Wir machten auf die Lobbyverstrickungen zahlreicher Stadtwerke aufmerksam – und konnten den Verband „Zukunft Gas“ effektiv schwächen!
Stadtwerke raus aus der Gaslobby!
Mehr als 100 Stadtwerke waren Mitglied im Lobbyverband „Zukunft Gas“ und finanzierten so die Anti-Klima-Politik der Gaslobby. Mit einer medienwirksamen Kampagne forderten wir die Stadtwerke zum Austritt auf – mit Erfolg! Mehr als 40 Stadtwerke kehrten „Zukunft Gas“ den Rücken.
„Zukunft Gas“ ist ein Lobbyverband, der sich für die Interessen der Gasindustrie einsetzt. Mitglied bei dem Verband sind neben großen Gaskonzernen, wie Wintershall Dea, Shell, VNG und der früheren Gazprom-Tochter Wingas, auch zahlreiche Stadtwerke und kommunale Versorgungsunternehmen. Aufmerksam auf diesen Missstand machte uns im April 2023 eine Veröffentlichung des Recherchezentrums Correctiv. Die Recherche deckte auf, dass Stadtwerke an „Zukunft Gas“ wohl Mitgliedsbeiträge in Millionenhöhe zahlen. Das ist schockierend – passt jedoch ins Gesamtbild, denn die Gaslobby gehört zu den finanzstärksten Lobbyakteuren in Deutschland
Das besonders Problematische im Fall der Stadtwerke: Als kommunale Unternehmen sind sie dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht zuletzt zentrale Akteure in der dringenden Energie- und Wärmewende. Ihre Mitgliedschaft bei „Zukunft Gas“ steht dazu in eklatantem Widerspruch.
Wieso steht "Zukunft Gas" in der Kritik?
„Zukunft Gas“ bewirbt Erdgas entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse als klimafreundlichen Energieträger. Dabei verschweigt der Verband die enormen Klimaschäden durch Methanlecks entlang der Lieferkette.
Der Verband setzte sich jahrelang für Erdgasimporte aus Russland ein und trug so maßgeblich zu der Gaskrise im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bei. Noch im Herbst 2021, als Expert:innen bereits Preissteigerungen auf dem Gasmarkt absehen konnten, bewarb der Verband Erdgas fälschlicherweise als preisstabil.
„Zukunft Gas“ überbewertet die zukünftige Verfügbarkeit von Wasserstoff und vermischt für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbar grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien mit aus Erdgas hergestelltem fossilen Wasserstoff.
Gemeinsam gegen die Gaslobby
Für uns war nach diesen Enthüllungen klar: Es braucht Druck, insbesondere vor Ort, um möglichst viele Stadtwerke dazu zu bewegen, aus dem Gaslobbyverband auszutreten. Und mit „Druck vor Ort“ kannten wir uns durch unsere jahrelange Erfahrung mit kommunalen Bürgerinitiativen im Rahmen des Projekts „Klimawende von unten“ ziemlich gut aus. Obwohl unser Jahresplan bereits mit anderen Projekten gefüllt war, entschieden wir uns daher für eine spontane Kampagne zur Mitgliedschaft der kommunalen Versorgungsunternehmen bei „Zukunft Gas“.
Während bei uns gerade einmal zwei Personen an der Kampagne arbeiteten, stand der Gaslobby ein Millionenbudget zur Verfügung. Um gegen den scheinbar übermächtigen Gegner anzukommen, vernetzten wir uns daher mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und lokalen Initiativen. Wir klärten lokale Umwelt- und Klimagruppen darüber auf, dass ihr Stadtwerk Mitglied bei „Zukunft Gas“ ist und unterstützten ihren Protest dagegen.
Wir fordern: Stadtwerke raus aus der Gaslobby!
Als Ergebnis dieser intensiven Vernetzungsarbeit konnten wir schließlich 70 Organisationen als Unterstützer:innen unseres gemeinsamen Aufrufs im Juli 2023 gewinnen. Darin forderten wir deutschlandweit die Stadtwerke auf, ihre Mitgliedschaft bei „Zukunft Gas“ zu beenden.
Ende September kam es dann zum Höhepunkt der Kampagne: einem deutschlandweiten Aktionstag. In zehn Städten demonstrierten engagierte Bürger:innen gegen die Gaslobby-Verstrickungen der kommunalen Versorgungsunternehmen. Damit sendeten wir kurz vor dem VKU-Kongress, dem größten Kongress der kommunalen Energiewirtschaft in Deutschland, ein klares Statement an die Stadtwerke: Sich in Verbänden wie dem VKU zur gemeinsamen politischen Interessensvertretung zu organisieren, ist sinnvoll – ein einseitiges Engagement für die Gaslobby hingegen ist weder mit dem Gemeinwohlauftrag, noch mit jeglichen Klimaschutzambitionen vereinbar!
Das Bündnis für Klima und Nachhaltigkeit Fulda demonstrierte vor der Geschäftsstelle der Rhönenergie gegen deren Mitgliedschaft bei "Zukunft Gas".
Tatort Gaslobby: Mit einer Fotoaktion verdeutlichten Aktive von XR Fürth die Problematik einer Mitgliedschaft in der Gaslobby.
Mit einem Infostand klärte "Friedrichshafen Zero" Passant:innen über die Mitgliedschaft des lokalen Energieversorgers bei "Zukunft Gas" auf. Mit Erfolg: Das Stadtwerk am See ist inzwischen ausgetreten.
Die Stadtwerke München sind über ihre 50%-Beteiligung am Unternehmen Energie Südbayern indirekt Mitglied bei "Zukunft Gas". Deswegen demonstrierten wir vom Umweltinstitut gemeinsam mit Fridays for Future in München vor der SWM-Zentrale.
Auch in Wiesbaden gab es Proteste. Dort ist die ESWE Versorgungs AG Mitglied bei "Zukunft Gas".
"Unser Stadtwerk raus aus der Gaslobby!" forderten auch Heilbronn for Future und das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn
Erst Schweigen, dann Diffamierungsversuche
„Zukunft Gas“ reagierte auf unsere Kampagne – wie schon auf die Anfragen im Rahmen der Recherchen von Correctiv und Lobbycontrol – zunächst mit großem Schweigen. Damit versuchte der Verband die Berichterstattung zu erschweren und das Thema möglichst klein zu halten. Mit der Zeit schalteten sie jedoch in den Angriffsmodus und versuchten mit Pressestatements das Umweltinstitut und Lobbycontrol als unseriös darzustellen. Wir nahmen das als Kompliment, denn es bedeutete, dass wir in den Augen des Lobbyverbandes zu einer ernstzunehmenden Bedrohung geworden waren!
Ein Austritt nach dem anderen
Und diese „Bedrohung“ war für „Zukunft Gas“ ganz real: Bereits nach der Berichterstattung von Lobbycontrol und Correctiv hatten innerhalb eines Jahres 15 Stadtwerke den Lobbyverband verlassen. Durch unsere Aktionen und die mediale Berichterstattung dazu erhöhte sich die Zahl stetig: Im September 2023 konnten wir bereits 26 Austritte verzeichnen. Auch das wohl größte Stadtwerk in der Mitgliedschaft von „Zukunft Gas“, die Gelsenwasser Netze (Stadtwerk von Dortmund, Bochum und weiteren Städten) trat nach von uns initiiertem lokalen Protest aus. Inzwischen sind über 40 Stadtwerke ausgetreten. Ein riesiger Erfolg!
Möglich wurden die zahlreichen Austritte durch das breite Medienecho, das wir im Rahmen unserer Kampagne generieren konnten. Sowohl in deutschlandweiten Medien als auch in der Lokal- und Fachpresse – welche für die Meinungsbildung der Stadtwerke-Chef:innen besonders relevant ist – wurde über unsere Aktionen und die daraufhin erfolgten Austritte berichtet.
Die Zukunft braucht keine fossilen Lobbyverbände wie "Zukunft Gas".
Der Kampf gegen die Gaslobby geht weiter
Damit konnten wir über das konkrete Kampagnenziel hinaus einen Beitrag zu einer wichtigen Diskursverschiebung leisten: weg von den Scheinlösungen der Gaslobby wie „H2-ready-Heizungen“, hin zu Debatten über eine echte Wärmewende ohne teure und ineffiziente Gas-Technologien.
Daran knüpfen wir mit unserer Kampagne „Wasserstoff nicht verheizen!“ an. Damit wollen wir verhindern, dass Kommunen Wasserstoff im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung für die künftige Wärmeversorgung ihrer Bürger:innen einplanen. Denn auch hier gilt: Die Erzählung vom (privaten) Heizen mit Wasserstoff ist nur ein weiterer verzweifelter Versuch der Gaslobby, mit ihrem fossilen Geschäftsmodell so lange wie möglich Geld zu machen. Gemeinsam bleiben wir am Ball und stellen uns der Gaslobby entgegen!
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