Zerstörte Bahnstrecke im Ahrtal nach der Flutkatastrophe von 2021

Die Klimakrise ist auch in Deutschland längst bittere Realität: Die Flutkatastrophe im Ahrtal wäre ohne die globale Erhitzung extrem unwahrscheinlich gewesen.

“Die Klima-Zeitbombe tickt”, so kommentierte UN-Generalsekretär António Guterres die jüngste Veröffentlichung des Weltklimarats (IPCC). Die UN-Institution aus tausenden Wissenschaftler:innen veröffentlichte diese Woche eine Zusammenfassung ihres diesjährigen Berichts. Dabei handelt es sich um den aktuellsten Stand der Forschung zur Klimakrise und ihren Einfluss auf Mensch und Natur.

Die Klimakrise spitzt sich zu

Das alarmierende Ergebnis: Wenn wir so weitermachen wie bisher, also nur die aktuellen Klimaschutz-Maßnahmen beibehalten, wird sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich um über drei Grad erhitzt haben – und damit eine Temperatur erreichen, die es seit über drei Millionen Jahren nicht mehr auf der Erde gab. Zum Vergleich: Der moderne Mensch ist vor etwa dreihunderttausend Jahren erstmals aufgetreten.

Der IPCC zeigt in seinem Synthesereport zum sechsten Sachstandsbericht eine beeindruckende Grafik, die verdeutlicht, dass die Klimakrise vor allem die jüngsten und noch nicht geborenen Generationen betrifft. Ein 2020 geborenes Kind wird mit dem aktuellen Kurs als Siebzigjährige:r im Jahr 2090 etwa dreimal so viele und noch heißere Hitzeereignisse erleben als heute. Nur entscheiden derzeit eher Menschen aus den Jahrgängen 1970 und älter, wie ambitioniert unsere Klimapolitik ist.

Wie bereits in der Vergangenheit stellen die IPCC-Autor:innen fest, dass es “eindeutig” menschliche Aktivität war, die die globale Durchschnittstemperatur in den letzten etwa einhundert Jahren um 1,1° Celsius erhöht hat. Natürliche Faktoren wie eine variable Sonneneinstrahlung oder Vulkanaktivität hatten in diesem Zeitraum praktisch keinen Einfluss auf das Weltklima. Jede:r Deutsche ist derzeit für etwa neun Tonnen CO2-äquivalente Emissionen verantwortlich. Darin sind geringe Mengen von stark treibhauswirksamen Gasen wie Methan oder so genannten F-Gasen enthalten. Während Deutschland derzeit mit knapp zwei Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes am sechstmeisten emittiert, ist es insgesamt für sogar fast sechs Prozent der historischen Emissionen verantwortlich. Als großes, reiches Industrieland sind wir daher an vorderster Stelle gefragt, um die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft so schnell wie möglich zu bewerkstelligen.

Die Klimaziele stimmen, aber es fehlen die Maßnahmen

An Zielen mangelt es in der Klimapolitik dabei nicht: Politiker:innen sprechen gerne von “Klimaneutralität”, am liebsten in Verbindung mit der Jahreszahl 2050 – wer kann dann schon noch überprüfen, was 2023 wirklich umgesetzt worden ist? Was fehlt, sind die konkreten Maßnahmen, die heute wirken. Wo bleiben das Tempolimit, der massive ÖPNV-Ausbau, das Kohle-Aus, das ambitionierte Energiesparen? Noch immer sind die Investitionen in fossile Energien größer als jene für Klimaschutz- oder -anpassungsmaßnahmen, beklagt der IPCC. Was derzeit noch alles an fossilen Investitionen geplant ist – denken wir dabei auch an die deutschen LNG-Terminals und neue wasserstoffkompatible Gaskraftwerke – ist mit der 1,5-Grad-Grenze nicht vereinbar.

Dabei ist für den IPCC mit sehr hoher Gewissheit (‘very high confidence’) klar: Die Klimakrise ist eine Gefahr für die menschliche und planetare Gesundheit. Mit großer oder gar sehr großer Sicherheit wird die Klimakrise Einfluss auf die Ökosysteme, die Süßwasserversorgung und auf die Ozeane haben. Schon bei 1,5 Grad Erwärmung werden bis zu 90 Prozent der Korallenriffe verschwinden, bei der derzeit zu erwartenden Erhitzung von über drei Grad sind mehr als 60 Prozent aller Bestäuber-Arten gefährdet und das Risiko für ausgedehnte Waldbrände wird sehr hoch. Manche Ökosysteme sind dabei jetzt bereits am Rand des Zusammenbruchs und werden bei weiteren Hitzewellen unwiederbringlich Schaden nehmen. Um gegenzusteuern, bekräftigt der IPCC zusätzlich die Ziele der United Nations Biodiversity Conference (COP15) in Montreal: Wir müssen auf 30-50 Prozent der Fläche unseres Planeten die Landnutzung dem Schutz natürlicher Ökosysteme unterordnen.

Hinter einem Acker sind Freiflächensolaranlagen und Windkraftanlagen zu sehen.

Der IPCC-Bericht betont auch, dass wir die Maßnahmen kennen und die Mittel haben, um die Klimakrise zu stoppen. Wir müssen nur endlich beherzt das fossile Zeitalter beenden.

Die Wende muss dieses Jahrzehnt kommen

Das Möglichkeitsfenster, um eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft für alle zu erhalten, schließt sich dabei rapide: “Die Entscheidungen und Aktionen, die wir in dieser Dekade treffen, werden mit hoher Sicherheit jetzt und für Jahrtausende Einfluss haben”, so der Report. Dabei kann es nicht mehr um einzelne Bereiche gehen – wir brauchen nun alle Maßnahmen auf einmal: Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende – nichts davon ist mehr verzichtbar, nichts davon lässt sich mehr aufschieben. Wenn das 1,5-Grad-Ziel so gut wie verloren ist, müssen wir umso mehr um jedes Zehntelgrad weniger Erhitzung kämpfen. Andernfalls wird es unseren Kindern und Enkel:innen sehr viel schlechter gehen als uns.

Der IPCC-Bericht beinhaltet aber nicht nur eindringliche Warnungen und düstere Prognosen. Er zeigt auch abermals auf, wie viele positive Nebenwirkungen eine schnelle Klimawende mit sich bringt: Klimaschutz heißt, künftige Krisen zu vermeiden. Die Luft wird sauberer, Ökosysteme werden gestärkt, die Ernährung wird gesünder und Böden werden geschützt. Eine nachhaltige Entwicklung trägt auch zur Bekämpfung der weltweiten Armut bei. Klar ist, dass Klimaschutz zwar teuer ist, wir uns keinen Klimaschutz aber überhaupt nicht leisten können.

Wie können Sie handeln?

Die kanadische Klimawissenschaftlerin Katherine Hayhoe empfiehlt als wichtigste Maßnahme, die jede:r einzelne von uns einfach umsetzen kann: Reden Sie über die Klimakrise! Reden Sie mit Ihrer Familie, in Ihrem Freundeskreis, mit Ihren Nachbar:innen über die dringend notwendigen Veränderungen. Informieren Sie sich, gerne bei uns, aber auch in Büchern wie Greta Thunbergs Klima-Buch über den Stand der Wissenschaft und die vielen Lösungen, die bereits existieren, um die Klimakrise abzuwenden. Finden Sie Mitstreiter:innen, um gemeinsam die Klimawende voranzubringen. Werden Sie aktiv bei Ihnen vor Ort und gründen Sie einen Solarentscheid mit der Klimawende von unten, investieren Sie in lohnenswerte Photovoltaik, Gebäudedämmung, Wärmepumpen und werden Sie dadurch zum Vorbild und zur Ansprechperson für Ihre Nachbarschaft. Engagieren Sie sich (gesellschafts)politisch, und zwar gerade auch in konservativen Kreisen, für die dringend notwendige Kurskorrektur.

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