Im Kampf gegen SLAPP von Südtirol nach Brüssel

Seit der Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft und über 1370 Obstbäuerinnen und Obstbauern Strafanzeigen gegen mehrere Mitarbeiter:innen des Umweltinstituts gestellt haben, wissen wir aus eigener Erfahrung, wie stark strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (englisch SLAPPs) die Arbeit von NGOs erschweren und Aktivist:innen persönlich bedrohen können. Deshalb schlossen wir uns der Koalition gegen SLAPPs in Europe (CASE) an und starteten gemeinsam mit der Organisation „Rettet den Regenwald“ eine Petition, mit der wir die EU-Kommission dazu auffordern, dem Justizmisbrauch durch SLAPPs in Europa den Riegel vorzuschieben. Rettet den Regenwald wurde in einem ähnlichen Fall wie dem unseren vor Gericht gezerrt, weil der Verein die Regenwaldvernichtung eines Palmölkonzerns in Asien angeprangert hatte.

Unterschriftenübergabe gegen SLAPPs

Die Coalition against SLAPPs in Europe (CASE), der das Umweltinstitut angehört, übergibt 213.432 Unterschriften an die EU-Kommission

Wir fordern ein europäisches Anti-SLAPP-Gesetz

Mit der Petition fordern wir die Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz Vera Jourová und den Justizkommissar Didier Reynders dazu auf, ein starkes Anti-SLAPP-Gesetz für Europa vorzulegen. Denn anders als in vielen Ländern (wie z.B. in Südafrika, Australien oder im US-Bundesstaat Kalifornien) gibt es bisher weder in Deutschland noch in einem anderen EU-Mitgliedsstaat Anti-SLAPP-Gesetze. Die EU-Institutionen hätten jedoch die Möglichkeit, eine sogenannte EU-Richtlinie vorzulegen, die dann von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht übersetzt werden müsste. Eine solche europäische Anti-SLAPP-Richtlinie würde ein hohes und einheitliches Schutzniveau gegen SLAPPs in allen Mitgliedstaaten bieten und als Modell für den gesamten Kontinent dienen. Wie eine solche Richtlinie aussehen müsste, um Betroffene wirksam zu schützen und diejenigen, die SLAPPs anstrengen, auszubremsen, hat die CASE-Koalition in ihrer Muster-Richtlinie formuliert.

 

SLAPP-Betroffene legen Zeugnis ab

Ein halbes Jahr lang sammelten wir gemeinsam mit der Organisation „Rettet den Regenwald“ und unseren Verbündeten, darunter viele Medien- und Grundrechtorganisationen wie Reporter ohne Grenzen und die Daphne Caruana Galizia Stiftung, in ganz Europa Unterstützungsbekundungen für unsere Forderungen. Schließlich konnten wir am vergangenen Dienstag die beeindruckende Zahl von 213.432 Unterschriften übergeben. Dafür waren wir mit mehreren Vertreter:innen der CASE-Koalition sowie zwei weiteren SLAPP-Betroffenen vor der EU-Kommission in Brüssel zusammengekommen:

  • Der polnische Aktivist Kamil Maczuga berichtete der Vizepräsidentin der EU-Kommission, wie er von mehreren Gemeinden verklagt wurde, weil er diese gemeinsam mit Jakub Gawron, Paulina Pajak und Pawel Preneta in ein interaktive Karte auf der Website Atlas des Hasses (AoH) aufgenommen hatte. AoH dokumentiert polnische Gemeinden, die Anti-LGBT-Deklarationen veröffentlicht haben (in Deutschland besser bekannt als „LGBT-freie Zonen“).
  • Der niederländische Journalist Okke Ornstein schilderte, wie er Korruption in Panama aufgedeckt und deshalb aufgrund strafbarer Verleumdung inhaftiert wurde. Nachdem Ornstein 2016 über den verurteilten Betrüger Monte Friesner geschrieben hatte, wurde er nach seiner Rückkehr in die Niederlande mit mehreren zivilrechtlichen Verleumdungsklagen von Friesners Partnern konfrontiert.

Stellvertretend für die hunderten Journalist:innen, Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen, Gewerkschafter:innen und alle anderen, die in Europa jedes Jahr die SLAPP-Ohrfeige verpasst bekommen, legten Kamil und Okke Zeugnis davon ab, was dies für sie ganz persönlich bedeutet hat.

Alle SLAPP-Betroffenen brauchen Schutz!

Die Anti-SLAPP-Initiative, welche die EU-Kommission am 23. März vorstellen will, solle sowohl nicht-legislative als auch legislative Elemente beinhalten, so Vera Jourová. Bis dahin werden wir weiterhin Unterschriften sammeln, um darauf hinzuwirken, dass der Vorschlag der Kommission auf ein möglichst breites Fundament fußt. Denn obwohl wir im Umweltinstitut selbst in einem grenzüberschreitenden Fall vor Gericht stehen, findet die Mehrheit der SLAPPs „zuhause“ statt – das heißt, die Person wird in dem EU-Land angezeigt, in dem sie auch lebt. Auch den Schutz dieser Personen muss die EU-Kommission fest in ihrem Gesetzesvorschlag verankern.

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