CETA-Ratifizierung steht kurz bevor
In der vergangene Woche veröffentlichte die Ampel-Regierung ihre Handelsagenda. Die Kernaussagen des dreiseitigen Papiers widersprechen sich fundamental: Auf der einen Seite sollen Nachhaltigkeitsstandards wie Klimaziele und Arbeitnehmer:innenschutz die verbindliche Richtschnur in allen künftigen Handelsverträgen werden. Auf der anderen Seite verkünden die Regierungsparteien, noch in diesem Sommer das CETA-Abkommen mit Kanada ratifizieren zu wollen: ein Handelsabkommen, das Investitionen in fossile Energien schützt, Nachhaltigkeitsstandards aber nicht. Rote Linien für einen Verbleib im Energiecharta-Vertrag werden zwar auch formuliert, von dem dringend notwendigen Austritt ist aber nicht die Rede.
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Anti-Klima Abkommen CETA
Kurz zusammengefasst, hat das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada CETA die Liberalisierung, Harmonisierung und Privatisierung sämtlicher Lebensbereiche zum Ziel. Vor knapp fünf Jahren ist es bereits vorläufig in Kraft getreten, nun steht die endgültige Ratifizierung kurz bevor. In diesen fünf Jahren hat sich der Handel mit dem äußerst klimaschädlichen Teersandöl verdoppelt. Und auch der Handel mit genmanipuliertem und hormonbehandeltem Fisch und Fleisch boomt: Die zollfreien Importquoten für kanadisches Rind- und Schweinefleisch sollen von ehemals 9.711 auf 120.000 Tonnen aufgestockt werden. Umgekehrt kann die EU zusätzlich bis zu 16.000 Tonnen Käse zollfrei nach Kanada exportieren.
Durch CETA kommt ein Dumping-Wettbewerb in Gang, der die Erzeugerpreise für Fleisch und Milch weiter senkt. Dies geht zu Lasten der bäuerlichen Wirtschaft und unterstützt durch den Preisdruck das Absenken ökologischer Standards in der Lebensmittelindustrie. Dass CETA den Klimazielen von Paris im Weg steht, wird bereits daran deutlich, dass die Verletzung von ökologischen oder sozialen Nachhaltigkeitsstandards nicht sanktionsbehaftet, sprich zahnlos sind. Sanktionen drohen hingegen, wenn ein Vertragspartner fossile Energieträger nicht mehr so importiert oder exportiert, wie vereinbart.
Der vielleicht größte Kritikpunkt an CETA sind nach wie vor die Etablierung privater Schiedsgerichte: eine Paralleljustiz, die Großinvestoren erlaubt, Staaten in Milliardenhöhe zu verklagen, sollte eine Regierung Maßnahmen gegen die Profitinteressen eines Investors beschließen. Und genau diese wollen die Energiekonzerne, die sich den Handel mit LNG-Gas darüber absichern wollen. Vergleichbare Abkommen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass allein durch angekündigte Klagen progressive Gesetzgebung verhindert wird – sei es bei Umweltauflagen zu einem Kohlekraftwerk in Hamburg oder einem Frackinggesetz in Slowenien.
Darüber hinaus schreibt CETA weitreichende Liberalisierungsverpflichtungen für die öffentliche Daseinsvorsorge vor und verschärft den Privatisierungsdruck im Interesse der Erweiterung des Handels mit Dienstleistungen. Dies schränkt die Handlungsspielräume von Kommunen ein, öffentliche Gebäude und Versorgungsbetriebe energieeffizient zu bewirtschaften, Kantinen mit regionalen und ökologischen Produkten zu versorgen oder eine Verkehrs- und Energiewende einzuleiten.
CETA-Nachbesserungen: fragwürdig und unzureichend
Vor sechs Jahren, kurz bevor CETA beschlossen wurde, ging die Zivilgesellschaft zu Hunderttausenden für einen fairen und gerechten Welthandel und gegen das neoliberale und undemokratische Abkommen auf die Straße. Damals teilten die Grünen diese ablehnende Haltung noch. Sie sprachen auf Demos und machten mit der Ablehnung der Verträge Wahlkampf. Wie will die Ampel die CETA-Ratifizierung nun als Fortschritt verkaufen?
Um den öffentlichen Druck zu besänftigen, werden Nachverhandlungen im zuständigen Komitee (Joint-Comittee – gemeinsamer CETA-Ausschuss) zwischen EU und Kanada angekündigt. Darin sollen Interpretationserklärungen des Investitionsschutzkapitels (Kap. 8) getroffen werden, die das Klagerecht auf Fälle der direkten Enteignung und dem Diskriminierungsschutz beschränken sollen. Dies würde den Klagegrund der geschmälerten Profiterwartung ausklammern. Der Vertragstext selbst wird aber nicht verändert – er ist schließlich bereits von 15 Staaten ratifiziert. Ob die angekündigten Vereinbarungen zur Interpretation praktisch und rechtssicher durchführbar sind, ist daher hochgradig fragwürdig.
Und selbst wenn das Vorhaben, dieses eine Kapitel zu entschärfen gelingen sollte, zeigt dies zwei Probleme deutlich auf: Der geheimtagende CETA-Ausschuss kann auch nach Ratifizierung das Abkommen grundlegend verändern – ohne die Beteiligung von Regierungen und Parlamenten. Außerdem wird damit das grundsätzliche Problem einer Paralleljustiz ohnehin nicht angegangen. CETA wird ein Handelsabkommen bleiben, das den Verbraucher- und Umweltschutz mit Füßen tritt und demokratische Entscheidungen aushebelt, abgesegnet von Grünen und Sozialdemokraten.
Die Handelsagenda der Ampel leuchtet gelb, wir sehen rot
Warum geben die Grünen also ihren Widerstand gegen CETA auf? Im günstigsten Fall sorgen die Kriterien der Handelsagenda für einen Austritt aus dem Energiecharta-Vertrag ECT. Ähnlich wie CETA gewährt der ECT ausländischen Investoren ein Klagerecht vor privaten Schiedsgerichten, ist jedoch auf den Energiesektor begrenzt. Über 50 Staaten haben den ECT unterzeichnet. Der Vertrag verhindert weltweit den dringend nötigen Umbau des Energiesektors hin zu erneuerbaren Energien.
Neoliberale Kräfte aus SPD und vor allem FDP halten die Energiecharta für eine gute Idee, obwohl er wirtschaftliche Interessen weniger Investoren über die Souveränität gewählter Parlamente und des Klimaschutzes stellt. Vor allem die Grünen hatten die Probleme erkannt und erreicht, dass in der Handelsagenda unter anderem gefordert wird, den Investitionsschutz deutlich zu entschärfen und den Vertrag an die Klimaziele anzupassen. Doch die in der vergangenen Woche finalisierte Reform der Charta enthält keine ausreichenden Verbesserungen in diese Richtung. Investitionen in fossile Energien bleiben vielmehr noch mehr als zehn Jahre lang geschützt. Über die Abschaffung von privaten Schiedsgerichten war nicht einmal verhandelt worden.
Ist die Zustimmung zu CETA also ein bitterer Kuhhandel, um den Austritt Deutschlands aus dem ECT zu erreichen? Möglicherweise gelingt den Grünen nicht einmal das. In der Handelsagenda ist der ECT-Austritt Deutschlands nicht fest verankert – anders als die Ratifizierung von CETA. Am Ende könnte es also passieren, dass sich die neoliberalen Kräfte aus FDP und SPD auf ganzer Linie gegen die Grünen durchsetzen.
CETA stoppen, Exit ECT
Die einzige logische Antwort auf die gescheiterten Reformbemühungen des ECT ist der sofortige Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag. Gleichzeitig fordern wir von der Ampel die Ratifizierung von CETA zu unterlassen und ihre Handelspolitik völlig neu auszurichten. Denn gerade in Zeiten von Energie- und Klimakrise müssen Regierungen handlungsfähig bleiben. Paralleljustizen mit Sonderklagerechten für Unternehmen stehen dem Klimaschutz, dem Verbraucherschutz und der Demokratie im Weg.
Weiterführende Links:
> Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA