Ein einsames Windrad in Peiting in Oberbayern

Ein alleinstehendes Windrad in Peiting in Oberbayern. Insgesamt sind Windräder in Bayern noch Mangelware.

Glaubt man den Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, so ist Bayern führend beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland: Kein Land investiere so viel wie Bayern; sowohl bei Zubau als auch bei der installierten Leistung sei Bayern auf Platz 1 in Deutschland. Andererseits wurden in Bayern dieses Jahr bisher gerade mal sechs Windräder in Betrieb genommen, in Niedersachsen dagegen 77. Wie passen diese Aussagen also zusammen? Ist Bayern nun Spitzenreiter oder doch eher Schlusslicht beim dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien?

Die Größe eines Bundeslandes ist entscheidend

Fakt ist: Bayern ist das größte Bundesland in Deutschland. Dass hier also mehr Windräder stehen als im Saarland ist erstmal vor allem der Größe des Landes geschuldet und kein besonderer Verdienst bayerischer Energiepolitik. Ein sinnvoller Vergleich von unterschiedlich großen Ländern ist nur möglich, wenn die Größe des Landes berücksichtigt wird. Dies führen wir hier anhand aktueller Daten aus, die wir aus dem Marktstammdatenregister bezogen haben, dem amtlichen Register für alle stromerzeugenden Anlagen. Auf die Landesfläche bezogen landet Bayern bei der installierten Leistung an erneuerbaren Energien derzeit auf Platz neun der 16 Bundesländer – kein Schlusslicht, aber nicht die Position, mit der die CSU gerne Werbung macht.

Installierte Leistung Erneuerbarer-Energien-Anlagen je Bundesland. Photovoltaik-Anlagen sind gelb dargestellt, Windkraftanlagen in hellblau, Biomasse in braun, Wasserkraftwerke in blau. Die installierte Leistung je Bundesland ist auf die Fläche des Bundeslandes bezogen, so dass als Einheit Kilowatt je Quadratkilometer Landesfläche erscheint. Die Liste ist nach der Summe der installierten Leistung sortiert.

Installierte Leistung Erneuerbarer-Energien-Anlagen je Bundesland. Photovoltaik-Anlagen sind gelb dargestellt, Windkraftanlagen in hellblau, Biomasse in braun, Wasserkraftwerke in blau. Die installierte Leistung je Bundesland ist auf die Fläche des Bundeslandes bezogen, so dass als Einheit Kilowatt je Quadratkilometer Landesfläche erscheint. Die Liste ist nach der Summe der installierten Leistung sortiert.

Installierte Leistung und produzierte Strommenge

Um zu beurteilen, wie viel Strom ein Kraftwerk mit variabler Leistung produziert, wird der Begriff der Volllaststunde verwendet. Dafür wird rechnerisch angenommen, dass das Kraftwerk anstatt das ganze Jahr über (also 8760 Stunden) mal mehr und mal weniger Strom zu produzieren, eine kleinere Anzahl an Stunden vollständig ausgelastet ist. Moderne Windkraftanlagen an Land haben, je nach Standort und Jahr, etwa 2000 bis 2500 Volllaststunden elektrischen Strom. Solaranlagen liegen bei etwa 800 bis 1100 Volllaststunden, im Süden etwas mehr, im Norden etwas weniger. Ein Megawatt installierte Leistung in Form von Windkraft produziert also gut doppelt so viel Strom wie ein Megawatt installierter Leistung Photovoltaik.

In der Grafik oben ist zu sehen, dass Bayern bei den erneuerbaren Energien bislang vor allem auf Photovoltaik gesetzt hat und nur relativ wenig Windkraft installiert hat. Bei der produzierten Menge an erneuerbaren Strom fällt Bayern daher noch weiter gegenüber anderen Bundesländern zurück. Dass es so viele Photovoltaik-Anlagen in Bayern gibt, ist außerdem nicht Ergebnis bayerischer Landespolitik, sondern im Wesentlichen Folge des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, eines unter der rot-grünen Koalition eingeführten Bundesgesetzes, und der engagierten Bevölkerung. Auf den meisten Dächern von Schulen, Universitäten und Ämtern sucht man Photovoltaik-Anlagen dagegen vergebens: Im März dieses Jahres waren lediglich 520 von etwa 11.000 staatlichen Dächern mit Solarzellen bestückt.

Beim Umbau unseres Stromsystems zu erneuerbaren Energien ist es außerdem nicht egal, welche erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Schließlich produzieren Photovoltaik-Module nur dann Strom, wenn die Sonne scheint, und Windkraftwerke nur, wenn der Wind weht. Das stellt kein grundsätzliches Problem auf dem Weg zur Energiewende dar. Es bedeutet aber: Wir brauchen einen ausgewogenen Mix aus Solar- und Windkraftwerken.

Wer dagegen den Ausbau der Windkraft ideologisch blockiert, wie es die bayerische Staatsregierung unter den Ministerpräsidenten Seehofer und Söder in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat, verursacht unnötige Extrakosten für Bürger:innen und Wirtschaft.

Wie die Windkraft jetzt voran kommt

Der Windkraftausbau in Bayern kam vor allem im Zuge der sogenannten 10H-Regel quasi zum Stillstand. Die Regel besagt, dass der Abstand eines Windrads zu den nächsten Wohngebäuden das Zehnfache seiner Gesamthöhe betragen muss. Bei einem 200 Meter hohen Windrad beträgt der Mindestabstand also zwei Kilometer – damit ist er mehr als zehnmal so groß wie der Abstand des Atomkraftwerks Isar 2 zur nächsten Siedlung. Die CSU führte diese absurde Regelung ein, um einer vermeintlichen Ablehnung von Windkraftanlagen durch Bürger:innen zuvorzukommen. Inzwischen hat sich der Wind aber gedreht: Die meisten Bürgerentscheide zu Windkraftanlagen gehen mittlerweile pro Windkraft aus!

Dennoch stockt der Ausbau der Windkraft in Bayern weiterhin. Lediglich drei neue Windkraftanlagen wurden im ersten Halbjahr 2023 genehmigt, so antwortete die bayerische Staatsregierung auf eine Anfrage des grünen Abgeordneten Martin Stümpfig vor kurzem. Das ist freilich viel zu wenig, um die Ziele aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz zu erreichen. Dass Bayern es besser kann, zeigt die Zeit vor der “10H”-Regel, als im Schnitt ca. 70 Anlagen pro Halbjahr in Betrieb gesetzt wurden.

Immerhin wirkt mittlerweile auch in Bayern das neue “Wind-an-Land-Gesetz”, ein Bundesgesetz, das jedem Land unter anderem eine Mindestquote an Flächen vorschreibt, die in den nächsten Jahren als sogenannte Vorranggebiete für Windkraft ausgewiesen werden müssen. In diesen Gebieten gelten keine Abstandsflächen mehr. Laut Gesetz muss Bayern bis 2027 1,1 Prozent der Flächen für Windkraft ausweisen (derzeit werden weniger als ein halbes Prozent verwendet), bis 2032 dann 1,8 Prozent.

Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise sowie der fossilen Energiekrise sollte Bayern nun alles daran setzen, die Windkraft zügig auszubauen – zum Wohle der Bürger:innen und der heimischen Wirtschaft. Dafür nötig wären unter anderem eine zügige Ausweisung von verfügbaren Flächen und eine ausreichende Personalausstattung in den Genehmigungsbehörden sowie eine klare politische Leitlinie, dass der Windkraftausbau beschleunigt werden muss. Trotz Lippenbekenntnissen zu “Heimatenergien” sprechen die Zahlen jedoch noch immer eine andere Sprache – Bayern bleibt zumindest in den kommenden Jahren wohl unter den Schlusslichtern beim Ausbau der Windkraft in Deutschland.

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