Nationale Wasserstoffstrategie: Ein wenig Licht, viel Schatten
Die Bundesregierung möchte langfristig auf grünen Wasserstoff setzen, fördert aber "blauen" Wasserstoff und damit fossile Infrastruktur.
Dr. Hauke Doerk · Kasimir Buhr · 4 Minuten Lesezeit
Die nationale Wasserstoffstrategie (NWS) ist am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossen worden. Die Zielvorstellungen des Bedarfs sind nach oben korrigiert worden und damit nun realistischer. Es ist die Absicht erkennbar, langfristig auf grünen Wasserstoff zu setzen, der mithilfe von erneuerbarem Strom durch die Elektrolyse von Wasser hergestellt wird. Leider existieren jedoch einige Schlupflöcher, welche die Förderung von Investitionen in fossile Infrastruktur durch die Hintertür ermöglichen. Zudem bleiben Nachhaltigkeits- und Umweltschutzstandards sowohl für die Herstellung für Wasserstoff im Inland als auch für den Import viel zu vage.
Wasserstoff-Förderung hat bereits begonnen
Eine Wasserstoffstrategie gibt es seit 2020, doch es war schnell klar, dass eine Überarbeitung notwendig wird. Seit Ende 2022 gab es die Ankündigung einer baldigen Veröffentlichung. Unsere Forderung „Wasserstoff nur fair und erneuerbar!“, die wir gemeinsam mit rund 16.000 Unterstützer:innen an Bundesminister Habeck richteten, brachten wir bereits im Dezember 2022 mit einer Protestaktion in Berlin an die Öffentlichkeit und überreichten die Forderungen ans Ministerium.
Die Bundesregierung hat lange diskutiert und gleichzeitig Fakten geschaffen: Milliardenschwere Förderinstrumente für Wasserstoff-Infrastruktur, etwa durch „Klimaschutzverträge“ wurden bereits auf den Weg gebracht, bevor nun endlich die Wasserstoffstrategie nachgeliefert wird.
Bedarfsprognose angehoben
Fürs Jahr 2030 wird der Wasserstoffbedarf mit 95-130 Terrawattstunden prognostiziert. Das Ziel für die Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff (Elektrolyse) im Inland wurde von 5 Gigawatt (GW) auf 10 GW verdoppelt. Das begrüßen wir, denn Elektrolyseure können nicht nur Wasserstoff herstellen, sondern auch als flexible Stromverbraucher zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. In der Zukunft werden die benötigten Kapazitäten voraussichtlich noch deutlich höher ausfallen. Doch auch mit der angehobenen Elektrolysekapazität muss der Großteil des Wasserstoffs importiert werden.
Förderung von fossilem Wasserstoff
Aus unserer Sicht enttäuschend ist, dass im Sinne der NWS auch nicht-grüner Wasserstoff „in „begrenztem Umfang“ gefördert wird, wenn dieser niedrige Emissionen nachweisen könne. Doch dieser Ansatz führt in die Irre. Denn Wasserstoff aus Pyrolyse („türkis“) oder unter Einsatz von Bioenergie („orange“) wird in den nächsten entscheidenden Jahren keine nennenswerte Rolle spielen. Daher geht es vorrangig um „blauen“ Wasserstoff aus Erdgas mit CCS – und auch für diesen gibt es derzeit kaum Kapazitäten. Ein Aufbau der Infrastruktur für blauen Wasserstoff bedeutet also Investitionen in neue fossile Infrastruktur und hilft vor allem der Gasindustrie. Das für Deutschland relevanteste Projekt ist hierbei der Bau einer Wasserstoff-Pipeline aus Norwegen, dies wird in der NWS mehrfach benannt. Damit einher geht jedoch die Erschließung neuer Erdgasfelder in der Arktis, die nicht einfach in fünf Jahren im Sinne einer „Übergangstechnologie“ wieder geschlossen werden. Es handelt sich vielmehr um Abhängigkeiten über Jahrzehnte, die nicht unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit vom Staat gefördert werden dürfen. Für die Norwegen-Pipeline ist Geld aus Deutschland, insbesondere vom Energiekonzern RWE, essenziell. In einer Email-Aktion fordern wir daher gemeinsam mit rund 13.000 Menschen RWE-Chef Krebber auf: Finger weg vom Arktis-Wasserstoff!
Klarere Priorisierung der Anwendung nötig
Wasserstoff wird auf absehbare Zeit ein knappes Gut bleiben. Der Einsatz in privaten Heizungen oder in Autos, etwa in hochpreisigen PKW oder gar zur Produktion von E-Fuels für Sportwagen ist unnötige Verschwendung und mit sinnvoller Verkehrspolitik auch nicht nötig. Hier ist die Wasserstoffstrategie nicht deutlich genug. Zwar werden Stromnetz und der Ersatz von fossilem Wasserstoff als Rohstoff in der Industrie priorisiert, andere Anwendungen werden aber auch nicht ausgeschlossen. Der Einsatz von Wasserstoff in Heizungen soll sogar technisch ermöglicht werden, obwohl die Bundesregierung selbst davon ausgeht, dass wegen der hohen Kosten auch nach 2030 niemand mit Wasserstoff heizen wird. Statt einer „Technologieoffenheit“, mit der wir sehenden Auges gegen eine Wand aus horrenden Energiekosten fahren und Investitionen in fossile Heizungen unnötig angereizt werden, brauchen wir mehr Mut zur Klarheit.
->Lesen Sie hier, warum Wasserstoff zum Heizen problematisch ist.
Nachhaltigkeits- und Umweltstandards für H2-Importe
Teile der Industrie fordern einen zügigen Markthochlauf für Wasserstofftechnologien und die (rücksichtslose) schnelle Sicherung großer Mengen Wasserstoff auf dem Weltmarkt. In der Wasserstoffstrategie betont die Regierung immerhin an mehreren Stellen die Wichtigkeit von Nachhaltigkeits- und Umweltstandards und der UN-Nachhaltigkeitsziele. Die Regelung des Importes von Wasserstoffs oder dessen Derivaten wird aber nicht umfassend abgedeckt. Stattdessen werden Leitlinien für eine noch in diesem Jahr nachzuliefernde Importstrategie formuliert. Bereits heute sollten diese Standards deutlich konkreter ausfallen. Denn nur durch eine frühzeitige Klärung der Standards wird sichergestellt, dass keine ausbeuterischen Importprojekte mit neokolonialem Charakter aufgezogen werden, die im Nachhinein schwer zu verändern sein werden. Positiv ist zu nennen, dass die Bundesregierung sich für strenge Nachhaltigkeits- und Umweltstandards auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen möchte. Auch hierfür wäre es sinnvoll, mit gutem Beispiel voranzugehen und Glaubwürdigkeit in internationalen Partnerschaften aufzubauen.
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