen. Nur so können Risiken für Umwelt und Gesundheit realistisch und wissenschaftlich beurteilt werden. Zudem sind Ziele zur Pestizidreduktion nur dann glaubwürdig und messbar, wenn der Status quo als Vergleichswert bekannt ist.
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